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Obamas "Scheinreform" des Finanzsystems

Von Barry Grey
28. April 2010
aus dem Englischen (27. April 2010)

In Kürze soll die Debatte im Senat über die neue Bankenregulierung der Obama-Regierung beginnen. Das Repräsentantenhaus hat seine Version des Bankengesetzes im Dezember verabschiedet.

Keines der beiden Gesetze beschränkt die Macht der Banken oder begrenzt ihre parasitären und gesellschaftlich schädlichen Aktivitäten. Was die Medien die "am weitesten gehende" Finanzreform seit der Großen Depression nennen, billigt in Wirklichkeit die Monopolisierung des Finanzsystems durch eine Handvoll Giganten der Wall Street. Der Gesetzentwurf legt keine Obergrenzen für die Entlohnung von Vorständen fest und ermöglicht den Banken und Hedge Fonds nach wie vor, mit exotischen und weitestgehend unregulierten Finanzprodukten zu handeln, wie z.B. Collateralized Debt Obligations (CDO’s) oder Credit Default Swaps (CDS).

Die so genannte "Bankenreform" ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Sie ist der Versuch, das tiefe Misstrauen in der Bevölkerung zu beruhigen und der Regierung einen politischen Deckmantel zu verschaffen, damit sie weiterhin die Interessen der Wall Street vertreten kann.

Die Gesetzentwürfe wurden in engster Zusammenarbeit mit Bankern und Bank-Lobbyisten ausgearbeitet. Über diese Zusammenarbeit wurde in der Presse breit berichtet, und sie wird als völlig normal und akzeptabel hingestellt. Im Leitartikel des Wall Street Journals wurde auf der ersten Seite die intensive Lobby-Arbeit des Milliarden-Investors Warren Buffet in allen Einzelheiten beschrieben, der die Bestimmungen im Senatsentwurf zu den Derivaten ändern wollte.

Buffet unterstützt Obama. Er wollte erreichen, dass schon existierende Derivate von den Deckungsvorschriften im Text des Gesetzentwurfs ausgenommen werden. Eine solche Veränderung würde ihm angesichts seines 63 Milliarden Dollar schweren Portfolios Unsummen einsparen. Beide Senatoren aus seinem Heimatstaat Nebraska, ein Demokrat und ein Republikaner, setzen sich für seine Sache ein.

Das ist nur ein Beispiel für das Netz von Korruption und Bestechung, das sich von der Wall Street bis zum Weißen Haus und zum Capitol erstreckt. Die Banken haben bisher 455 Millionen Dollar ausgegeben, um in der Frage der Bankenregulierung Einfluss auf den Kongress zu nehmen. Außerdem haben sie für die Wahl 2010 schon 34 Millionen Dollar als Wahlkampffinanzierung investiert, vor allem bei den Demokraten.

Zu den korrupten Kreisen gehören auch die Rating Agenturen wie Moodys und Standard & Poors, die toxischen Subprime-Hypotheken Triple A Ratings verliehen und dafür Gebühren von den Banken einstrichen, die sie bewerteten. Zu diesen Kreisen gehören außerdem Aufsichtsbeamte der Regierung, die nahtlos aus ihren Aufsichtsbehörden auf hochdotierte Posten bei den Banken wechseln, die sie angeblich überwachen, und umgekehrt.

Die Kolosse der Wall Street scheffeln ihre enormen Profite mithilfe von Betrug und Schwindel. In den vergangenen Wochen ist systematischer Betrug in der Buchhaltung von Lehman Brothers bekannt geworden, und die Börsen- und Finanzaufsicht (SEC) hat Goldman Sachs angeklagt, vor dem Subprime Hypothekenkollaps ihre eigenen Kunden betrogen zu haben. Das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Obamas so genannte Reform wird nichts dazu beitragen, die Kriminellen an der Spitze der Banken und Hedge Fonds zur Verantwortung zu ziehen, oder den Griff der Finanzgiganten über die Wirtschaft zu brechen. Stattdessen wird sie einen Mechanismus für Rettungsaktionen der Regierung für große Finanzkonzerne einrichten, der den Interessen der Bankmanager, Aktienbesitzer und Gläubiger dient - letztlich auf Kosten der Öffentlichkeit.

