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Obama umschmeichelt die Republikanische Rechte

Von Patrick Martin
3. Februar 2010
aus dem Englischen (1. Februar 2010)

Der 90-minütige im Fernsehen übertragene Besuch Barack Obamas am Freitag bei der Fraktion der Republikaner im Repräsentantenhaus hat außergewöhnlich deutlich die breite rechte Front in der bürgerlichen Politik Amerikas gezeigt.

Er belegt, dass die Regierung entschlossen ist, noch weiter nach rechts zu gehen, nachdem die Republikaner bei der Nachwahl zum Senat in Massachusetts gesiegt haben und die Anzeichen von Opposition in der Bevölkerung gegen Obamas rechte Politik zunehmen.

Die anschließenden Kommentare, vor allem aus der liberalen und regierungsfreundlichen Ecke, stellten das Zusammentreffen als einen mutigen Parforceritt Obamas dar, nach der Art eines "Daniel in der Löwengrube". Vor allem auffällig aber war die Übereinstimmung zwischen Obama und den Republikanern in weiten Bereichen, sowohl was konkrete politische Fragen angeht, wie auch in der allgemeinen Perspektive.

Obama strich seinem Publikum aus republikanischen Kongressabgeordneten Honig ums Maul und erinnerte sie daran, dass sie seine Ausweitung des Kriegs in Afghanistan politisch unterstützt hatten, und fügte in typisch patriotischer Manier hinzu: "Ich weiß, dass wir alle gemeinsam große Bewunderung für unsere Truppen hegen."

In seinem Eröffnungsstatement hob er die Ankündigung von Steuergutschriften für die "Schaffung von Arbeitsplätzen" in kleinen Unternehmen hervor. "Helft mir dabei", appellierte er an die Republikaner, "dieser Vorschlag steht nicht im Widerspruch zur ideologischen Grundhaltung dieser Fraktion."

Seine Äußerungen gaben keinen Hinweis darauf, dass sein Publikum einer Partei angehört, die die Vorgängerregierung gestellt hat und bei mehreren Wahlen von den amerikanischen Wählern abgestraft wurde. Auch ließ er sich nicht anmerken, dass die Politik und die Repräsentanten der Republikanischen Partei derart unpopulär sind und bei Umfragen regelmäßig unter 25 Prozent liegen. Man wäre nicht auf die Idee gekommen, dass die Demokraten nicht nur den Hausherrn im Weißen Haus stellen, sondern auch komfortable Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat haben.

Wie schon mehrfach seit seiner Amtsübernahme vor gut einem Jahr versuchte Obama die Republikaner politisch zu rehabilitieren und einen Weg zu finden, ihre Unterstützung für seine Kriegspolitik, seine Kürzungspolitik und seine Angriffe auf demokratische Rechte zu erhalten. Er selbst und auch seine Gegner wussten genau, dass die bröckelnde Unterstützung für die Regierung ihre Ursache nicht in seiner liberalen Reformpolitik hat, die es gar nicht gibt, und auch nicht darin, dass die Bevölkerung eine stärkere Rolle des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft ablehnt, sondern in der Enttäuschung und dem Zorn über Obamas gebrochene Wahlkampfversprechen, mit denen er sich bei der Präsidentschaftswahl den Wunsch nach progressiver Veränderung in der Bevölkerung nutzbar gemacht hatte.

Die Republikaner machten auf dem Treffen und in den Interviewsendungen am Sonntag klar, dass sie kein Interesse haben, von ihrer Linie abzuweichen, die innenpolitischen Initiativen der Regierung zu torpedieren. Sie hoffen die Enttäuschung über Obama für sich nutzen und bei den Kongresswahlen im November größere Stimmengewinne erzielen zu können.

Obamas stärkster Rüffel war, dass die Republikanische Fraktion seine Gesetze einstimmig abgelehnt habe, obwohl sie mit wesentlichen Teilen seiner Initiativen zur Ankurbelung der Wirtschaft und seinen Reformplänen für das Gesundheitswesen einverstanden seien. "Wenn einstimmig abgelehnt wird, weil die Republikanische Fraktion nicht 100 Prozent oder 80 Prozent von dem bekommt, was sie will, dann ist es sehr schwer, einen Handel zu machen", klagte er.

