Griechenland:
24-Stunden-Streik im öffentlichen Dienst gegen das Sparprogramm der EU
Von unseren Korrespondenten
11. Februar 2010
Beim Streik im öffentlichen Dienst in Griechenland blieben Schulen, Universitäten, Ämter und selbst der Flughafen von Athen für 24 Stunden geschlossen. Krankenhäuser unterhielten einen Notdienst, und Busse verkehrten nur sporadisch. Gleichzeitig halten die Bauern ihre Blockade der Verkehrsstraße Athen-Saloniki weiterhin aufrecht.
Die Proteste richten sich gegen das Sparprogramm der Papandreou-Regierung, das ein Diktat der EU und der internationalen Banken umsetzen soll. Diese verlangen von Griechenland, sein Haushaltsdefizit in nur zwei Jahren von 12,7 Prozent auf unter drei Prozent abzusenken.
Gestern Morgen sind neue Steuererhöhungen und soziale Kürzungen bekanntgeworden. Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden künftig durchschnittlich zwei Jahre länger arbeiten müssen, und der Benzinpreis steigt nochmals um zehn Prozent, auf etwa 1,50 Euro.
Sowohl in Athen als auch in Thessaloniki fanden große Demonstrationen statt. In Athen hatte ADEDY, die PASOK-nahe Gewerkschaft der Staatsbediensteten, zur zentralen Demonstration aufgerufen. PAME, die der stalinistischen Kommunistischen Partei (KKE) zugerechnet wird, rief zu einer eigenen Protestaktion auf. An beiden Demonstrationen zusammen beteiligten sich etwa 20.000 Lehrer, Krankenhausarbeiter, Feuerwehrleute, Müllmänner, Techniker, Archäologen, Schüler und Studenten.
Auf den Transparenten stand: "Stoppt die kapitalistischen Parasiten - der Reichtum für die Arbeiter"; "Die Antwort der Arbeiter lautet: Krieg gegen die Kapitalisten"; "Nein zur Sklavenarbeit" und "Lasst die Plutokratie für die Krise bezahlen".
Die Stimmung war kämpferisch, und das Misstrauen gegen die offiziellen Gewerkschaften war mit Händen zu greifen. So stand auf dem Transparent der "Initiative der Beschäftigten im Finanzministerium": "Wir Arbeiter werden die Pläne von Regierung und EU und die Kungelei von Gewerkschaften und Medien stoppen".
Alexis, der zu dieser Gruppe gehörte, sagte: "Die Gewerkschaftsführung hat die Interessen der Arbeiter ausverkauft. Arbeiter müssen sich von Grund auf neu organisieren."
Zwei Lehrerinnen, Veni und Maya, brachten ebenfalls Zweifel zum Ausdruck, ob die Gewerkschaften ihre Interessen richtig vertreten würden. Veni sagte: "Ihre Aktion erschöpft sich hauptsächlich in jeweils 24-stündigen Streiks. Unter uns Kollegen heißen die nur ihre Routinestreiks. Wir sind eigentlich vollkommen gegen so etwas."
Weiter erklärte Veni, dass besonders die staatlichen Schulen im Zentrum von Athen unter Geldmangel zu leiden hätten. "Wir Lehrer zählen zwar noch nicht zu der Bevölkerungsgruppe, die mit 700 Euro auskommen muss. Aber wir müssen auch schon knapsen. Die Politiker versuchen, ihre Krise auf unserm Rücken zu lösen, dabei müssen wir uns jetzt schon mit Rechnungen und Schulden herumschlagen."
Panayiotis ist Maschinist bei einem großen Bauunternehmen in Athen. Er sagte: "Die Situation ist für griechische Arbeiter sehr schwierig. Die Lebenskosten steigen ständig, und die Löhne werden gekürzt. Seit über drei Jahren haben wir schon keine Lohnerhöhung mehr erhalten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, besonders in der Bauindustrie. Alle Bauunternehmen haben in letzter Zeit Arbeiter entlassen, auch die, bei der ich arbeite. Die neuen Sparmaßnahmen richten sich nur gegen Arbeiter, sie nützen dem Kapital. Jetzt will die Regierung noch das Rentenalter heraufsetzen und die Renten kürzen. Von der Papandreou-Regierung haben wir eigentlich was anderes erwartet."
Yiannis sagte: "Ich bin frustriert und fühle mich betrogen und beraubt. Ich habs immer wieder erlebt, dass all die schönen Wahlversprechen nach dem Wahltag gebrochen wurden. Heute gehen sie auf die übelste Weise gegen uns vor. Ich arbeite für eine Gesellschaft mit staatlicher Beteiligung. Ich muss immer an die Arbeiter denken, die heute nicht hier sind, wegen des Drucks am Arbeitsplatz, oder weil sie das Geld brauchen. Unsere Einkommen sind im Vergleich am untern Ende von ganz Europa, und im Supermarkt bezahlen wir höhere Preise als überall sonst."
Besonders hart sind die Arbeitslosen betroffen. Nikos aus Korfu ist seit vergangenen November ohne Arbeit. Er hat ein Kind und erhält 540 Euro Arbeitslosengeld im Monat; dabei soll er allein für die Wohnung 515 Euro bezahlen. Er kommt nur über die Runden, weil seine Familie zusätzlich die Rente der Großmutter hat. "Alle Arbeiter in Europa müssen zusammen gegen die Kürzungen der EU kämpfen", sagt Nikos.
Im scharfen Gegensatz zu diesem spontanen Wunsch der Arbeiter, sich international zusammenzuschließen steht die nationale Sichtweise von Organisationen wie SYRIZA, der Koalition der Radikalen Linken in Griechenland, die behauptet, sie sei gegen die Kürzungsmaßnahmen.
Wir sprachen mit Costas Isychos, dem Delegierten für internationale Arbeitsbeziehungen von Synaspismos, der größten Gruppe innerhalb der SYRIZA-Koalition. Er legte in seiner Haltung gegenüber den Arbeitern in andern europäischen Ländern eine völlig nationalistische Anschauung an den Tag. Es ging um den Verrat von Rifondazione in Italien, einer Partei, die auf ähnliche Weise wie SYRIZA unterschiedliche Tendenzen in sich vereinigt, und die als Teil der Prodi-Regierung zu den Angriffen auf Arbeiterrenten beitrug. Damit konfrontiert erklärte er. "Wir maßen uns kein Urteil über die Realitäten in anderen Ländern an. Wir sprechen hier über Griechenland. Das Experiment von SYRIZA ist in der Welt einmalig."