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Spannungen zwischen USA und China treiben Regierungskrise in Australien an

Von Peter Symonds
9. März 2012

Vergangenen Freitag wurde Bob Carr zum neuen australischen Außenminister ernannt. Dies ist nur der jüngste Ausdruck einer Krise der Labor-Regierung, die schon seit dem Sturz von Premierminister Rudd im Juni 2010 andauert.

In den vergangenen zwei Wochen erlebte Australien eine dramatische Entwicklung: Rudd trat als Außenminister zurück, er versuchte erfolglos, Julia Gillard die Führung der Laborpartei zu entreißen, und schließlich wurde Carr nur unter neuerlichem, ungewöhnlichem Hickhack ernannt. Trotzdem haben die Medien immer wieder betont, es gehe um nichts weiter als persönliche Rivalitäten.

In Wahrheit steht der australische Kapitalismus vor einem unlösbaren Problem, und dies findet in der Regierungskrise – von 2010 bis heute – seinen Ausdruck. Australien vollführt einen wahren Balanceakt zwischen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von China und seiner militärischen Abhängigkeit von den USA.

Das Problem betrifft in ähnlicher Weise viele Regierungen in ganz Asien und weltweit. In Canberra ist es allerdings wegen der Besonderheiten der geopolitischen Lage Australiens mit ungewöhnlicher Heftigkeit aufgebrochen. Kein anderes Land der G-20 ist so stark von Exporten nach China, vor allem im Mineral- und Energiesektor, abhängig. Allerdings verlässt sich auch kein anderes Land bei der Verteidigung seiner strategischen Interessen im Südwestpazifik so stark auf die Unterstützung der USA.

Rudd wurde Mitte 2010 über Nacht in einem innerparteilichen Putsch von einer Handvoll mächtiger Fraktionsführer mit engen Bindungen zur US-Botschaft und Washington gestürzt. Neben anderen, innenpolitischen Gründen war ein entscheidender Faktor bei seinem Sturz der Umstand, dass Obama seine Versuche zurückwies, bei den wachsenden Spannungen zwischen den USA und China zu vermitteln.

Seit Mitte 2009 geht das Weiße Haus diplomatisch und strategisch in die Offensive, um sich Chinas Einfluss im gesamten asiatischen Raum zu widersetzen. Rudd war keinesfalls anti-amerikanisch, aber er durchkreuzte diese Pläne, indem er die USA aufforderte, den Ausgleich mit chinesischen Interessen zu suchen.

Unter Gillard schwenkte die australische Politik wieder auf US-Kurs ein. Die Regierung bot dem amerikanischen Präsidenten im vergangenen November eine parlamentarische Plattform, auf der er unumwunden erklären konnte: „Die Vereinigten Staaten sind eine pazifische Macht; sie sind gekommen, um zu bleiben.“ Gillard und Obama kündigten an, das US-Militär plane die extensive Nutzung australischer See- und Luftstützpunkte und die Stationierung von US-Marines in Nordaustralien.

Die Differenzen, die Labor zerreißen könnten, können in der Öffentlichkeit nicht diskutiert werden. Dies würde die Beziehungen zu den USA oder China gefährden. Jetzt hat Carrs frühere Kritik an dem Obama-Gillard-Handel und an anderen Aspekten der US-Politik allerdings dazu geführt, dass lange unterdrückte Differenzen ans Licht kommen. Das ganze Establishment steht tief gespalten da.

Carr sieht sich gezwungen, die recht blumige Sprache seines Blog zu mäßigen und seine Kritik am NATO-Krieg gegen Libyen, den US-Sanktionen gegen Iran und die von den USA angeführte Invasion Afghanistans zurückzuziehen. Was aber die Frage der Spannungen zwischen den USA und China angeht, zeigt er keine Reue.

