Zwei Monate im Amt: Obama-Regierung zeigt ihren Klassencharakter
Von Barry Grey
28. März 2009
aus dem Englischen (26. März 2009)
In den vergangenen zwei Monaten hat die Obama-Regierung alles getan, um das Vertrauen der Wall Street zu gewinnen. Die Ereignisse der letzten Woche bildeten dabei einen besonderen Höhepunkt. Die Regierung sichert den Großbanken und Investmenthäusern zu, den Reichtum, die Vorrechte und die Macht der amerikanischen Finanzaristokratie zu verteidigen.
Die Regierung und Obama persönlich sehen die Wirtschaftskrise ausschließlich durch die Brille des reichsten Prozents der Bevölkerung. Ihre gesamte Politik zielt darauf ab, die Verluste derer zu decken, die für die Wirtschaftskatastrophe verantwortlich sind - und zwar Dollar für Dollar und auf Kosten der amerikanischen Bevölkerung.
Für die große Mehrheit der Bevölkerung bedeutet die Krise Zerstörung der Arbeitsplätze, Zwangsräumungen und den Verlust ihrer Altersersparnisse. Obama dagegen sorgt sich lediglich darüber, dass die Krise Amerikas Großbanken und Investmenthäuser zu untergraben droht und das Vertrauen in den amerikanischen Kapitalismus erschüttert
Daher seine Anstrengungen und die seiner höchsten Berater, den Versicherungskonzern AIG gegen den Zorn der Öffentlichkeit zu verteidigen, der sich an den Bonuszahlungen für die Vorstände entzündete, nachdem derselbe Versicherungsriese mit Steuergeldern gerettet worden war. Sie sabotierten sogar den Gesetzentwurf des Kongresses, diese Boni wieder einzukassieren. Gleichzeitig wurde der jüngste Plan bekanntgegeben, den Banken und Hedge Fonds erneut Hunderte Milliarden an Steuergeldern in den Rachen zu werfen.
Der so genannte "Public-Private-Investment-Plan" von Finanzminister Timothy Geithner garantiert den Finanzhäusern, dass sie ihre faulen Kredite zu stark überhöhten Preisen loswerden, bzw. praktisch zweistellige Profite einkassieren, die zum größten Teil von der Regierung bezahlt werden. Dieser Plan ist ein derart dreister Raubzug im Interesse der Banken und der Investmenthäuser, dass selbst die New York Times am Mittwoch zugeben musste: "Am Ende wird der Steuerzahler weitgehend die Rechnung begleichen."
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz drückte sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters noch deutlicher aus. Er sagte, das Programm biete "perverse Anreize", die auf "einen Raub am amerikanischen Volk" hinausliefen.
Am Mittwoch veröffentlichte die Times einen Bericht, dass 25 Hedge-Fond-Manager 2008 ein Einkommen von 11,6 Mrd. Dollar erzielten, während das Haushaltseinkommen der amerikanischen Bevölkerung um Billionen fiel. Das sind genau die Leute, die die Regierung mit praktisch kostenlosem Geld und mit der staatlichen Garantie umwirbt, den größten Teil ihrer Verluste zu übernehmen.
Alle Initiativen der Regierung - ihre Bankenrettungsprogramme, Konjunkturprogramme, ihre Wohnungsbau- und Gesundheitspolitik - wurden in engster Zusammenarbeit mit den Spitzenvertretern der Wall Street erarbeitet. Das Wall Street Journal schilderte am Dienstag das Verhältnis Obamas zu den mächtigsten Bankern. Der Artikel beschrieb die Art und Weise, wie Obama seine Wohnungsbaupolitik entwickelte, folgendermaßen:
"Beamte des Finanzministeriums luden Vertreter unter anderem von Wells Fargo & Co., Bank of America Corp. und JPMorgan Chase & Co. ein. Am größten Konferenztisch des Finanzministeriums brüteten sie acht Stunden lang darüber, wie sich der Hypothekenplan praktisch auswirken würde, und bestellten Pizza..."
