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Obamas Besuch in China

Von Barry Grey
21. November 2009
aus dem Englischen (20. November 2009)

Zu Beginn seiner achttägigen Reise durch Asien erklärte sich Präsident Obama selbst zum "ersten pazifischen Präsidenten" und kündigte an, dass seine Reise den amerikanischen Führungsanspruch in der Region bekräftigen werde. Seine dominierende Position in dem Teil der Welt zu verteidigen, in dem die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet wird, ist für den US-Imperialismus eine Überlebensfrage.

Tatsächlich aber beleuchtete die Reise, und besonders Obamas dreitägiger Besuch in China, nur die deutliche Schwächung der Position der Vereinigten Staaten in der Welt und die Tatsache, dass politische Führer in Asien und anderswo sich dieser ungeheuer folgenschweren Tatsache immer mehr bewusst werden. Die tektonischen Verschiebungen in den weltweiten Beziehungen, die durch die globale Wirtschaftskrise noch beschleunigt wurden, die in den USA ihren Ausgangspunkt nahm, geben der Weltlage eine seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellose Instabilität und Spannung.

Unter der Oberfläche diplomatischer Freundlichkeiten, welche die Präsidenten auf den Gipfeln in Japan, Singapur und China austauschten, brachen sich die zunehmenden Konflikte über Handels- und Währungsfragen und über wirtschaftlichen Einfluss in gelegentlich ungewöhnlich offener Weise Bahn.

Amerika ist aus der ersten Phase der gegenwärtigen Wirtschaftskrise im Vergleich zu seinen aufstrebenden Konkurrenten, vor allem China, weiter geschwächt hervorgegangen. Das kommt am schärfsten darin zum Ausdruck, dass Washingtons wichtigster Hebel für die Durchsetzung seiner Interessen die Drohung gegenüber seinen Rivalen ist, den Dollar weiter an Wert verlieren zu lassen. Das verbilligt seine Exporte und verteuert gleichzeitig die Importe aus konkurrierenden Ländern, außerdem bedroht es den Wert der riesigen Dollarguthaben in den Tresoren der Staatsbanken Chinas, Japans und Indiens. So versuchen die USA ihren langfristigen Niedergang in ein Werkzeug zu verwandeln, mit dem sie ihre Krise anderen Volkswirtschaften aufladen.

Aber auf diese Weise untergraben sie nur immer weiter das internationale Vertrauen in den Dollar und den amerikanischen Kapitalismus selbst.

Diese völlig veränderte Position der USA gegenüber China wurde in einer Flut von Artikeln kommentiert. Die New York Times brachte am 15. November einen Artikel, der so begann: "Wenn Präsident Obama am Sonntag zum ersten Mal China besucht, dann wird er das in mancherlei Hinsicht in der Rolle des leichtsinnigen Verschwenders tun, der kommt, um seinem Banker die Aufwartung macht.

Diese harte Tatsache - China ist der größte ausländische Gläubiger der Vereinigten Staaten - hat die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und dem einzigen Land, dass eine realistische Chance hat, den Status der USA als einziger Supermacht der Welt in Frage zu stellen, bis in den Kern verändert."

Eine weitere Variation des gleichen Themas fand sich in einem Leitartikel der Financial Times vom 14. November. Er begann: "Wenn Obama Asien besucht, dann tut er das als Staatschef einer ramponierten Supermacht. Es gibt kein stärkeres Symptom der amerikanischen Gebrechlichkeit als den Dollar, d.h. die Währung, in die die Asiaten so viel des hart erarbeiteten Wohlstands ihrer Völker investiert haben. Aber Obama kann nur grinsen und seine Gastgeber bitten, sich damit abzufinden."

Das Wall Street Journal legte mehr Gewicht auf den provokativen und aggressiven Charakter der amerikanischen Geldpolitik. Sie schrieb: "Die Obama-Regierung scheint ein neue, wenn auch etwas subtileres, Version des Kurses von John Connally zu verfolgen, des Finanzministers der Nixon-Ära, von dem das berühmte Bonmot überliefert ist, der Dollar mag zwar,unsere Währung’ sein, aber er ist,euer Problem’."

