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Obamas Bildungsreform ruiniert die staatliche Bildung

Von Tom Eley
24. November 2009
aus dem Englischen (22. November 2009)

In den letzten Tage hat sich ein seltsames Trio auf Werbetour durch die USA begeben: Für Obamas Schulinitiative "Race to the Top" (Rennen an die Spitze) reisen der Bildungsminister Arne Duncan, der Demokratische Politiker Al Sharpton und der ehemalige Republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, gemeinsam durch das Land.

Obamas Plan sieht im Wesentlichen vor, die Regierungen der Bundesstaaten in einen Wettbewerb um staatliche Milliardensummen zu zwingen. Obama will Bundeszuschüsse über 4,35 Milliarden Dollar an jene Staaten vergeben, die am entschiedensten Charter-Schulen [vom Staat konzessionierte - und finanzierte! - Privatschulen] fördern, die Schüler mit standardisierten Tests quälen und die Arbeitsbedingungen der Lehrer verschlechtern. Im Prinzip werden Staaten so in einen Krieg um verzweifelt benötigte Subventionen getrieben. Der Plan richtet sich gegen die staatliche Schulbildung und entspricht einer Politik, die von den Rechten seit Jahrzehnten gefordert wird.

Die Rolle des Demagogen Al Sharpton von der Demokratischen Partei besteht im Doppelpack mit Gingrich darin, den Eindruck zu erwecken, als hätte sich eine breite Koalition für Obamas Bildungs-Agenda gesammelt.

Sharpton hat die Aufgabe, die Opposition staatlicher Schulen in den Städten zu brechen. Ein Großteil ihrer Schüler sind Afroamerikaner und sie hätten bei Obamas Plan das Nachsehen. Sharpton verweist auf die "Erfolgslücke", die es zwischen schwarzen und weißen Schülern gibt, und bejubelt heute die gleiche Politik, gegen die er sich unter der Bush-Regierung noch gewehrt hat.

Auch die Lehrergewerkschaften sind an Bord. Die American Federation of Teachers und die National Education Association unterstützen jetzt praktisch die gleiche Politik, die sie unter der Vorgängerregierung noch bekämpft haben. Der Unterschied ist lediglich, dass sie bei den "Bildungsreformen" der Bush-Regierung außen vor gelassen wurden, während Obama und die Demokraten großen Wert auf ihre Dienste legen, wenn es um Angriffe auf die Lehrer und um die Aushöhlung der staatlichen Schulbildung geht.

Besonders die Teilnahme des Republikaners Newt Gingrich zeigt, in welche Richtung die geplante "Reform" geht. Gingrich ist als entschiedener Gegner aller staatlichen Sozialprogramme und Befürworter von Schulprivatisierung bekannt.

Auch Duncan, Obamas Bildungsminister, ist kein unbeschriebenes Blatt. In seiner Zeit als Leiter der Chicagoer Schulbehörde erzwang er die Schließung Dutzender Schulen, schaffte das Recht der Lehrer auf Seniorität und ihre akademische Freiheit ab und war für eine Welle neuer Charter-Schulen verantwortlich, darunter sogar vom Militär kontrollierte Akademien.

Was waren die Erfolge von Duncans Arbeit in Chicago? Die Abschlüsse an den weiterführenden Schulen lagen bei kaum mehr als fünfzig Prozent, und Dutzende Schüler wurden sogar getötet, weil sie auf dem Weg zu entfernten Schulen feindliches Gang-Gebiet durchqueren mussten. Die Schulen in ihrer Nähe waren geschlossen worden.

Duncan stellt den 4,35 Milliarden Dollar Fond als eine riesige Summe dar, aber in Wirklichkeit ist es nur ein winziger Teil der Ausgaben, die Obama für das Militär und die Kriege in Afghanistan und im Irak aufwendet, und nicht mal 0,02 Prozent der 23 Billionen Dollar, die für die Rettung der Finanzindustrie aufgewendet wurden. Insgesamt werden für Bildung weniger als das Privatvermögen der sechzig reichsten Amerikaner aufgewendet und nur ein kleiner Teil der Weihnachtsboni, die Wall Street nächsten Monaten an ihre Vorstände und Händler ausschütten wird.

2011 wird die gesamte Finanzierungslücke im Schulbereich bei den Bundesstaaten zwanzig Milliarden Dollar betragen. Dabei sind noch nicht die Einnahmeausfälle bei lokalen Steuern berücksichtigt, die vor allem durch den Zusammenbruch bei der Veranschlagung von Grundstückssteuern entstanden sind. Dutzende Schulbezirke werden bis Ende des Jahres bankrott gehen. Der Bundesstaat Hawaii hat den Schulen schon eine Vier-Tage-Woche verordnet.

Nur eine Handvoll Staaten werden überhaupt Geld aus dem "Race to the Top"-Topf erhalten, möglicherweise weniger als fünfzehn, so das Wall Street Journal. "Das wird ein harter Wettkampf, und es wird mehr Verlierer als Gewinner geben", erklärte Duncan dreist, als er mehr als dreißig Kriterien aufzählte, nach denen die Staaten beurteilt werden sollen.

Die Erpressung zeitigt jetzt schon den gewünschten Effekt. Mehrere Staaten haben in den letzten Monaten Gesetze zur Förderung von Charter-Schulen verabschiedet, haben mehr Tests und andere Beurteilungen eingeführt und begonnen, Geld an solche Schulen umzuleiten, deren Schüler gute Leistungen erbringen. Diese Politik wird gerade jenen Schulen Mittel entziehen, die sie am meisten benötigen.

Obamas Politik fördert die Entwicklung eines Bildungssystems, das sich offen an Klassenzugehörigkeit orientiert. Wohlhabende Bezirke werden aufblühen, während die große Mehrheit der Schulen in den Innenstädten, auf dem Land und selbst in den Vorstädten darunter leiden oder gar untergehen wird.

Viele Lehrer, Schüler und Eltern sind gegen Obamas Bildungspolitik. Nachdem Duncan den Plan im Juli vorgestellt hatte, "wurde das Bildungsministerium von 1.200 offenen Briefen überflutet", die den Plan verurteilten, berichtete die New York Times.

Die Obama-Regierung reagierte darauf mit ihrer üblichen Verachtung für die öffentliche Meinung. "Auch nach den ganzen Stellungnahmen sind die Regeln so umfassend und anspruchsvoll wie zuvor, sie haben sich nicht geändert", sagte Rahm Emanuel, der Stabschef des Präsidenten. "Wir wollen reformieren, deshalb haben wir nichts zurückgenommen."

Das staatliche Bildungssystem wird hart an den Rand des Zusammenbruchs manövriert. Doch je klarer sich zeigt, was Obamas Bildungspolitik wirklich bedeutet, desto mehr Lehrer, Schüler und Eltern beginnen, die staatliche Schulbildung zu verteidigen, die zwei Jahrhunderte lang von egalitären und demokratischen Prinzipien geprägt war.

Diese Opposition braucht eine unabhängige politische Perspektive, die sich gegen die beiden Parteien der Wirtschaft richtet und sich auf ein sozialistisches Programm stützt.

Siehe auch:
Krebs und Klassengesellschaft
(20. November 2009)
Der Kriegsnobelpreis
( 13. Oktober 2009)