Weiter hieß es in dem Artikel: "Am 11. März wurde Mr. Dimon [Vorstandsvorsitzender Jamie Dimon von JPMorgan Chase] ins Weiße Haus und ins Finanzministerium gebeten, wo Berater sich gemeinsam mit ihm den Kopf darüber zerbrachen, wie Banken und Märkte wohl auf ihre Pläne reagieren würden. Am nächsten Tag flehten Konzernbosse Obama bei einem Treffen im Weißen Haus an, den Kreditfluss wieder in Gang zu bringen. OK, sagte der Präsident dem Transkript des Treffens zufolge. Er werde dafür sorgen, dass seine Leute mit Jamie reden."
Bei einem weiteren Treffen mit den Vorstandschefs der größten Banken des Landes wird Obama am Freitag im Weißen Haus erneut gut Wetter machen.
Bei seiner Pressekonferenz am Dienstag buckelte Obama erneut vor der Finanzelite und verteidigte eine Politik in deren Interesse. Er ermahnte die amerikanische Bevölkerung, "nicht jeden Investor und Unternehmer zu dämonisieren, der versucht, Profit zu machen". Er erklärte, schließlich habe der private Profit, "immer unseren Wohlstand garantiert", er werde "diese Banken schließlich wieder dazu bringen, Geld zu verleihen und unsere Wirtschaft in Schwung zu bringen".
Mit anderen Worten hängt der Erfolg des "Stabilisierungs- und Belebungsprogramms" davon ab, ob es die Finanzinteressen der herrschenden Elite befriedigt.
Mit atemberaubendem Zynismus erklärte Obama: "Zu guter Letzt besteht ein besonders wichtiger Teil unserer Strategie darin, sicherzustellen, dass wir in diesem Land nicht zu einem Wirtschaftszyklus von Boom und Bust zurückkehren. Wir wissen, dass eine auf verantwortungsloser Spekulation, inflationären Hauspreisen und ausgereizten Kreditkarten aufgebaute Wirtschaft keinen dauerhaften Wohlstand schafft. Sie schafft die Illusion von Wohlstand und bringt uns alle in Gefahr."
Diese Worte kommen aus dem Munde eines Präsidenten, der das fiktive Kapital der Banken und Finanzhäuser deckt und den Reichtum von Aktienbesitzern schützt. Dieser Reichtum wurde durch eine Wirtschaftsblase erzielt, die sich auf inflationär aufgeblähte Hauspreise stützte.
Später sagte er: "Banker und Wall Street-Vorstände müssen es kapieren: Die Bereicherung auf Kosten der Steuerzahler ist unentschuldbar, und die Zeiten überzogener Gehälter und uns alle bedrohender rücksichtsloser Spekulation müssen vorüber sein". Genau das aber tut natürlich die Regierung: Sie bereichert Banker und Wall Street-Vorstände "mit Steuergeldern", subventioniert gleichzeitig die Spekulation von Hedge Fonds und verteidigt die "überzogenen Gehälter" von AIG-Millionären und Wall Street-Vorständen.
Einmal mehr suchte Obama die Wall Street zu beruhigen, seine Regierung werde als erstes ihre Interessen auf Kosten von Billionen Dollar Steuergeldern sichern, und dann daran gehen, rücksichtslos die Sozialausgaben zu kürzen, um das Haushaltsdefizit wieder abzubauen.
Nachdem er tags zuvor eine weitere Billion für die Rettung der Banken mobilisiert und damit das bisherige Rekordhaushaltsdefizit glatt verdreifacht hatte, traf er die erstaunliche Feststellung, dass die Gesundheitskosten "der langfristig größte Treibsatz für Haushaltsdefizite" seien. Das "müssen wir in Angriff nehmen", erklärte er - nicht die Ausplünderung des Landes durch die Banken.
Wenn Obama davon spricht, "die Gesundheitskosten in Angriff zu nehmen", meint er, die Konzerne von ihren Verpflichtungen für die Kosten der Krankenversicherung ihrer Beschäftigten zu befreien und Arbeiter zu zwingen, bestenfalls drittklassigen Versicherungsschutz mit höherer Eigenbeteiligung zu akzeptieren.