Nach Obamas Besuch im November schrieb Carr in seinem Blog: “Ein friedliches Arrangement in der Pazifikregion zwischen den USA und China ist offensichtlich im Interesse dieses Landes. Als Vertragspartner [der USA] sind wir nicht ihr Flugzeugträger.“ Er verteidigte seine Ansichten am Montag im Radiosender ABC und erklärte: „Australiens Sicherheitsbündnis mit den USA bedeutet noch lange nicht, dass Australien sich an der Eindämmung Chinas beteiligen muss.“

Julie Bishop, die außenpolitische Sprecherin der Opposition, erklärte, Carrs Meinungen stünden im Widerspruch zur Regierungspolitik. Wie Bishop sehr wohl weiß, verläuft der Graben in der Frage der Beziehungen zu den USA und zu China auch mitten durch ihre Partei der Liberalen.

Malcolm Turnbull, der Ende 2009 als Parteiführer gestürzt wurde, kritisierte Obamas Haltung zu China. „Es macht weder für die USA noch für Australien Sinn, eine langfristige strategische Politik unter der Voraussetzung zu sehen, dass wir uns auf unvermeidbarem Kollisionskurs mit einem militärisch aggressiven China befinden“, sagte er.

Auch strategische Analysten haben sich in die Debatte eingemischt. Hugh White, ein Verfechter eines Arrangements zwischen den USA und China, lobte Carrs Zurückweisung der „orthodoxen Ansicht, dass wir keine andere Wahl haben, als Washington bei jeglicher Politik gegenüber China zu unterstützen.“

John Lee, der Obamas unversöhnliche Haltung teilt, schrieb im Australian, Carr müsse sich hüten, „Rudds Irrtümer in Bezug auf China zu wiederholen“. Er forderte ihn auf, „Rudds falsche Ansicht“ aufzugeben, dass „ein weises und leichtfüßiges Australien“ in der einzigartigen Lage sei, als „Brücke und Schlichter“ zwischen den USA und China aufzutreten.

Diese scharfen Meinungsverschiedenheiten sind das Produkt mächtiger objektiver Kräfte. Der US-Imperialismus ist in einem historischen Niedergang begriffen, und China steigt zur erstrangigen Billiglohn-Plattform der Welt auf. Chinas wachsender Bedarf an Energie und Rohstoffen aus allen Winkeln der Erde treiben es in einen Konflikt mit der bestehenden Weltordnung, die auf der amerikanischen Vorherrschaft beruht. Die gnadenlose Einmischung der Obama-Regierung in die Angelegenheiten Asiens erhöht die Gefahr, dass es zwischen zwei Atommächten zu einem Krieg kommt.

Auch in Washington wurden Sorgen über einen Konflikt zwischen China und den USA laut. In der jüngsten Ausgabe des renommierten Magazins Foreign Affairs warnte der ehemalige Außenminister Henry Kissinger, die Handelskonflikte zwischen den USA und China könnten sich zu einem „Wettbewerb feindlicher Machtblöcke“ entwickeln.

Ohne die Bereitschaft zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, schrieb er, “könnten emotionale und weniger wichtige Fragen, als es Territorial- und Sicherheitsfragen sind, zum unüberwindlichen Hindernis werden“.

Kissinger warb für Kooperation und rief, ähnlich wie Rudd und White, zu einer “pazifischen Gemeinschaft” auf, “in der Hoffnung, dass China und Amerika es schaffen, ein Gefühl gemeinsamer Absichten herzustellen“. Er fügte hinzu: „Sowohl Washington als auch Beijing stehen vor der Alternative, sich entweder um Kooperation zu bemühen oder einer neuen, historischen Auflage internationaler Rivalitäten anheimzufallen.“

Woran Kissinger dachte, was er aber nicht aussprach, waren die globalen Katastrophen der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts: der erste und der zweite Weltkrieg. Damals trieben mächtige geopolitische Rivalitäten und eine tiefe Krise des Kapitalismus unvermeidlich in den Krieg.

Der globale Zusammenbruch des Kapitalismus führt heute zu ähnlichen Verwerfungen, die in der politischen Krise Australiens derzeit ihren aktuellen Ausdruck finden.

Die einzige soziale Kraft, die in der Lage ist, Krieg zu verhindern, ist die vereinigte Bewegung der internationalen Arbeiterklasse. Sie muss das Profitsystem und seine reaktionäre Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten abschaffen und eine sozialistische Weltwirtschaft einführen.