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Griechenland: Polizei geht gegen streikende U-Bahnarbeiter vor

Von Christoph Dreier
26. Januar 2013

Am Donnerstag setzte die griechische Regierung das Kriegsrecht ein, um streikende U-Bahnarbeiter zur Wiederaufnahme der Arbeit zu zwingen. Während es von Seiten der Arbeiter Versuche gab, ihren Streik als Antwort auszuweiten, erklärten die Gewerkschaften den Arbeitskampf für beendet.

Kurz vor vier Uhr morgens durchbrachen etwa 300 Polizisten des zentralen Metro-Depots Sepolia, die von 90 streikenden Arbeitern besetzt gehalten wurde. Die Besetzer leisteten keinen Widerstand. Trotzdem wurden laut Reuters mindestens zehn Arbeiter festgenommen und eine Arbeiterin verletzt. Anschließend verriegelte die Polizei die Anlage und ließ nur noch Streikbrecher passieren.

Die Regierung hatte am Tag zuvor die Arbeiter unter Anwendung des Kriegsrechts zum zivilen Militärdienst einberufen und damit gesetzlich zur Wiederaufnahme der Arbeit verpflichtet. Arbeitern, die sich weigern, drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Das Gesetz darf offiziell nur bei Naturkatastrophen, der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit oder dem Kriegsfall zur Anwendung kommen. Seit dem Ende Obristendiktatur im Jahr 1974 ist es nur neun Mal eingesetzt worden, davon drei Mal in den letzten drei Jahren. Zuerst wurden 2010 streikende Lastwagenfahrer zurück an die Arbeit gezwungen, dann im Jahr 2011 die Abfallentsorger und jetzt die U-Bahnarbeiter.

Bisher hatte es die Regierung nicht gewagt, Blockaden von Arbeitern derart brutal zu durchbrechen, wie es jetzt am Sepolia-Depot geschehen ist. Die Regierung aus der konservativen Nea Dimokratia (ND), der sozialdemokratischen PASOK und der Demokratischen Linken (DIMAR) hat sich entschlossen, jeden ernsthaften Streik zu unterdrücken und damit jeden kollektive Widerstand gegen ihre brutale Sparpolitik zu unterbinden.

Der Transportminister Kostis Hatzidakis (ND) erklärte, die Streiks seien „unverschämte Methoden“, die „Schwierigkeiten für Athen und die Gesellschaft Athens verursachen und ernste finanzielle Probleme schaffen“. Deshalb bleibe keine andere Möglichkeit, als das Kriegsrecht anzuwenden. Mit dieser Argumentation erklärt er jeden Streik für illegal, der Wirkung zeigt, da diese ihrer Natur nach immer „finanzieller“ Art ist.

Auch Regierungschef Andonis Samaras (ND) machte klar, dass es nicht nur um die U-Bahnarbeiter, sondern um jeden Widerstand von Arbeitern geht. Am Donnerstag sagte er, die Gewerkschaften hätten nicht das Recht, so umfassend zu streiken und „das Volk von morgens bis abends zu quälen“. Es seien klare Worte nötig, das müssten „alle ein für alle Male verstehen“.

Diese Worte zeigen die Verachtung der Regierung für die Arbeiter, die nicht durch den Streik der U-Bahnfahrer, sondern durch die brutale und unmenschliche Kürzungspolitik der Regierung „gequält“ werden. Die Attacken auf die U-Bahnarbeiter machen deutlich, dass die Regierung zu den brutalsten Methoden bereit ist, um die Profite der Banken und Spekulanten zu verteidigen und die griechische Bevölkerung weiter ausbluten zu lassen.

Der Streik der U-Bahnarbeiter richtet sich gegen das fünfte Sparpaket, das das Parlament am 8. November im Auftrag der EU verabschiedet hat. Nachdem die öffentlich Bediensteten bereits in den letzten drei Jahren mit Reallohnverlusten bis zu 60 Prozent konfrontiert waren, sieht das neue Sparpaket weitere Einschnitte bis zu 25 Prozent vor.

Die U-Bahnarbeiter standen von Anfang an an der Spitze des Kampfes gegen die Sparpolitik. Schon seit Wochen haben sie immer wieder die Arbeit niedergelegt, bis sie schließlich am Donnerstag letzter Woche einen unbefristeten Streik begannen. Zur gleichen Zeit kam es auch zu Streiks in anderen Bereichen, etwa dem Gesundheitswesen oder den Werften.