Obama will der Wall Street deutlich machen, dass seine Regierung entschlossen ein brutales Sparprogramm gegen die Arbeiterklasse durchsetzen werde. "Wir werden Verschwendung in Programmen wie Medicare ausrotten", sagte er. "Wir suchen nach Sozial- und Bildungsprogrammen, die ihren Zweck nicht erfüllen, um sie zu eliminieren (sic). Wir werden uns diesen Haushalt Zeile für Zeile vornehmen, und wo wir Programme finden, die nicht funktionieren, werden wir sie eliminieren. Aber diese Anstrengungen werden scheitern, wenn wir uns nicht die steigenden Gesundheitskosten vornehmen..."
Auf den Einwurf eines Reporters, dass sein Haushaltsentwurf die Defizite nach vier oder fünf Jahren wieder steigen lassen werde, erklärte Obama, dass die von seiner Regierung geplanten Angriffe auf Medicare und Medicaid in seinem Haushaltsentwurf noch nicht berücksichtigt seien. "Unser größtes langfristiges Problem sind Medicare und Medicaid", sagte er. "Aber was immer wir an dieser Reformfront tun - und wir sind fest entschlossen, diese Defizite und diese Kosten in einer Partei übergreifenden Anstrengung zu verringern - es wird sich im Haushalt erst viel später niederschlagen."
Dann kehrte er zum zentralen Punkt seiner Pressekonferenz zurück und erklärte: "Wenn wir die aktuelle Krise hinter uns gelassen haben, dann wird es absolut wichtig sein, noch einmal zu schauen, welche weiteren Kürzungen wir machen müssen, welche Anpassungen notwendig sind, um einen nachhaltigen Haushalt zu bekommen."
Ein Reporter des Magazins Ebony stellte die einzige Frage, die wenigstens andeutungsweise auf die wachsende soziale Katastrophe in Amerika einging. Er bemerkte, dass zwei Prozent aller Kinder in den Vereinigten Staaten obdachlos seien, und fragte Obama: "Was würden Sie diesen Familien und besonders diesen Kindern sagen, die im ganzen Land unter Brücken und in Zelten schlafen?"
Obama hatte dazu nichts zu sagen, weil sich seine Politik nicht mit der wachsenden sozialen Krise beschäftigt und für die Opfer von Entlassungen, Lohnkürzungen, Zwangsräumungen oder zusammenbrechenden Rentenfonds eigentlich gar nichts tut. Neben einem wenig überzeugenden Seufzer, wie sehr es ihm ans Herz gehe, dass Kinder in Amerika obdachlos seien, konnte er sich lediglich zu der Aussage aufraffen: "Wir werden eine Reihe Programme gegen Obdachlosigkeit auf den Weg bringen."
Der Klassencharakter der Obama-Regierung wird immer deutlicher. Sie ist nichts weiter als die Interessensvertreterin der Finanzaristokratie. Ihre Politik ist nicht einfach unzureichend, sie ist reaktionär.
Auch wenn heruntergekommene Liberale der Nation und anderer "linker" Publikationen trotz allem versuchen, Obama als einen zögerlichen "Progressiven" hinzustellen, der nur einen kleinen Schubser von unten brauche, um seinen wahren Instinkten zu folgen, zeigt die Politik der neuen Regierung die Unmöglichkeit, tatsächliche Veränderungen durch Wahlen im Rahmen des bestehenden politischen und ökonomischen Systems zu erreichen.
Der Würgegriff der Finanzoligarchie muss gebrochen und die Produktivkräfte der Gesellschaft müssen in den Dienst der Bedürfnisse der Bevölkerung gestellt werden, anstatt den persönlichen Reichtum einer kleinen Minderheit zu mehren.
Das erfordert einen Bruch mit der Demokratischen Partei und den Aufbau einer politischen Bewegung der Arbeiterklasse im Kampf für ein sozialistisches Programm. Ein solches Programm beinhaltet die Enteignung der großen Banken und Investmentfirmen und ihre Umwandlung in öffentliche Einrichtungen unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse.