Streiks und Proteste in Griechenland
Von Christoph Dreier
1. Februar 2013
Am Donnerstag kam es in Griechenland zu zahlreichen Protesten und Arbeitsniederlegungen gegen die Sparprogramme der Regierung und ihr brutales Vorgehen gegen streikende Arbeiter. Neben Ärzten und Pflegern legten Busfahrer, Hafenarbeiter und die Beschäftigten der Elektrizitätswerke die Arbeit nieder.
Hunderte Arbeiter des Gesundheitsbereichs versammelten sich auf dem zentralen Syntagmaplatz, um gegen die Kürzungen in den Krankenhäusern zu protestieren. Ärzte und Pfleger starteten am Donnerstag einen 24-stündigen Streik, während dem sie ausschließlich Notfälle behandeln.
Die Demonstranten riefen Sprüche wie „Wir werden streiken bis zum Sieg“ und trugen Transparente mit der Aufschrift „Wir werden die Troika rausschmeißen“. Damit bezogen sie sich auf die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB), die dem Land mittlerweile fünf brutale Sparpakete diktiert haben.
Neben dem Klinikpersonal streiken auch die niedergelassenen Kassenärzte, die von der größten Krankenversicherung des Landes, der EOPYY, 20 Prozent weniger Honorar erhalten sollen.
Die Gesundheitsversorgung war schon als Folge der vorherigen Kürzungen in einem katastrophalen Zustand. Mit dem neuen Sparpaket steht sie kurz vor dem Kollaps. Im November letzten Jahres beschlossen Regierung und Parlament zusätzliche Kürzungen im Gesundheitssektor von 1,5 Milliarden Euro. Diese sollen unter anderem durch Entlassungen und die Schließung von Krankenhäusern eingespart werden. In den letzten drei Jahren haben laut Zahlen der Medizinervereinigung Athen (ISA) bereits 4.000 Ärzte das Land verlassen – Tendenz steigend.
Die Arbeiter sind nicht nur auf der Straße, weil sie von Entlassungen und Lohnkürzungen bedroht sind, sondern auch, weil sie ihre lebensrettende Arbeit nicht mehr sachgerecht ausführen können. Es fehlt an den grundlegendsten Materialien und vor allem an Personal. Neben der Rücknahme der Kürzungen forderten die Arbeiter deshalb die Einstellung von 6.000 Ärzten und 20.000 Pflegekräften.
Unterstützt wurde der Streik der Medizinarbeiter durch eine vierstündige Arbeitsniederlegung im öffentlichen Dienst. Zahlreiche Post- und Steuerämter blieben geschlossen, und auch die Verwaltung war betroffen. Zudem starteten die Hafenarbeiter einen 24-stündigen Streik, der den Fährverkehr nahezu vollständig lahmlegte.
Neben diesen langfristig geplanten Streiks kam es zu Arbeitsniederlegungen bei den Bussen, den Oberleitungsbussen und der Eisenbahn. Die Transportarbeiter solidarisierten sich mit den Kollegen von Tram und U-Bahn, die am Freitag mit Polizeigewalt und unter Anwendung des Kriegsrechts zurück an die Arbeit gezwungen worden waren. Sie hatten wie die anderen Streikenden gegen die geplanten Lohnkürzungen protestiert.
Der Solidaritätsstreik der Busfahrer war am Sonntag von einem Gericht für illegal erklärt worden. Die Gewerkschaft hatte die Proteste daraufhin am Montag beendet und zu dem auf 24-Stunden befristeten Streik aufgerufen. Die Beschäftigten hatten sich in einer Urabstimmung für eine Fortsetzung der Kampfmaßnahmen ausgesprochen. Die U-Bahnen und Trams selbst fuhren regulär. Die Gewerkschaften hatten den dortigen Streik unmittelbar nach der Polizeiaktion beendet.
Die Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter, die von Lohnkürzungen in gleicher Höhe betroffen sind, rief am Donnerstag ebenfalls zu einem Solidaritätsstreik auf. Die Stromversorgung wurde dabei allerdings aufrecht erhalten.
Am Mittwoch besetzten 35 Mitglieder der Gewerkschaft der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), PAME, das Arbeitsministerium. Die Polizei räumte das Gebäude und nahm die Besetzer fest. Am Donnerstag versammelten sich darauf etwa tausend Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude, um für die Freilassung der Inhaftierten zu demonstrieren. Die KKE hatte schon in der Vergangenheit ähnliche öffentlichkeitswirksame Aktivitäten organisiert, weigert sich aber, umfassende Streikmaßnahmen gegen die Regierung und ihr Sparprogramm zu organisieren.
Die Streiks und Proteste vom Donnerstag sind Bestandteil des massiven Widerstand der griechischen Arbeiter gegen das jüngste Sparpaket der Regierung, das seit November Schritt für Schritt umgesetzt wird. Seit Jahresbeginn haben die unterschiedlichsten Berufsgruppen gestreikt und Proteste organisiert. In der letzten Woche blockierten sogar die Landwirte Autobahnen mit ihren Traktoren, um gegen Steuererhöhungen zu protestieren.
Das Leben der Mehrheit der Bevölkerung Griechenlands ist in den letzten Jahren schlicht unerträglich geworden. Die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile über 26 Prozent, und weit über die Hälfte der Jugendlichen haben keinen Job. Die Löhne sind schon durch die ersten vier Sparpakete um bis zu 60 Prozent gesenkt worden. Jetzt sollen sie noch einmal bis zu 25 Prozent sinken.
Unter diesen Bedingungen spitzen sich die sozialen Konflikte ständig zu. Die Regierung aus konservativer Nea Dimokratia (ND), sozialdemokratischer PASOK und Demokratischer Linken (DIMAR) hat darauf mit der Niederschlagung des Streiks der U-Bahnarbeiter und dem Verbot jedweder Solidaritätsstreiks reagiert. Regierungschef Andonis Samaras (ND) hat ein hartes Vorgehen gegen alle Streiks angekündigt, die spürbare ökonomische Auswirkungen haben.
Die Regierung kann sich in ihrem Vorgehen auf die Gewerkschaften verlassen. Die beiden großen Gewerkschaftsverbände GSEE und ADEDY haben zwar die Angriffe auf die U-Bahnarbeiter verurteilt, aber keinerlei Maßnahmen zu ihrer Verteidigung ergriffen. Sie haben lediglich einen 24-stündigen Generalstreik für Anfang Februar angekündigt, der eng mit der Regierung abgesprochen ist.
Auch am Donnerstag setzten die Gewerkschaften alles daran, die Streiks zu befristen und sorgsam voneinander zu isolieren. Es fand nicht einmal eine gemeinsame Demonstration aller Streikenden statt. Zugleich wurde wie bei den E-Werken peinlich darauf geachtet, dass die Streiks möglichst wenig Auswirkung haben. Auf diese Weise wollen die Gewerkschaften verhindern, dass sich eine breite Mobilisierung gegen das Spardiktat und die Regierung entwickelt.