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Betriebsräte verwirklichen Kahlschlagpläne von General Motors

Von Dietmar Henning
18. März 2010

Der massive Arbeitsplatzabbau in den europäischen Werken von Opel und Vauxhall nimmt Gestalt an. Dabei spielen die Betriebsräte eine Schlüsselrolle. Sie arbeiten die Einzelheiten von Jobvernichtung, Lohnsenkung und Sozialabbau aus, während sie gleichzeitig die Beschäftigten aller Werke gegeneinander ausspielen. Darüber hinaus arbeiten sie eng mit der jeweiligen Regierung zusammen, um Milliardenbeträge an Steuergeldern für den General-Motors-Konzern locker zu machen.

Bereits Anfang Februar hatte der Opel-Vorstandsvorsitzende Nick Reilly angekündigt, 20 Prozent der Arbeitsplätze abzubauen. Dazu sollen europaweit fast 10.000 Arbeiter ihren Job verlieren. Von den verbleibenden knapp 40.000 Beschäftigten fordert GM Lohnkürzungen von 265 Millionen Euro im Jahr. Zudem verlangt er 2,7 Milliarden Euro an Zuschüssen und Bürgschaften von den europäischen Regierungen mit Opel-Standorten. GM hatte ursprünglich nicht vor, eigenes Geld für den Arbeitsplatzabbau einzusetzen. Inzwischen hat die GM-Spitze aber bekannt gegeben, sie werde 1,9 Milliarden Euro bereitstellen.

Während die Betriebsräte seitdem in jedem Land die Opel-Beschäftigten beschwichtigen und auf Verhandlungen vertrösten, arbeiten sie hinter deren Rücken daran, die Forderungen Reillys durchzusetzen.

Im spanischen Opel-Werk bei Saragossa vereinbarten Gewerkschaft, Geschäftsleitung und die sozialdemokratische spanische Regierung von José Zapatero 900 Arbeitsplätze abzubauen. Die Einigung sehe einen "sozialverträglichen" Abbau vor, sagte die Gewerkschaftsvertreterin Ana Sanchez. Zeitarbeitsverträge werden nicht verlängert, ältere Arbeiter werden gedrängt, "freiwillig" in Rente zu gehen. Reilly bedankte sich ausdrücklich bei der spanischen Regierung, die "die Einigung zwischen Geschäftsleitung und Gewerkschaften ermöglicht" habe.

Die Einigung wird der spanischen Regierung ihrerseits ermöglichen, GM finanziell zu unterstützen. Die Zapatero-Regierung hatte ihre finanzielle Unterstützung für GM davon abhängig gemacht, dass GM und die Gewerkschaft eine solche Einigung erzielen.

Letzten Freitag gab die britische Labour-Regierung bekannt, dass Großbritannien als erstes europäisches Land GM mit einer Bürgschaft von knapp 300 Millionen Euro für den Arbeitsplatzabbau beistehe. "Wir freuen uns sehr über die Unterstützung von [Wirtschaftsminister] Lord Mandelson und der britischen Regierung, die damit ihr Vertrauen unserem Unternehmen gegenüber zum Ausdruck gebracht haben", bedankte sich Reilly. Die britische Gewerkschaft Unite begrüßte ebenfalls die Bürgschaft für GM. Unite stimmt dem Abbau von 369 Arbeitsplätzen im Vauxhall-Werk in Luton zu.

In Deutschland gestalten sich die Verhandlungen ein wenig komplizierter, weil die Betriebsräte auch noch die vier Werke gegeneinander ausspielen. An der Durchsetzung der Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne ändert dies allerdings nichts. In Deutschland arbeiten vor allem die beiden Betriebsräte der Standorte Bochum, Rainer Einenkel, und Rüsselsheim, Klaus Franz, gegeneinander. Während in den beiden anderen deutschen Werken in Kaiserslautern (2.300 Beschäftigte) und in Eisenach (1.800) jeweils 300 Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren sollen, stehen im deutschen Stammwerk in Rüsselsheim 1.639 von rund 16.000 Arbeitsplätzen auf der Kippe. In Bochum ist der Abbau von 1.799 der gegenwärtig rund 5.000 Jobs geplant.

Ein wichtiger Streitpunkt der gegenwärtigen Auseinandersetzungen ist das Werk im belgischen Antwerpen. Reilly hatte die Schließung des traditionsreichen Werks mit seinen rund 2.500 Arbeitern angekündigt. Klaus Franz, der in seiner Eigenschaft als europäischer Gesamtbetriebsratsvorsitzender eng mit dem belgischen Betriebsratsvorsitzenden Rudi Kennes in Antwerpen zusammenarbeitet, widersprach heftig.

Doch die Opposition von Franz und Kennes ist rein taktischer Natur und verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Erstens will der europäische Betriebsrat die formale und zumindest vorübergehende Weiterführung eines Teils der Produktion in Antwerpen als Erfolg feiern und damit seine Zustimmung zu Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkung an allen anderen Standorten rechtfertigen. Und zweitens könnten nur durch eine, zumindest symbolische, Erhaltung des Antwerpener Werks Steuergelder aus Belgien angezapft werden. Die belgische Regierung hatte im Falle eines Erhalts des dortigen Werks 500 Millionen Euro versprochen.

Das Geld aus Belgien erscheint umso wichtiger, da nicht sicher ist, ob sich die deutsche Bundesregierung an den Unterstützungsgeldern für GM beteiligt. Immerhin hat sich die FDP, die nun als Regierungspartei den Wirtschaftsminister stellt, immer gegen Finanzhilfen für Opel ausgesprochen und eine Insolvenz als "sauberste Lösung" bezeichnet. Vor wenigen Tagen erklärte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, im GM-Antrag auf Staatshilfen für Opel seien zahlreiche Fragen offen.

Franz Kennes und andere Vertreter des europäischen Betriebsrats hatten GM daher ein Konzept vorgelegt, wie ein Restbetrieb im Antwerpener Werk aufrecht zu erhalten sei. Danach sollen bis auf 1.000 Arbeiter alle Beschäftigten ihren Job verlieren. Das Werk soll an einen Investor verkauft werden, GM könnte eine Minderheit von 20 Prozent halten. Das belgische Werk soll Astra-Modelle produzieren und sich zusätzlich um Fremdaufträge bemühen.

Ob dieser Plan letztendlich angenommen wird, ist mehr als fraglich. Ein Konzern-Sprecher erklärte lediglich, das Konzept werde geprüft. Kennes zufolge verlangt GM, dass bis Juni ein Investor gefunden wird. Diese Zeit sei aber viel zu kurz.

Geht es nach Franz und Kennes, wird die in ihrem Konzept für Antwerpen vorgesehene Astra-Produktion aus Bochum abgezogen. Einenkel erklärte daraufhin am Montag auf einer Betriebsversammlung, er werde "nicht zulassen, dass Antwerpen gerettet wird und der eigene Standort auf der Strecke bleibt". In einer Mitteilung an die Bochumer Belegschaft vom 5. März schrieb er, "eine Streichung der bereits zugesagten Produktion gefährdet weitere 1.000 Arbeitsplätze in Bochum. Das wäre der schleichende Tod für das Bochumer Werk".

Zeit Online kommentiert: "Sein Werk in Todesgefahr reden und dann das Überleben nachher zum Erfolg erklären: Es ist eine Strategie, die Einenkel immer wieder nutzt." In der Tat sind in der Amtszeit Einenkels in den letzten fünf Jahren mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze in Bochum abgebaut worden. Anfang 2005, nach einem Streik der Bochumer Opel-Beschäftigten gegen den Willen des Betriebsrats, unterzeichnete Einenkel den so genannten "europäischen Zukunftsvertrag". Seither sind von den damals 10.000 Arbeitsplätzen nicht einmal 5.000 übrig geblieben. Die Löhne sind schrittweise gekürzt worden. Nun sollen mindestens weitere 1.800 Jobs wegfallen und die Löhne weiter sinken. Der "schleichende Tod für das Bochumer Werk" ist schon seit langem in vollem Gange.

In einer kürzlich verfassten Erklärung zur Betriebsratswahl behauptet Einenkel: "Die angedrohte Schließung von Bochum konnten wir verhindern. Ohne unsere Zukunftsverträge wären wir der erste Schließungskandidat gewesen." Einenkel weiß genau, dass die Antwerpener Betriebsräte den gleichen Vertrag unterschrieben hatten.

Die systematische Spaltung der Beschäftigten und nationalistische Hetze der Betriebsräte wird immer schärfer. In seiner Botschaft an die Belegschaft Anfang März wandte sich Einenkel ausdrücklich gegen "Vertreter der belgischen Regierung", die "weiterhin den Unsinn" verbreiteten, "Antwerpen sei wirtschaftlicher als Bochum. Genau das Gegenteil ist der Fall."

Zusätzlich warf Einenkel in Zeitungsinterviews ein, die Astra-Produktion für Antwerpen könne auch aus Rüsselsheim kommen, wo Franz dem Betriebsrat vorsteht. Dort soll neben dem Insignia ab 2011 auch der Astra-Fünftürer vom Band laufen. Das Modell gilt als Ersatz für Fahrzeuge der GM-Tochter Saab, die durch deren Verkauf für das Werk in Rüsselsheim wegfallen.

Während Franz, Einenkel und die anderen Betriebsräte die Arbeiter an den einzelnen Standorten gegeneinander ausspielen, arbeiten sie auf Engste mit ihren jeweiligen Regierungen zusammen. Klaus Franz, der sich Anfang der siebziger Jahre der Gruppe "Revolutionärer Kampf" um den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer angeschlossen hatte, steht in enger Verbindung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das ehemalige Mitglied der stalinistischen DKP Rainer Einenkel sucht derweil den Schulterschluss mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU).

Dieser Standortnationalismus richtet sich direkt gegen die Beschäftigten und soll jede gemeinsame Initiative zum Erhalt aller Arbeitsplätze und Löhne unmöglich machen.

Der Kampf gegen die global operierenden Konzerne erfordert eine internationale sozialistische Strategie. Um den Einfluss der Betriebsräte, der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer nationalistischen Politik zu brechen, ist es notwendig unabhängige Fabrikkomitees aufzubauen. Sie müssen Kontakt zu allen europäischen GM-Werken, zur GM-Belegschaft in den USA und zu Arbeitern in anderen Autowerken und Industrien aufbauen. Die enge Kooperation der GM-Beschäftigten muss zum Ausgangspunkt und Bestandteil einer breiten Bewegung der Arbeiterklasse für eine Arbeiterregierung gemacht werden.

Siehe auch:
IGM-Chef Huber feiert Geburtstag im Kanzleramt
(12. März 2010)
Opel: Gewerkschaften und Betriebsräte bieten Mitarbeit beim Arbeitsplatzabbau an
( 27. Februar 2010)