Washingtoner Nukleargipfel soll Kampagne gegen Iran und Nordkorea stärken
Von Patrick Martin
15. April 2010
aus dem Englischen (13. April 2010)
Präsident Obama eröffnete am Montag in Washington den Nukleargipfel. Er bedient sich der Themen Abrüstung und Kampf gegen Terrorismus, um weltweit Unterstützung für seine Politik zu gewinnen. Diese zielt darauf ab, die Regierungen des Irans und Nordkoreas zu isolieren, unter Druck zu setzen und schließlich zu stürzen.
Obama hat keineswegs mit der aggressiven Haltung der Bush-Regierung gebrochen. Er versucht vielmehr, die gleichen Ziele wie Bush mit einer etwas anderen Taktik zu erreichen. Nach wie vor zielt seine Politik darauf ab, die amerikanische militärische Vorherrschaft im Nahen Osten, Zentralasien und weltweit zu stärken.
Die Obama-Regierung verzichtet jedoch auf das provokative Gehabe von Bush, Cheney und Rumsfeld, er bedient sich des Multilateralismus und der globalen Gipfelkultur, wobei er die größte Zahl an Staats- und Regierungschefs seit 1945, seit der Gründung der Vereinten Nationen, auf amerikanischem Boden versammelt.
Das Ziel ist jedoch das Gleiche: Gegen den Iran werden verschärfte Sanktionen vorbereitet, und Nordkorea wird Vergeltung angedroht, weil es angeblich mit Raketen und Nukleartechnologie handelt. Die USA versuchen, ihre militärische Hegemonie auf konventionellem und nuklearem Gebiet zu verteidigen und potentiell machtvolle Herausforderer wie China und Russland abzuwehren.
Die Obama-Regierung bereitet die amerikanische und die Weltbevölkerung systematisch auf eine offene Militäraggression der USA gegen den Iran vor, oder zumindest auf strenge Sanktionen, die einem "Wirtschaftskrieg" gleichkämen. Solche Sanktionen könnten den Iran zu Reaktionen provozieren, die es den USA dann ermöglichten, ihren Angriff als Verteidigung Israels, Saudi-Arabiens oder eines anderen amerikanischen Verbündeten in der Region auszugeben. Der Gipfel dient diesem längerfristigen Ziel.
Die gesamte Konferenz ist von einer grotesken Doppelmoral geprägt. Die amerikanische Regierung hat die Regierungen dreier Länder demonstrativ nicht eingeladen: Der Iran, Nordkorea und Syrien werden von den USA als feindlich eingestuft. Die Begründung lautet, dass sie den Atomwaffensperrvertrag (NPT) verletzten.
Diese Behauptung trifft nach internationalem Recht nicht zu. Der Iran und Syrien haben den NPT beide unterzeichnet und kooperieren mit den Inspektionen der Internationalen Atomagentur (IAEA). Diese UN-Organisation überwacht die Einhaltung des NPT. Nordkorea war früher schon einmal NPT-Unterzeichner, zog sich aber 2006 zurück, was nach dem Vertrag auch erlaubt ist.
Im Unterschied dazu lud die Obama-Regierung drei Länder ein, die sich öffentlich über den NPT hinwegsetzen und erfolgreich Atomwaffen entwickelt und hergestellt haben: Israel, Pakistan und Indien. Sie alle sind wichtige Verbündete der USA.
Pakistan und Indien werden auf der Konferenz von ihren Regierungschefs vertreten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der ursprünglich auch teilnehmen wollte, zog sich im letzten Moment zurück und schickte einen Vertreter, weil arabische Länder die Frage der israelischen Atomwaffen auf dem Gipfel aufwerfen wollten.
Die vom Weißen Haus und dem Außenministerium vorgelegte Tagesordnung des Gipfels schließt jede Diskussion über die reale atomare Bedrohung der Menschheit aus. Dazu gehören die enormen Arsenale der Vereinigten Staaten und Russlands, die immer noch mehrfach ausreichen, um alles menschliche Leben auf dem Planeten auszulöschen. Auch die großen nuklearen Arsenale Großbritanniens, Frankreichs und Chinas und der drei Nicht-Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags, Israel, Indien und Pakistan, stehen nicht zur Debatte.
Stattdessen wird die Konferenz sich darauf konzentrieren, zu verhindern, dass "nicht-staatliche Akteure" wie al-Qaida Zugang zu spaltbarem Material erlangen. Obwohl allgemein bekannt ist, dass al-Qaida und die schiitischen Kleriker in Teheran zutiefst verfeindet sind, wird die Gefahr eines nuklear bewaffneten Terrorismus als Vorwand für einen amerikanischen Feldzug gegen den Iran benutzt.
Die Heuchelei ist atemberaubend. Die Nuklearwaffenstaaten und die Staaten, die über Atomtechnologie verfügen, besitzen zusammen schätzungsweise 2.100 Tonnen nuklearen Materials. Das ist genug, um 120.000 Atomwaffen herzustellen und den Planeten tausendfach zu zerstören.
Aber es handelt sich gar nicht darum, Atomwaffen abzuschaffen. Es geht nur darum, den heutigen Atomstaaten das Monopol über diese Massenmordmittel zu erhalten. Dabei halten die Vereinigten Staaten die größte Zahl an Atomwaffen in Händen, und sie sind das einzige Land, das jemals Atomwaffen im Krieg einsetzte, als 1945 Hiroshima und Nagasaki eingeäschert wurden.