Die Veränderungen seit der Zeit, als Nixon als erster amerikanischer Präsident China besuchte, sind aufschlussreich. Obwohl sich die USA schon 1972 im Niedergang befanden, waren sie immer noch die größte Industriemacht und der größte Gläubiger der Welt.

Noch bemerkenswerter sind die Veränderungen, seit Präsident Clinton vor elf Jahren in Peking Hof hielt. Obwohl die Vereinigten Staaten schon damals die größte Schuldnernation waren, wie die Washington Post am 18. November schrieb, "sonnte sie sich noch in ihrem Triumph als Sieger des Kalten Kriegs und in ihrer Position als alleiniger Supermacht der Welt." China war damals nur "siebtgrößte Halter von amerikanischen Schuldverschreibungen. Heute ist China Amerikas größter Kreditgeber und sein Handel mit den Vereinigten Staaten ist um das Siebenfache gestiegen."

Dieses Mal bestand Obamas Mission darin, die Länder Ost- und Südostasiens davon zu überzeugen, dass sie sich noch auf die USA als Gegengewicht zu der wachsenden wirtschaftlichen, politischen und potentiellen militärischen Macht Chinas verlassen können. China wird nächstes Jahr Japan als zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt nach den USA ablösen.

Auf dem asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgipfel (APAC) und dem Treffen mit den ASEAN-Staaten in Singapur versuchte Obama zu verhindern, dass die USA aus dem neu entstehenden asiatischen Handelsblock herausgedrängt werden, über den China im Begriff ist, den bestimmenden Einfluss auszuüben.

Er versuchte die Verärgerung der asiatischen Länder angesichts der negativen Auswirkungen des fallenden Dollars auf den Handel und über die wachsende Gefahr von spekulativen Blasen von den USA ab und auf China zu lenken. Die Ursachen dafür sind der nahe bei Null liegende Zentralbankzins der USA und die Politik der Federal Reserve, Unmengen von Dollars zu drucken. China verschafft sich einen Handelsvorteil gegenüber seinen Nachbarn, indem es seine Währung, den Yuan, an den Dollar gebunden hält, und ihn mit diesem zusammen sinken lässt.

Aber es waren die USA, die öffentlich des Protektionismus beschuldigt wurden, u.a. von Mexiko. China blockierte erfolgreich eine von den USA unterstützte Resolution, dass die Währungen sich entsprechend den Marktkräften anpassen sollten.

Obamas Plan, die Last der Wiederherstellung des Gleichgewichts der globalen Wirtschaft durch eine Aufwertung des Yuan China aufzubürden, wurde von Vertretern Chinas präventiv verhindert. Sie verurteilten die amerikanische Geldpolitik als Bedrohung für jegliche globale wirtschaftliche Erholung und griffen den Protektionismus der USA an. Sie stützten sich auf die Besorgnis in der Region über die Inflationsgefahren aufgrund des niedrigen Dollars und über das Erheben von Importzöllen auf chinesische Reifen- und Stahlröhrenexporte in die USA durch Washington.

Ein Eingehen auf Washingtons Forderungen käme für die herrschende Elite Chinas politischem Selbstmord gleich, weil ihre Position an der Spitze einer riesigen, unruhigen und größtenteils verarmten Bevölkerung auf wackeligen Füßen steht. Im vergangenen Jahr sind die chinesischen Exporte trotz eines nominell gesunden Wirtschaftswachstums um zwanzig Prozent gesunken und zirka vierzig Millionen Arbeiter haben ihren Job verloren. Die sozialen Folgen eines weiteren Exportrückgangs, der mit einer größeren Aufwertung des Yuan einherginge, hätten in diesem immer noch rückständigen, von ethnischen, demographischen und Klassenspannungen gezeichneten Land, explosive Folgen.

