Leserbrief aus Südafrika
Fremdenfeindlichkeit direktes Ergebnis der Wirtschaftspolitik des ANC
Von einem Leser
6. August 2008
aus dem Englischen (1. August 2008)
Der folgende Leserbrief zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika erreichte uns von einem Leser aus Südafrika
Die fremdenfeindlichen Übergriffe in Teilen Südafrikas haben das Interesse der lokalen und internationalen Medien erregt. Die Medien bringen anschauliche Details von "Mobs", die auf Immigranten losgehen, die plündern, vergewaltigen und töten. Es scheint so, als ob der Hass gegen die Einwanderer jeden völlig überrascht hätte.
Die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) kritisiert, dass die Sicherheitsdienste wohl geschlafen hätten. Von überall her hört man den Ruf, dass wir erst einmal die Ursachen dieses Hasses verstehen müssten, bevor wir etwas dagegen tun könnten. Dieser Leserbrief ist ein Versuch, solch eine Analyse zu geben.
Unsere Brüder und Schwestern der afrikanischen Arbeiterklasse arbeiten schon seit den 1980er Jahren in Südafrika. Niedriglohnarbeiter wurden geholt, um in den Bergwerken zu arbeiten. In den letzten zwanzig Jahren sind Wirtschaftflüchtlinge vor Krieg, Armut und den Folgen von Strukturanpassungsprogrammen aus verschiedenen Teilen Afrikas geflohen und haben Zuflucht in unseren zahlreichen Townships hier in Südafrika gesucht.
Es gab nie offizielle Berichte über fremdenfeindlich motivierte Gewalt. Die ersten dokumentierten Zwischenfälle gab es am westlichen und südlichen Kap. Somalische Händler wurden aus ihren Häusern und Geschäften gejagt. In manchen Fällen wurden sie angegriffen und sogar getötet. Von staatlicher Seite wurde nichts dagegen unternommen, außer Versuchen, die gegnerischen Parteien zur Zusammenarbeit zu bewegen. Für den größten Teil der Gewalt machte der Staat kriminelle Elemente verantwortlich. Der größte Stein des Anstoßes war, dass die somalischen Ladenbesitzer ihre Waren billiger verkauften, und damit den Markt ruinierten.
Das Ausmaß der Angriffe auf Einwanderer in Gauteng hat scheinbar alle völlig überrascht, aber stimmt das auch?
Die Lebensbedingungen der überwiegenden Mehrheit der Arbeiterklasse und des riesigen Heeres der Arbeitslosen in den großen Shantytowns (Elendsquartieren) sind erschütternd. Sie sind in Armut, Schmutz und Krankheiten gefangen. Die Dreierallianz (Afrikanischer Nationalkongress(ANC); Kongress der Süd Afrikanischen Gewerkschaften und die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP)) hat seit den Wahlen von 1994 versprochen, diesen Missständen ein Ende zu bereiten. Doch das Gegenteil ist geschehen.
Der ANC setzte seine eigene Version eines strukturellen Anpassungsprogramms durch, dessen Auswirkungen für die Arbeiterklasse katastrophal waren. Die Kluft zwischen Reich und Arm ist in Südafrika größer, als fast überall sonst in der Welt.
Infolge des Abkommens des ANC mit der National Party (der Regierungspartei des Apartheidsystems), hat der ANC noch nicht einmal seine eigene reformistische Freiheitscharta umgesetzt, die die Verstaatlichung der Schlüsselelemente der Wirtschaft vorsah. Stattdessen reduziert sich alles auf das Angebot von ein bisschen kostenloser Elektrizität und Wassers und eines RDP-Hauses (staatlicher Wohnungsbau), das sogar noch kleiner ist, als die Holz- und Wellblechhütten, in denen die Leute vorher lebten.
Statt ihre reformistische Freiheitscharta umzusetzen, begünstigten sie schwarze Unternehmer. Als Ergebnis wurde eine Handvoll Schwarzer mit Verbindungen zum ANC anstößig reich. Bei jeder staatlichen Ausschreibung ist Bestechung im Spiel. Große Geldbeträge stellen sicher, dass die Aufträge immer wieder an dieselben Leute gehen.