Wie meist bei einem internationalen Gipfel ist das offizielle Prozedere an diesem Dienstag nur eine Schauveranstaltung. Das Kommuniqué, das verabschiedet wird, ist schon längst geschrieben und den Großmächten zugestellt worden. Es fordert Schritte gegen den Schmuggel mit hoch angereichertem Uran und Plutonium, verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für den Schutz der nationalen Vorräte, die in den nächsten vier Jahren realisiert werden sollen, und die freiwillige Aufgabe von solchem Material durch einzelne Staaten.
Chile und die Ukraine haben zu Beginn der Konferenz bekannt gegeben, ihre Vorräte an hoch angereichertem Uran abgeben zu wollen. Das werden sie sich sicher von Washington gut bezahlen lassen.
Wichtiger als der offizielle Ablauf sind die zahlreichen bilateralen Treffen am Rande der Konferenz. Unter anderem führt Obama Vier-Augen-Gespräche mit den Führern Chinas, Pakistans, Indiens, Südafrikas, Kasachstans, Nigerias und Jordaniens.
Obama sagte zum Thema des Washingtoner Gipfels: "Die größte kurzfristige, mittelfristige und langfristige Bedrohung der amerikanischen Sicherheit besteht in der Möglichkeit, dass eine Terrororganisation eine Atomwaffe in die Hände bekommt." Aber die "größte Bedrohung" der Menschheit ist nicht al-Qaida, gleich was ihre reaktionären Ziele sein mögen. Die größte Gefahr wäre ein neuer imperialistischer Krieg, an dem sich die kapitalistischen Staaten mit den großen Atomwaffenarsenalen beteiligten.
Während Obama Reden über eine Welt ohne Atomwaffen hielt, tourten seine wichtigsten nationalen Sicherheitsberater, Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates, am Sonntag durch die Talkshows, wo sie mit der militärischen Stärke der Vereinigten Staaten und mit ihren robusten nuklearen Fähigkeiten prahlten.
Clinton drohte amerikanischen Feinden, die sie nicht ausdrücklich nannte - offensichtlich waren Nordkorea und der Iran gemeint - mit einem möglichen Angriff mit Atomwaffen. Sie wies die Kritik von Republikanischen Kongressabgeordneten zurück, die Nuklearwaffen-Doktrin des Pentagon sei zu restriktiv.
"Wir haben ausreichend Spielraum für Eventualitäten", sagte sie. "Wenn wir beweisen können, dass von einem Land, das uns angegriffen hat, ein Angriff mit biologischen Waffen ausgeht, dann Gnade ihnen Gott."
Gates antwortete in der gleichen Tonlage, als er gefragt wurde, warum Nordkorea und der Iran als Ausnahmen bezeichnet würden: "Weil sie sich nicht an den Atomwaffensperrvertrag halten. Deswegen gelten andere Regeln für sie. Alle Optionen liegen auf dem Tisch."
Die USA bereiten sich in der Atompolitik auf die bevorstehende Konferenz der Vereinten Nationen im nächsten Monat vor, die achte Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags. Als der Atomwaffensperrvertrag 1970 ratifiziert wurde, versprachen die Nuklearmächte, ihre Atomwaffenarsenale zu reduzieren und letztlich abzuschaffen. Dafür sagten die Nicht-Atommächte zu, keine solchen Waffen zu entwickeln.
Seitdem sind vierzig Jahre ins Land gegangen, und fast alle Nicht-Atommächte haben sich an den Vertrag gehalten. Nur die Atommächte zeigen nicht die geringste Neigung, ihre Waffensysteme zu verschrotten. Stattdessen nutzen die USA die regelmäßigen Überprüfungskonferenzen alle fünf Jahre, um Regimes die Zähne zu zeigen, die sie als feindlich betrachten. Das waren in der Vergangenheit Saddam Husseins Irak und Muammar Gaddafis Libyen, und heute sind es der Iran und Nordkorea.
Auf der bevorstehenden NPT-Überprüfungskonferenz werden die USA wahrscheinlich fordern, dass die Atomprogramme der Mitgliedsstaaten gründlich inspiziert werden, was viele Unterzeichner des NPT nicht gerne sehen. Sie betrachten die IAEA weitgehend als Instrument der Vereinigten Staaten.
Die USA haben auch die Frage einer Ergänzung des Atomwaffensperrvertrags aufgeworfen, um das Recht aller Länder auf den vollen zivilen Brennstoffkreislauf abzuschaffen, d.h. auf die eigenständige Produktion von nuklearem Brennstoff für Atomreaktoren. Das würde ihrer gegenwärtigen Kampagne gegen den Iran einen legalen Deckmantel verschaffen.
Neben ihrer unmittelbaren Konzentration auf den Iran und Nordkorea verfolgt die Obama-Regierung mit ihrer Version von der Nichtweiterverbreitung noch ein anderes Ziel: Sie will die Vorteile nicht verlieren, die die USA heute durch den gewaltigen Umfang und den hohen technischen Entwicklungsstand ihres Atomwaffenarsenals genießen.