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Sozialistischer Internationalismus und die Verteidigung von Einwanderern

Von Bill Van Auken
5. Mai 2010
aus dem Englischen (4. Mai 2010)

Im letzten Monat wurde in Arizona ein Gesetz verabschiedet, dass Einwanderer der Verfolgung durch die Polizei ausliefert. Dieses Gesetz hat in den Medien und im politischen Establishment die Debatte über den Status von über zwölf Millionen in den Vereinigten Staaten lebenden Einwanderern ohne Papiere wieder aufleben lassen.

Diese Debatte dient dem bewussten Versuch, die Einwanderer, einen besonders unterdrückten Teil der Arbeiterklasse, zu Sündenböcken für den Anstieg der Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne und schlechtere Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung in den gesamten Vereinigten Staaten zu machen.

Die Obama-Regierung und führende Kongress-Demokraten haben sich zwar öffentlich von dem Gesetz in Arizona distanziert, aber sie nutzen es, um ihre eigene Einwanderungspolitik noch weiter nach rechts zu verschieben. Sie fordern eine noch stärkere Militarisierung der amerikanisch-mexikanischen Grenze und die stärkere Verfolgung von Arbeitern in den USA, die keine offiziellen Papiere haben. Sie sollen gezwungen werden, sich zu kriminellem Verhalten zu bekennen und hohe Geldstrafen zahlen, bevor sie sich dann in die Schlange derer hintan stellen dürfen, die einen legalen Aufenthalt beantragen.

Zusätzlich fordern die Demokraten die Einführung eines biometrischen Ausweises, ohne den es nicht mehr möglich sein soll, eine Arbeit aufzunehmen. Das würde der Regierung eine mächtige, eines Polizeistaats würdige Waffe für die Überwachung der gesamten Arbeiterklasse in die Hand geben, ob einheimische oder eingewanderte.

Diese reaktionäre Wende beider Parteien hat zu großer Empörung geführt. Hunderttausende strömten am 1. Mai im ganzen Land auf die Straßen und forderten ein Ende der Unterdrückung von Einwanderern und volle und gleiche Rechte für alle.

Einwandererfeindlicher Chauvinismus ist eine politische Waffe in den Händen der herrschenden Elite und rechter Demagogen, die ihre Interessen vertreten, nicht nur in den USA, sondern in vielen Teilen der Welt. Die französische Regierung will die Bevölkerung mit einem totalen Verbot des Ganzkörperschleiers, der Burka, in der gesamten Öffentlichkeit gegen muslimische Einwanderer aufhetzen. Belgien hat ein solches Verbot schon beschlossen. In Großbritannien haben die Gewerkschaften Streiks gegen den Einsatz ausländischer Arbeiter geführt. In Italien hat es einwandererfeindliche Unruhen gegeben und in Ungarn wurden Pogrome gegen die Minderheit der Roma angestachelt.

Eine besonders hinterhältige einwandererfeindliche Agitation ist der Versuch, die Verfolgung von Einwanderern und die Verschärfung von Grenzkontrollen mit der Verteidigung der einheimischen Arbeiter gegen Billiglohnkonkurrenz zu begründen.

In den vergangenen Wochen hat die World Socialist Web Site mehrere Emails erhalten, die auf unsere Artikel zu dem Gesetz in Arizona und zu den Demonstrationen vom 1. Mai eingingen. Sie spiegelten genau diese Position wider.

"Ihr seid nicht für die amerikanische Arbeiterklasse", schreibt ein Leser. "Die Wirtschaft schrumpft rapide - bricht vielleicht sogar zusammen -, am Horizont drohen verschiedene Rohstoffkrisen. Es muss etwas getan werden, um dem übermäßigen Bevölkerungswachstum und der Sklavenarbeit entgegenzuwirken."

"Der enorme Zufluss illegaler Einwanderer wird alle Errungenschaften zerstören, die die amerikanische Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert gewonnen hat", kommentiert ein anderer Leser.

Ein dritter schreibt: "Ich sympathisiere durchaus mit dem Schicksal der verarmten Menschen in Lateinamerika, aber kein Land der Welt kann einfach seine Tore für eine unkontrollierte Flut von Ausländern öffnen. Zurückhaltende Schätzungen gehen von elf Millionen ’Illegalen’ aus. Die USA setzen ihre Gesetze nicht durch, weil große Firmen und Industrien illegalen Ausländern Niedriglöhne zahlen können, die oft unter dem Mindestlohn liegen und keine Versicherungen oder sonstige Sozialleistungen bezahlen. Und damit kommen sie durch."

Abgesehen von dem unterschiedlichen Grad an Sympathie für das Schicksal der Einwanderer ohne Papiere ist all diesen Äußerungen die Vorstellung gemeinsam, dass die Lage der Arbeiterklasse in den USA verteidigt werden könnte, hätte der Staat nur mehr Macht und stärkere Grenzbefestigungen. Demnach wäre die Verteidigung der nationalen Tarifstandards leichter, wenn die Zahl der Einwanderer kleiner wäre. Dazu kommt die zweifellos zutreffende Feststellung, dass die amerikanische Wirtschaft in der Einwanderungsfrage zumindest tief gespalten ist, weil sie die Einwanderer als billige Arbeitskräfte ausbeuten kann.

