Noch einmal: Obama und die Arbeitslosigkeit
Von Patrick Martin
25. November 2009
aus dem Englischen (24. November 2009)
Die Obama-Regierung will keine direkten Maßnahmen ergreifen, um Arbeitsplätze zu schaffen und die steigenden Arbeitslosenzahlen in den Vereinigten Staaten zu senken. Die amerikanische Bundesregierung hat alle diesbezüglichen Forderungen rundheraus abgelehnt. Obama bekräftigte diese Position in seiner samstäglichen Radio- und Internetansprache. Hohe Regierungsvertreter wiederholten die Botschaft am Wochenende in Medieninterviews.
Der Stabschef im Weißen Haus, Rahm Emanuel, sagte dem Wall Street Journal : "Unsere wirtschaftspolitische Botschaft hat zwei Pfeiler; es gibt zwei Wege, Arbeitsplätze zu schaffen. Erstens über den Mittelstand, und zweitens über die Energiewirtschaft." Er wies implizit jeden Gedanken zurück, der Staat selbst könnte durch öffentliche Arbeitsprogramme Arbeitsplätze schaffen. Stattdessen wies er auf die Möglichkeit von Steuergutschriften oder Krediterleichterungen für private, profitorientierte Unternehmen hin.
Der Artikel im Journal vom Montag begann: "Das Weiße Haus reagiert lauwarm auf Vorschläge von Kongressdemokraten, ambitionierte Gesetze zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu erlassen. Es bevorzugt stattdessen gezielte Maßnahmen, die weniger wahrscheinlich zu einer Aufblähung des Haushaltsdefizits führen würden, so Sprecher der Regierung." Die Zeitung berief sich nicht nur auf Emanuel, sondern auch auf die Opposition von Finanzminister Timothy Geithner gegen eine von Demokratischen Abgeordneten vorgeschlagene Steuer auf Finanztransaktionen, die ein Arbeitsplatzprogramm finanzieren könnte.
Was an Obamas Rede vom Samstag auffiel, war ihre abgebrühte Gleichgültigkeit gegenüber dem Los der Arbeitslosen. In Worten erkannte er das Problem zu Beginn seiner Rede an: "Wenn wir jetzt die schlimmste Rezession seit Generationen überwinden, gibt es nichts Wichtigeres, als alles zu tun, die Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen und Amerikaner wieder in Arbeit zu bringen."
Doch wie sich herausstellt, beinhaltet "Alles zu tun" kaum mehr als einige Reden, ein vom Weißen Haus veranstaltetes Forum zur Beschäftigungspolitik am 3. Dezember und vielleicht ein paar Steuererleichterungen für die Wirtschaft. "Für mehr Wachstum müssen wir weniger ausgeben, mehr sparen und unser Staatsdefizit abbauen", sagte Obama. Es sei wichtig, "keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen - auch nicht mit den besten Absichten -, besonders in einer Zeit, in der unsere Mittel derart begrenzt sind", schloss er.
"Begrenzte Mittel" spielten jedoch keine Rolle, als es um die Rettung der Wall Street ging. Das Finanzministerium und die Notenbank stellten den Finanzinstituten Billionen zur Verfügung. Aber wenn es um die Arbeiterklasse geht, verlangt Obama immer wieder Kürzungsmaßnahmen.
Die Regierung zwang General Motors und Chrysler in die Insolvenz und verordnete weitgehende Senkungen der Löhne und Sozialleistungen für die Autoarbeiter. Obama betont, dass die Gesundheitsreform unter keinen Umständen zu einer Erhöhung des Defizits führen dürfe. Und jetzt lehnt das Weiße Haus die Schaffung von Arbeitsplätzen direkt durch den Staat ab - im Namen der Reduzierung des Defizits.
Die kaum verhüllte Verachtung Obamas und anderer hoher Regierungsvertreter für die arbeitende Bevölkerung ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Arbeitslosigkeit sich inzwischen im zweistelligen Bereich bewegt. Im letzten Jahr waren 49 Millionen Amerikaner vom Hunger bedroht, und Zwangsräumungen bewegen sich immer noch auf Rekord verdächtigem Niveau. Die Arbeitsplatzkrise wird zu einem "nachhinkenden Wirtschaftsindikator" heruntergeredet. Als Obama vergangene Woche den Hungerbericht hörte, beschränkte sich seine Reaktion darauf, vor wachsender Unterernährung bei Kindern zu warnen, weil dies die Wettbewerbsfähigkeit Amerikas bedrohe.
Derweil gratuliert sich Obama selbst zur Stabilisierung der Banken, während die Wall Street schon wieder Rekordprofite einheimst und für ihre Vorstände und Händler Rekordboni für nächsten Monat beiseite legt. Sie sind zuversichtlich, dass die Regierung jede wirksame Beschränkung der Bezahlung von Bankern verhindern wird.
Obama hatte seine harte Linie gegen zusätzliche Ausgaben für die Arbeitsplatzbeschaffung schon in einem Interview mit dem rechten Fernsehsender Fox News während seiner Asienreise klargestellt. "Es gibt vielleicht ein paar steuerliche Maßnahmen, die Unternehmer ermutigen, Einstellungen früher zu tätigen, statt abzuwarten. Also werden wir uns das ansehen", sagte er. "Aber ich denke, es ist wichtig, folgende Gefahr zu sehen: Wenn wir weiter Schulden aufhäufen, noch dazu mitten im Aufschwung, dann könnten die Menschen eines Tages das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft verlieren, was zu einer double dip-Rezession führen könnte."