Die Unterstützung für die U-Bahnarbeiter war überwältigend. Als die Polizei am Freitagmorgen das Metrodepot überfiel, versammelten sich rasch hunderte Menschen vor deren Toren, um sich mit den U-Bahnarbeitern zu solidarisieren. Die Polizei hatte Mühe, die Menge daran zu hindern, den Kollegen zur Hilfe zu kommen. Für das Wochenende sind Protestdemonstrationen geplant.

Die Arbeiter der Eisenbahn sowie der Busse und Trams legten aus Solidarität spontan die Arbeit nieder. Sie waren sich bewusst, dass die Angriffe auf ihre Kollegen gegen die gesamte Arbeiterklasse gerichtet sind.

Doch die Gewerkschaften setzten alles daran, eine Mobilisierung der griechischen Arbeiterklasse zu verhindern. So beschränkten sie die Streiks der Eisenbahner auf vier Stunden, die auch noch außerhalb der Stoßzeiten lagen. Die Trams und Busse sollten nach Ansicht der Gewerkschaftsführer nicht länger als 24 Stunden stillstehen.

Verschiedenen Berichten zufolge hat die Gewerkschaft des öffentlichen Nahverkehrs, SELMA, ihre Mitglieder ebenfalls aufgerufen, an die Arbeit zurückzukehren. Weil viele Arbeiter dieser Weisung offenbar nicht nachkamen, blieb der U-Bahnverkehr am Freitag stockend.

Schon in den letzten Jahren haben die Gewerkschaften den Widerstand der Arbeiter systematisch sabotiert. Sie haben jeden größeren Streik mit der Regierung abgesprochen und die Proteste so organisiert, dass sie keine „finanziellen Probleme“ schufen und wirkungslos blieben. Waren sie einmal nicht in der Lage, die Wut der Arbeiter auf diese Weise zu kanalisieren, setzte der Staat wie bei den LKW-Fahrern und den Entsorgungsarbeitern das Kriegsrecht ein. Die Gewerkschaften versuchten dann wiederum sicherzustellen, dass es dagegen zu keinen ernsthaften Protesten kommt.

Gedeckt wird diese Symbiose von Staat und Gewerkschaften durch verschiedene pseudolinke Gruppen wie die Kooperation der Antikapitalistischen Linken für den Umsturz (Antarsya) oder die Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA). Beide haben den Einsatz des Kriegsrechts zwar verurteilt, aber gleichzeitig versucht, eine Mobilisierung der Arbeiter dagegen zu verhindern.

Ein Pressesprecher der Antarsya sagte der WSWS, ihr Mann bei den U-Bahnarbeitern, Antonis Stamatopoulos, habe die Arbeiter nicht zu einer Fortsetzung des Streiks aufgerufen, sondern wolle die Stimmung auf den Basistreffen am Wochenende abwarten.

Der unbefristete Streik der U-Bahnarbeiter und die Schwierigkeiten der Gewerkschaftsbürokraten, ihn zu beenden, zeigen, dass Arbeiter in wachsendem Maße nicht nur mit dem Staat, sondern auch mit seinen Helfern bei den Gewerkschaften und pseudolinken Parteien in Konflikt geraten, wenn sie ihre Interessen verteidigen wollen.

Der Einsatz des Kriegsrechts und der brutale Überfall auf die streikenden Arbeiter verdeutlichen zugleich, dass die herrschende Elite zu allem bereits ist, um den anschwellenden Widerstand gegen das Diktat der Banken zu unterdrücken. Sie zeigen, dass die Interessen dieser Elite völlig inkompatibel mit den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung sind.

So wie Griechenland für die EU ein Testlauf für die Zerschlagung der sozialen Rechte in ganz Europa war, wird es jetzt zum Vorbild für die Einführung autoritärer Herrschaftsmethoden. Die Raubzüge der Banken und Spekulanten sind mit demokratischen Rechten für die Arbeiterklasse schlichtweg nicht vereinbar.

Die Antwort auf diese Aggression muss eine unabhängige Mobilisierung der gesamten griechischen und europäischen Arbeiterklasse sein. Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und pseudolinken Gruppen, die eben das verhindern wollen, und eine sozialistische Perspektive, die die unabhängigen Interessen der Arbeiter gegen die Ansprüche der Banken formuliert.