Der Verrat des ANC ist damit nicht zu Ende. Die Korruption in der Regierung hat epidemische Ausmaße angenommen. Milliarden wurden für Waffen für die Armee ausgegeben, Millionen wurden von den Geldern für Schulspeisung am östlichen Kap gestohlen, während Mitglieder des Parlaments Millionen mit falschen Reisespesenabrechnungen ergaunern.
Im Ministerium für Soziale Entwicklung stehlen Beamte Geld, das für die Bedürftigsten vorgesehen war. Im Innenministerium erpressen die Behörden Geld von Bürgern und Einwanderern. Im Wohnungsbauministerium verschachern die Beamten RDP Häuser, die für die Armen gedacht waren. Ungezählte Millionen werden jeden Monat verschoben, da die Ministerien das Geld nicht für die Dienstleistungen ausgeben, für die es gedacht war.
Korruption und Käuflichkeit verfolgen nur ein Ziel: So schnell wie möglich reich zu werden - und zur Hölle mit den Armen.
Was haben unsere politischen Führer während der gewalttätigen Ausbrüche gegen Einwanderer getan? Ronnie Kassrils (Geheimdienstminister) machte eine unbekannte Macht für diese Angriffe verantwortlich. Präsident Thabo Mbeki sagte, dass wir alle Afrikaner seien und miteinander auskommen müssten. Charles Nquakula (Sicherheitsminister) schiebt die Gewalt auf kriminelle Elemente.
Der erschreckende Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel und Treibstoffe, Zinserhöhungen usw. haben der Arbeiterklasse unerträgliche Lasten auferlegt. Ihre sogenannten Führer in der Dreierallianz haben sie für die sprichwörtlichen 30 Silberlinge verkauft.
Konzerne wurden der Verschwörung überführt, um die Preise für Brot und für Medikamente in die Höhe zu treiben. Sie erhielten nicht mehr als eine Geldstrafe. Unmittelbar danach gingen die Preise für Brot wieder nach oben. Man muss nur rechnen können - ein Laib Brot kostet 8 Rand. Für einen Monat summiert sich das auf 240 Rand. Wenn man das Glück hat, eine Rente von 940 Rand zu bekommen, muss man sich dennoch fragen, was zur Hölle man noch auf das Brot streichen soll? Das wahre Verbrechen hier bei uns besteht darin, dass man von uns erwartet, so zu leben. Es ist eine Verletzung unseres Rechts auf eine würdige Existenz! Die Leute sind verärgert, und die Gewaltausbrüche richten sich gegen diejenigen, die fälschlich beschuldigt werden, die wenigen vorhandenen Arbeitsplätze wegzunehmen.
Wenn man sich die albtraumhafte Existenz vor Augen hält, mit der die Leute tagtäglich konfrontiert sind, so war es nur eine Frage der Zeit, bis die Leute zurückschlugen. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, die Schuldigen ausfindig zu machen. Vor 1994 war es einfach, den Feind auszumachen. Der Feind war die Apartheid und ein jeder, der mit dem Apartheidsystem zusammenarbeitete. Doch der wahre Feind von damals war der Kapitalismus, genau so wie heute.
Der Zorn der Arbeiterklasse muss sich gegen die gescheiterte Wirtschaftspolitik des ANC richten, und nicht gegen die Einwanderer, die versuchen, sich ein Leben in Südafrika aufzubauen. Der Direktor von Discovery Health erhielt im letzten Jahr einen Bonus von 35 Millionen Rand. Diese Zahl beinhaltet jedoch weder sein normales Gehalt noch die Vergütungen, die er erhält. Die Chefs der an der Johannisburger Wertpapierbörse (JSE) - der größten Wertpapierbörse Südafrikas - gelisteten Firmen sind weiter nichts als Parasiten, die vom Blut, Schweiß und der Mühsal der Arbeiterklasse leben. Es ist hohe Zeit, dass die Arbeiterklasse gewissenhaft einige Lehren zieht. Wann verbieten wir feindlichen Klassenkräften endlich, in unserem Namen zu sprechen und zu handeln?
Jede Partei, die im Parlament sitzt, verteidigt das kapitalistische System. Es ist an der Zeit, dass die Arbeiterklasse anfängt, nach ihrem eigenen Klasseninteresse zu handeln. Wir müssen uns selbst organisieren. Wir brauchen unsere eigenen unabhängigen politischen Organisationen. Wir müssen mit unserer eigenen Alternative zum Kapitalismus auftreten. Diese Alternative ist der Sozialismus.
AM