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Großbritannien:

Labour verbreitet ausländerfeindlichen Chauvinismus

Von Jordan Shilton
25. Januar 2013

Der Vorsitzende der britischen Labourparty, Ed Miliband, verstärkt die chauvinistische Propaganda seiner Partei gegen Einwanderer. Miliband prangerte im Dezember in zwei Reden den angeblich unkontrollierten Zustrom an Einwanderern an und machte sich gleichzeitig für eine Stärkung der nationalen Identität stark.

Am 14. Dezember hielt er eine Ansprache in Tooting im Süden von London; es sollte die Rede sein, die im Falle der Machtübernahme Labours die künftige Richtung weisen würde. Wie er sagte, habe die vormalige Labour-Regierung bei ihrer Einwanderungspolitik „Fehler gemacht“, besonders indem sie eine uneingeschränkte Einwanderung aus den zehn meist osteuropäischen Ländern, die 2004 in die EU kamen, zugelassen habe.

Milibands Rede war ein durchsichtiger Versuch, den Einwanderern die Schuld für den katastrophalen Niedergang in die Schuhe zu schieben, der in den vergangenen Jahren die Lebensbedingungen für die Masse der Arbeiterklasse zerstört hat. Gleichzeitig führte die Rede eine scharfe Rechtswende in die Debatte ein. Miliband behauptete, in Großbritannien herrsche berechtigte Beunruhigung über die Auswirkungen der unkontrollierten Einwanderung auf jene öffentlichen Leistungen, um die sich eine zukünftige Labour-Regierung kümmern müsse.

Kein Wort sagte Miliband zu der destruktiven Rolle, welche die Finanzelite spielt. Sie hat durch ihre jahrzehntelangen Spekulationen den sinkenden Lebensstandard und den Abbau öffentlicher Dienstleistungen verursacht. In Wirklichkeit sind die massiven Rettungsaktionen für die Banken mit öffentlichen Geldern, die auf das Konto der damals regierenden Labourparty gehen, das eigentliche Verbrechen.

Er deutete an, Labour werde vermutlich den Beschlüssen der Konservativen zur Einwanderungs-Beschränkung zustimmen. Schon jetzt werden die Einreisebedingungen nach Großbritannien verschärft.

Miliband forderte, jeder Einwanderer nach Großbritannien müsse sich verpflichten, Englisch zu lernen. Er trat dafür ein, dass Englischkenntnisse die Einstellungsvoraussetzung im öffentlichen Sektor sein sollen, und kündigte die Anwendung ähnlich diskriminierender Maßnahmen bei der Wohnungsvergabe an. Weiter forderte er, das Geld für Englischkurse müsse daher kommen, dass bei den Geldern der Kommunen für Übersetzungsdienste gekürzt werde.

Er betonte, im Wesentlichen seien der Einzelne und die Familien für die Verbesserung der Sprachfertigkeit zuständig; dies könne man ihnen nicht abnehmen. Er plädierte für „Vereinbarungen zum häuslichen Unterricht“, um sicherzustellen, dass die Eltern die Verantwortung für die Englischkenntnisse ihrer Kinder tragen. Bei landesweit gekürzten Schulbudgets und einem Bildungssystem, das in seiner Gesamtheit an den Privatsektor ausverkauft wird, sind derartige Vorschläge nichts als ein weiterer Schritt in der Abschaffung öffentlicher Bildung.

Selbstverständlich waren Milibands Äußerungen eine Steilvorlage für Premierminister David Cameron von den Konservativen. Cameron prangerte Labour an: „Unter Labour gab es ein völlig zerrüttetes Einwanderungssystem, das in zehn Jahren faktisch zwei Millionen Menschen ins Vereinigte Königreich holte. Das entspricht zwei Städten von der Größe Birminghams. Wir haben den vollkommenen Niedergang und ein großes Durcheinander übernommen. Theresa May [die Innenministerin] hielt diese Woche eine ausgezeichnete Rede, in der sie einige der von ihr durchgeführten Maßnahmen erläuterte, darunter die Schließung von 180 Pseudo-Gymnasien.“

Mays Rede war in Wirklichkeit eine Schimpftirade, die sämtliche bekannten Allheilmittel des ausländerfeindlichen Chauvinismus anführte. Sie zitierte Umfragen, nach denen „Weiße“ in London inzwischen eine Minorität darstellten, und versprach, die Einwanderungsbeschränkungen der Regierung durchzusetzen. Insbesondere betonte sie, es sei unumgänglich, die Zahl der ausländischen Studenten in Großbritannien um mehr als hunderttausend zu senken.