Das ungesetzliche und verantwortungslose Handeln der Wall Street Chefs hat für Dutzende Millionen Menschen in den USA und in aller Welt verheerende Konsequenzen. Die Zerstörungen, die nach dem Finanz-Tsunami von 2008 zurückblieben, schlagen sich in Millionen verlorenen Arbeitsplätzen nieder, in Zwangsversteigerungen, der Abschaltung der Strom- und Gasversorgung, wachsendem Hunger, Krankheit und Armut.

Mithilfe von Billionen Dollar schweren Bailouts durch die Steuerzahler verdienen die Banken heute mehr Geld denn je, während gleichzeitig Schulen und Büchereien, Museen und Opernhäuser geschlossen werden. Angeblich ist für Arbeitsplätze und Sozialleistungen "kein Geld da".

In Wirklichkeit ist jede Menge Geld da. Es ist aber in den Händen einer Finanzaristokratie konzentriert. Die ungeheure Konzentration von Reichtum in den Händen dieser wenigen Personen ist nicht nur moralisch abstoßend, sie ist eine Bedrohung für die Gesellschaft. Sie ist das Ergebnis der Plünderung des gesellschaftlichen Reichtums, um die Gier von Kriminellen zu stillen. Das geht direkt auf Kosten der Produktivkräfte.

Im Zeitalter des Aufstiegs des amerikanischen Kapitalismus als industrieller Macht wurden die enormen Reichtümer der Wirtschaftsbosse zwar auch durch die rücksichtslose Ausbeutung der Arbeiterklasse erzielt, aber sie waren das Ergebnis der Ausdehnung der Industrie und der Herstellung nützlicher Produkte. Das ist bei der heutigen Finanzelite anders. Ihre Reichtümer sind das Ergebnis von Finanzmanipulationen und direkten Betrugs und hängen mit der Zerstörung der gesellschaftlichen Infrastruktur und der Industrie zusammen.

Die Socialist Equality Party tritt für eine Politik ein, die von den Bedürfnissen der Menschen und der Gesellschaft als Ganzer ausgeht, und nicht von den privaten Gewinnen von Bankern und Großinvestoren.

Wir fordern:

* Bankiers und Spekulanten, deren illegales Handeln zur tiefsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression beigetragen hat, müssen vor Gericht gestellt werden. Sie müssen strafrechtlich belangt und entsprechend verurteilt werden, um eine Wiederholung solcher Praktiken zu verhindern.

* Die Enteignung des Reichtums der Top Banker, Hedge Fond Manager, Händler und Spekulanten. Das würde sofort mehrere Billionen Dollar freisetzen, mit denen staatliche Arbeitsprogramme finanziert werden könnten, um Arbeitsplätze zu schaffen und die gesellschaftliche Infrastruktur zu modernisieren, darunter Schulen, Wohnungen, Krankenhäuser, Büchereien, Kultureinrichtungen und das Energiesystem. Das Geld könnte auch dazu verwendet werden, um den Opfern der Wirtschaftskrise zu helfen: Menschen, die entlassen werden, könnte der volle Lohn weiterbezahlt werden; es gäbe keine Zwangsversteigerungen und Sperrung von Strom, Gas und Wasser mehr, und die Krankenversicherung könnte ausgebaut werden.

* Enteignung der Banken und großen Finanzkonzerne und ihre Umwandlung in Staatliche Einrichtungen unter der demokratischen Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung. Das ist eine Voraussetzung für die rationale und geplante Entwicklung der Wirtschaft und die Zuweisung der Mittel für die Wiederherstellung der gesellschaftlichen Infrastruktur, für die Beseitigung von Armut, die Hebung des Lebensstandards und die Überwindung sozialer Ungleichheit.

Nur ein solches Programm kann die Kontrolle der Finanzaristokratie brechen und die Produktivkräfte zum Nutzen der gesamten Gesellschaft befreien. Das kann nur durch die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Obama, die beiden Parteien der Wirtschaft und das kapitalistische System erreicht werden.

Siehe auch:
Anklage gegen Goldman Sachs zieht weitere Kreise
(24. April 2010)