Einwanderungsfeindliche Agitation hat in den USA eine lange und hässliche Tradition. Im 19. Jahrhundert gab es Kampagnen gegen irische und deutsche Arbeiter, und im 20. Jahrhundert gegen italienische, osteuropäische und chinesische. Jedes Mal zielten die Kampagnen darauf ab, die Arbeiterklasse zu spalten, ihre militantesten Schichten, zu denen die Einwanderer oft gehörten, zu unterdrücken und soziale Kämpfe unter Kontrolle zu halten.

Die nationalistische Sichtweise, die in den Briefen an die WSWS zum Ausdruck kommt, und der Appell an die amerikanische Regierung, die Lage der amerikanischen Arbeiter gegen eine angeblich "ausländische" Bedrohung zu verteidigen, entspricht stark der "Amerika zuerst"-Politik der amerikanischen Gewerkschaftsbürokratie und ihrer diversen kleinbürgerlichen Anhängsel.

Diese Argumente gehen von der Vorstellung aus, dass nichts gegen den Mangel getan werden könne, der durch die Monopolisierung des weltweiten Reichtums durch eine winzige Finanzelite entstanden ist. Das daraus entstehende Elend, so scheint man zu glauben, könnte durch die Vertreibung eingewanderter Arbeiter gelindert werden.

Die chauvinistische Politik des AFL-CIO erweist sich als Instrument, um die Zerstörung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Gewerkschaftsbürokraten geben vor, "amerikanische Arbeitsplätze" zu verteidigen, indem sie Lohnsenkungen, Arbeitsplatzvernichtung und Zugeständnisse der Arbeiter durchsetzen. So sollen die Arbeitskosten in den USA mit denen in China, Osteuropa, Mexiko und allen Teilen der Welt konkurrieren, in die amerikanische transnationale Konzerne ihre Produktion verlagert haben.

Die Vorstellung, dass der Zustrom billiger, eingewanderter Arbeitskräfte für den Niedergang der Stellung der amerikanischen Arbeiterklasse verantwortlich sei, erweist sich als unzutreffend. Schon die tatsächliche Geschichte dieses Prozesses spricht dagegen. Die beispiellose globale Integration des Kapitalismus ermöglichte eine Rationalisierung der Produktion und das Absenken der Löhne und der Arbeitsbedingungen in den USA und in aller Welt. Die Zunahme der Einwanderung zum Ende des letzten Jahrhunderts war das Ergebnis, und nicht die Ursache, dieses Prozesses, der besonders in den unterdrückten Ländern harsche Folgen hatte. Ein wichtiger Faktor war die Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft in Mexiko im Rahmen dieses Prozesses.

Nicht Einwanderer, die ihr Leben riskieren, wenn sie die immer gefährlichere und militarisierte Grenze überqueren, zerstören Arbeitsplätze und -bedingungen in den USA. Es ist das kapitalistische System, das sie zerstört. Im Kapitalismus ist die Weltwirtschaft den Profitinteressen der Wirtschafts- und Finanzelite untergeordnet. Das Kapital braucht keinen Pass, um in Null Komma Nichts auf der Suche nach billigen Arbeitsplätzen von einem Land ins andere zu wandern.

Nur wenn sie sich mit der Arbeiterklasse international verbünden, können die Arbeiter in den USA, oder in jedem anderen Land erfolgreich gegen die global mobilen internationalen Konzerne kämpfen und ihre eigene, unabhängige Lösung der Weltwirtschaftskrise fördern: Die Neuorganisierung der globalen Wirtschaft im Interesse der gesellschaftlichen Bedürfnisse und nicht des privaten Profits. Am Anfang dieser Einheit muss die Zurückweisung aller Spaltungsversuche zwischen einheimischen und eingewanderten Arbeitern stehen, unabhängig von ihrem legalen Status. Das Recht aller Arbeiter muss verteidigt werden, in dem Land ihrer Wahl mit gleichen Rechten zu leben und zu arbeiten

Starke nationale Grenzen, Wirtschaftsprotektionismus und strengere Einwanderungsgesetze zur Schaffung einer "Festung Amerika" werden nur zu noch stärkeren Angriffen auf die Arbeiterklasse im eigenen Land führen; gleichzeitig beschwören sie die Gefahr neuer imperialistischer Kriege herauf.

Arbeiter in den USA und in jedem Land können eine solche Katastrophe nur verhindern, wenn sie gemeinsam für die revolutionäre, sozialistische Neuorganisation der Weltwirtschaft kämpfen. Das erfordert den Aufbau der Weltpartei der Sozialistischen Revolution, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

Siehe auch:
Demonstration Zehntausender gegen Einwanderer-Razzien in den USA
(13. Mai 2008)