Milibands ausländerfeindliche Haltung gründet sich auf die Vision von „One Nation“, die vollständig von den Torrys übernommen ist, und die er auf der Parteikonferenz im Oktober schon vorgebracht hat. Seine Rede vom 14. Dezember schloss er mit der Erklärung: „Wenn wir hart arbeiten und kooperieren, können wir eine Nation (One Nation) aufbauen. Eine echte Integrationsstrategie. Damit wir eine gerechte Nation und nicht eine ungerechte haben. Eine Nation mit gemeinsamen Bindungen, einem gemeinsamen Leben, an der jeder seinen Anteil hat, keine zerfallende Gesellschaft.“

Zwei Wochen später knüpfte Miliband in seiner Neujahrsbotschaft vom 28. Dezember an seinem „One Nation“-Thema an und sagte: Die One-Nation-Labourparty streckt ihre Hand nach jedem Bereich Großbritanniens aus. Es geht um eine Partei, die ebenso die Partei des Privatsektors wie auch des öffentlichen Sektors ist, eine Partei des Südens wie auch des Nordens, eine Partei, die entschlossen ist, um die Zukunft des Vereinigten Königreichs zu kämpfen, und eine Partei, die ihre Wurzeln in jeder Gemeinde unseres Landes hat.“

Die von Miliband angeführten Themen – Fahnen-wehender Nationalismus, ausländerfeindlicher Chauvinismus, Lob des Marktliberalismus und schroffe Ablehnung der Überreste des britischen Wohlfahrtstaates – waren schon längere Zeit in der Partei diskutiert worden. Solche ideologische Positionen sind im Programm der Blue Labour Fraktion zu finden, die der Akademiker Maurice Glasman mit führenden Elementen Labours, wie Jon Cruddas, im Jahr 2009 gegründet hat.

In seinem Buch „ The Labour tradition and the politics of paradox“ (Die Labour-Tradition und die Politik des Paradoxon) denunziert Glasman die „staats-, umverteilungs- und gleichheitsmotivierte Labour-Tradition, die direkt von 1945 herrührt“. Miliband schrieb eine lobende Einleitung dazu. In diesem Werk sind die Standpunkte Blue Labours niedergelegt, die sich in der Parole „ Glaube, Familie und Vaterland“ zusammenfassen lassen.

Glasman schrieb: „Blau bezieht sich auf die Schlüsselrolle, die das Familienleben spielt; es steht für eine Würdigung des Glaubens, eine wirkliche Verpflichtung auf Arbeitsmoral und den äußerst sporadischen, aber nichtsdestoweniger tiefgreifenden Patriotismus der Menschen in England.“

Er kritisierte die vormalige Labour-Regierung unter Tony Blair, sie habe sich eine Auffassung von „Globalisierung“ zu eigen gemacht, die einen „Zustrom von Einwanderern“ nach sich gezogen habe. Glasman ging sogar so weit, zu fordern, man müsse sich mit den Mitgliedern der English Defence League befassen, einer vom Staat gesponserten faschistischen Organisation, die Gewalttaten und Provokationen gegen Einwanderer ausübt.

Miliband griff diese zentrale Botschaft im letzten Sommer auf und nutzte das sechzigjährige Jubiläums der Königin und die olympischen Sommerspiele in London als Anlass für seine nationalistische Propaganda. In einem Artikel des Daily Telegraph vom 7. Juni schrieb Miliband: „Während der Jubiläumsfeierlichkeiten, der Europäischen Fußballmeisterschaft und der Olympiade haben wir die einzigartige Chance, uns über die Situation unseres Landes Gedanken zu machen. Und mehr als je zuvor müssen wir uns jetzt, da in Schottland die Einheit des Landes bedroht ist, über die unterschiedlichen Identitäten, aus denen das Vereinigte Königreich besteht, unterhalten. Insbesondere müssen wir über England reden (...), wir sollten über England reden, indem wir einen progressiven Patriotismus entwerfen, der unsere Unterschiede würdigt und unser Volk ehrt.“

Während die herrschende Elite in ganz Großbritannien eine soziale Konterrevolution durchsetzt, wird eine nationalistische und ausländerfeindliche Demagogie als nützlich erachtet, um die soziale Empörung in eine reaktionäre Richtung zu lenken. Sie soll davon ablenken, dass ja die herrschende Elite selbst schuld ist, indem sie die schlimmsten Sparmaßnahmen seit den 1930ern durchsetzt.

Milibands reaktionäre Aussagen wurden vom Guardian aufgegriffen. Jackie Ashley schrieb in dem Traditionsblatt der liberalen Linken einen Artikel unter dem Titel: „Labour kann sich eine härtere Gangart in der Einwanderungs-Frage leisten“. Ashley argumentierte: „Es gibt einige Grundsätze, die Labour noch unumwundener, weniger um den heißen Brei herum, ansprechen sollte. Die [englische] Sprache ist das eine. Was wir wollen, ist ein starkes Gemeinschaftsgefühl, das Pflichten und Rechte vereint. Das war immer schon progressiv. Aber volle Teilnahme ist unmöglich, wenn man nicht Englisch sprechen und verstehen kann. Endlich spricht Miliband das aus, aber er kann es sich auch leisten, härter zuzulangen.“

Die arbeitende Bevölkerung muss das ganze Konstrukt der offiziellen „Einwanderungsdebatte“ mit Verachtung von sich weisen. Die gravierenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme, mit denen breite Schichten der britischen und internationalen Arbeiterklasse konfrontiert sind, lassen sich nur lösen, wenn sie an ihrer Wurzel, dem kapitalistischen Profitsystem, gepackt werden.