Obama beantwortete acht Fragen führender Republikanischer Abgeordneter. Die meisten forderten Steuersenkungen und Kürzungen der Bundesausgaben. Kein einziger Republikaner schlug irgendeine Maßnahem vor, die Arbeitslosen zu unterstützen - durch Arbeitslosengeld, Weiterbildungsprogramme, die Schaffung von Arbeitsplätzen - und Obama vermied es, diese Tatsache zu brandmarken.

Stattdessen versprach der Demokratische Präsident, die Vorschläge der Republikaner ernsthaft zu prüfen, und wies auf seine Unterstützung für einen Ausbau der Atomenergie und für die so genannte saubere Kohletechnologie hin. Das sei doch ein Feld der Übereinstimmung mit den energiepolitischen Vorstellungen der Republikaner.

Der entlarvendste Wortwechsel fand mit der Abgeordneten Marsha Blackburn aus Tennessee über Obamas Gesundheitspläne statt. Obama sagte, dass seine Pläne eine generelle Kostensenkung mit einer moderaten Ausweitung der Krankenversicherung auf bisher Unversicherte verbänden. Sie ähnelten sehr den gemeinsamen Vorschlägen der ehemaligen Senatsführer der Republikaner Howard Baker und Robert Dole und des ehemaligen Senatsführers der Demokraten Tom Daschle vom vergangenen Jahr.

"Das ist doch keine Bande von Radikalen", sagte er. "Aber wenn man sich Ihre Debatte anhört, und wie einige von Ihnen gegen diesen Gesetzentwurf hetzen, dann könnte man denken, das Ding sei eine bolschewistische Verschwörung." Er betonte den konservativen Charakter der Gesundheitsreform und sagte: "Die meisten objektiven Beobachter werden sagen, wenn sie sich diesen Entwurf genau anschauen, dass er eigentlich dem ähnelt, was viele Republikaner vorgeschlagen haben, als Bill Clinton versuchte, die Krankenversicherung zu reformieren."

Gegen Ende des Treffens erklärte Obama: "Wir müssen aufpassen, was wir manchmal übereinander sagen, weil uns das in einer Weise in unseren Gräben einmauert, dass es schwierig wird, da wieder rauszukommen und zusammenzuarbeiten, weil unsere Basis zu glauben beginnt, was wir sagen. Manchmal verstehen sie nicht mehr, dass das nur politische Manöver sind, die ihr da treibt und das tun meine Leute auch manchmal."

Die Offenheit dieses politischen Zynismus ist wahrhaft atemberaubend. Obama gibt praktisch zu, dass der scheinbare Konflikt zwischen der Demokratischen Partei und der Republikanischen Partei, d.h. eigentlich die gesamte offizielle Politik in Amerika, nichts als Show ist, ein Betrugsmanöver zulasten der großen Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung.

Er wollte seine Republikanischen Gegenüber darauf hinweisen, dass sie ihre Anti-Regierungs-Propaganda in einer Weise überzögen, die politisch gefährlich werden könnte. Sie gingen über die zwischen den beiden großen Parteien der Wirtschaft "politisch üblichen" Schlammschlachten in einer Weise hinaus, die das gesamte politische System in Misskredit zu bringen drohe und den üblichen Kuhhandel im Kongress unmöglich mache.

Auf die Schlussfrage des ultrarechten texanischen Abgeordneten Jeb Hensarling über das steigende Bundesdefizit antwortete Obama, die Republikaner sollten sich nicht als Verteidiger der Rentner gegen Kürzungen bei ihrer Krankenversorgung (Medicare) oder Kürzungen der Renten aufwerfen, weil das eine parteiübergreifende Reform der "Sozialprogramme" unmöglich mache.

Obamas Hauptanliegen ist nicht die Gesundheitsreform an sich, sondern das übergreifende Projekt, zu dem sie gehört, d.h. die Ausblutung der von der Bundesregierung finanzierten Sozialprogramme Medicare, Medicaid und Renten, um die ungeheuren Haushaltsdefizite zu finanzieren, die durch die Finanzkrise, die Steuersenkungen für die Reichen, die Bankenrettung und zwei imperialistische Kriege aufgehäuft worden sind.

Siehe auch:
Die tatsächliche Lage der Nation 2010
(2. Februar 2010)