Die reale finanzielle Abhängigkeit zwang Obama bei seinen öffentlichen Vorwürfen gegenüber den Chinesen wegen ihrer Geldpolitik und anderer Fragen zu äußerst vorsichtigem Vorgehen. Der gemeinsame Auftritt Obamas mit Präsident Hu Jintao nach ihren privaten Gesprächen verlief in frostiger Atmosphäre. Hu weigerte sich, Obamas Druck in der Frage schärferer Sanktionen gegen den Iran nachzugeben und sagte nichts zum Wechselkurs des Yuan. Stattdessen belehrte er den amerikanischen Präsidenten über die Übel des Protektionismus.

Obama gab sich große Mühe, Chinas Aufstieg und seinen Status als wichtiger Akteur in internationalen Angelegenheiten zu begrüßen. Er suchte den größten amerikanischen Gläubiger - der amerikanische Schuldverschreibungen im Wert von ca. 800 Mrd. Dollar an US-Schatzwechseln hält - davon zu überzeugen, das es ihm ernst damit sei, die rasant steigenden amerikanischen Defizite unter Kontrolle zu bringen und Haushaltsdisziplin auf Kosten der amerikanischen Bevölkerung durchzusetzen.

Aber die wirkliche Geisteshaltung des amerikanischen Establishments und seiner engsten westlichen Verbündeten wurde von Medienkommentatoren enthüllt, die nicht soviel Rücksicht nehmen müssen. Besonders giftig waren die Ergüsse von Liberalen, die sonst nicht genug den freien Handel hochhalten können.

Vor der Asienreise Obamas schäumte der New York Times -Kolumnist und Nobelpreisträger Paul Krugman am 23. Oktober gegen Chinas "empörende Währungspolitik", und schloss, dass "eine Politik auf Kosten der Nachbarn von zentralen Mächten nicht toleriert werden kann. Etwas muss mit Chinas Währung geschehen."

Als Obama in China war, kehrte Krugman am 16. November zu dem Thema zurück. Er warnte vor "einer potentiell unschönen Konfrontation, die heraufziehen könnte, wenn China nicht zur Vernunft kommt." Er forderte Obama auf, den Chinesen klar zu machen, "dass sie ein gefährliches Spiel spielen".

Martin Wolf von der Financial Times machte am 18. November in einer Kolumne Obama folgenden Vorschlag für seine Diskussionen mit der chinesischen Führung: "Was Sie vielleicht nicht verstehen, ist die Geschwindigkeit, mit der Demokratien von einer Politik der ausgestreckten Hand zu einer Politik der geballten Faust wechseln können."

Ambrose Evans Pritchard war im Telegraph noch direkter: "Es ist modern, von Amerika als Bittsteller zu sprechen", schrieb er. "Das ist eine falsche Interpretation der strategischen Gelichgewichts. Washington kann China jederzeit in die Knie zwingen, indem es seine Märkte abschottet. Da gibt es kein Gleichgewicht. Jeder Versuch Pekings, seinen Bestand an amerikanischen Schuldverschreibungen einzutauschen, könnte neutralisiert werden - im Extremfall durch Kapitalkontrollen. Gut bewaffnete souveräne Staaten können tun, was sie wollen."

Solche wütenden Ausfälle müssen Ernst genommen werden, nicht weil sie selbst allzu viel Sinn machen, sondern als Widerspiegelung der explosiven und gewalttätigen Spannungen, die sich zwischen den Großmächten um die Neuaufteilung der Welt aufbauen; einer Welt, die durch den Zusammenbruch der auf amerikanischer Hegemonie beruhenden alten Weltordnung in Bewegung geraten ist. Sie sind ein eindringlicher Hinweis darauf, dass es keinen friedlichen Übergang zu einer "multipolaren" neuen Ordnung des kapitalistischen Weltsystems gibt.

Siehe auch:
Verschärfte Handelsspannungen zwischen den USA und China
(19. September 2009)
Großmachtkonflikte verdüstern G-20-Gipfel in Pittsburgh
( 25. September 2009)