Es ist kein Zufall, dass sich Obama auf seiner Asienreise die Zeit nahm, seine Opposition gegen jegliche nennenswerte Erhöhung sozialer Ausgaben zu bekräftigen. Er wollte damit die Chinesen beruhigen, die Schatzbriefe im Wert von etwa 800 Mrd. Dollar in ihren Tresoren haben und der größte Gläubiger der USA sind.
Die amerikanische herrschende Klasse hat das Staatsdefizit mehr als verdoppelt, um die Banken zu retten. Jetzt konzentriert sie sich darauf, die Löhne und den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter zu senken und ihr Lebensniveau an das überausgebeuteten Arbeiter in Asien anzunähern. Mit der Parole "weniger Konsum" versuchen die USA ihre Schulden abzubauen und das Land in ein Zentrum von Billiglohnarbeit mit besseren Chancen auf dem Weltmarkt zu verwandeln.
"Alles für die Banken, - nichts für Arbeitsplätze!" Diese Politik ist so offensichtlich arbeiterfeindlich, dass einige der angeblich liberalen Anhänger Obamas an den Präsidenten appellieren, den Kurs zu ändern. Sie warnen, dass andernfalls soziale und politische Explosionen zu befürchten seien.
Der Abgeordnete Peter DeFazio aus Oregon sagte auf CNN: "Es ist für eine Demokratische Regierung und einen Kongress mit Demokratischer Mehrheit ganz schön peinlich, mit totaler Fürsorge für die Wall Street und völliger Vernachlässigung der kleinen Leute und der Arbeitsplätze identifiziert zu werden."
Am 16. November gaben AFL-CIO, NAACP und vier andere Organisationen eine gemeinsame Erklärung heraus, in der sie Obama drängten, ein Fünf-Punkte-Programm für Arbeitsplätze anzunehmen. Einer der Punkte solle lauten: "Die Kommunen müssen selbst Arbeitsplätze schaffen, um dringende Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere in Städten mit hoher Arbeitslosigkeit."
Die vielleicht bemerkenswerteste Wortmeldung kam von dem Ökonomen Paul Krugman, einem Kolumnisten der New York Times, der ein glühender Verteidiger von Obamas Gesundheitsreform ist. Er griff Obamas Bemerkungen auf Fox News über die Gefahren wachsender Staatsverschuldung auf und sagte dann: "Ich habe einen Moment gebraucht, das zu kapieren. Aber die Sorgen, die Obama äußert, werden verständlich, wenn man davon ausgeht, dass seine Ansichten, direkt oder indirekt, von der Wall Street stammen."
Krugman verrät hier die wirkliche gesellschaftliche Basis der Obama-Regierung. Obama, Emanuel, Geithner & Co geben die Ansichten der Banker und Spekulanten wieder, die sie vertreten und denen sie dienen. Obama steht an der Spitze einer Regierung der mächtigsten Finanzinteressen.
Das ist keine Reformregierung, die unter dem Druck der Rechten vom Pfad der Tugend abgewichen ist und durch Druck von unten wieder nach links gedrückt werden kann. Es ist eine Regierung der gesellschaftlichen und politischen Reaktion.
Letztlich wird die Politik der Obama-Regierung von dem objektiven historischen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus bestimmt. Selbst auf dem Höhepunkt der Großen Depression war die Roosevelt-Regierung noch in der Lage, begrenzte Sozialreformen durchzusetzen, weil der amerikanische Kapitalismus, der damals das industrielle Herz des Weltkapitalismus war, noch über gewaltige ökonomische Reserven verfügte.
In den Jahrzehnten seither haben die Vereinigten Staaten einen dramatischen ökonomischen Niedergang durchgemacht. Dies zeigte sich vor allem im Zerfall seiner industriellen Basis. Die USA haben sich in das globale Zentrum von Finanzspekulation und Parasitismus verwandelt. Das Ergebnis ist eine beispiellose soziale Ungleichheit, gnadenlose Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und der Aufstieg der Finanzaristokratie, die das politische System dominiert und die Grundlinien der Politik der Regierung bestimmt.
Die Obama-Regierung verkörpert diesen Prozess. Ihre Sozial- und Wirtschaftspolitik beweist, dass die amerikanische herrschende Elite weder in der Lage ist, sich selbst zu reformieren - etwa durch die Einschränkung der Profitmacherei an der Wall Street, die die Finanzkrise ausgelöst hat -, noch Sozialreformen zu verwirklichen, von denen die Masse der Bevölkerung profitieren würde.
Millionen Arbeiter erkennen jetzt, dass sich Obama weigert, Maßnahmen gegen die Krise am Arbeitsmarkt zu ergreifen, und dass er dem Leid und den Nöten der amerikanischen Arbeiterklasse unverhüllt gleichgültig gegenübersteht. Das drückt sich zuerst in sinkenden Umfragewerten für Obama aus. Aber bald wird es zu großen Kämpfen führen, wenn Arbeiter und Jugendliche ihre Illusionen in die betrügerischen Versprechen auf "Hope" und "Change" verlieren und beginnen, für ihre unabhängigen sozialen und Klasseninteressen zu kämpfen.