USA im Konflikt mit Karsai über vorzeitige Neuwahlen in Afghanistan
Von James Cogan
3. März 2009
aus dem Englischen (02. März 2009)
Der afghanische Präsident Hamid Karsai gab am Wochenende seine Entscheidung bekannt, dass die Präsidentschaftswahlen 30 bis 60 Tage stattfinden sollen, bevor seine Amtszeit am 21. Mai endet. Angesichts der sich laufend verschlimmernden Sicherheitslage und der Ausweitung der Kriegshandlungen ist diese Entscheidung bei der Regierung Obamas auf offene Ablehnung gestoßen. Dadurch wird einmal mehr die Spaltung zwischen dem Weißen Haus und der von den USA abhängigen Regierung in Kabul deutlich.
Die Außenministerin Hillary Clinton soll, so wird berichtet, Karsai sofort angerufen und seine Entscheidung verurteilt haben. Sein Beschluss setzt sich über die Entscheidung der Wahlkommission seines Landes hinweg, die nach der Anweisung der USA die Wahlen bis zum 20. August hinausgeschoben hatte. Die Verzögerung war mit dem Grund gerechtfertigt worden, dass Obama in den kommenden Monaten zusätzliche Truppen schicken will, wodurch der Urnengang auch in den gegenwärtig von den Taliban kontrollierten und anderen Aufständischengebieten stattfinden könne.
Die Entscheidung der Kommission jedoch bedeutete einen Bruch der afghanischen Verfassung und hätte den Status von Karsai während der Zeit vom 21 Mai bis zum 20. August in Frage gestellt. Seine wichtigsten Gegner im afghanischen Parlament haben sich seit einigen Wochen dafür ausgesprochen, dass Karsai zurücktreten und es einem Statthalter überlassen sollte, eine neue Regierung zu bilden. Ein Name, der für diesen Posten genannt wurde, war der frühere US-Beauftragte Zalmay Khalilzad, der in Afghanistan geboren wurde. Khalilzad war der Botschafter der Bush-Regierung in Afghanistan, später im Irak und danach bei den Vereinten Nationen.
Indem er die Wahlen vorzog, ist Karsai ist jedem Versuch zuvorgekommen, ihn beiseite zu schieben. Als jemand, der seit mehr als 30 Jahre an den machiavellanischen Intrigen des US-Imperialismus beteiligt war, ist sich Karsai bewusst, dass solch ein Manöver benutzt werden könnte, um ihn auf Dauer aus dem Amt zu verdrängen. Er kalkuliert damit, dass er, die Mittel des Staates benutzen kann, um seine Wiederwahl zu erreichen, wenn er während der Wahlen noch als Präsident im Amt bleibt.
Karsai steht zweifellos unter dem Druck der USA, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Ob er dies tut oder nicht, in jedem Fall sind seine Tage in der Politik gezählt. Karsai hat nicht nur den Zorn der amerikanischen Regierungsvertreter und Militärs erregt, indem er Luftangriffe und andere Operationen der US-Streitkräfte verurteilte, die Todesopfer unter afghanischen Zivilisten forderten, seine Regierung ist auch handlungsunfähig.
Die Obama-Regierung hat nicht damit hinter dem Berg gehalten, dass sie die Vorgabe der Bush-Regierung in Afghanistan "Demokratie" herzustellen, gern fallenlassen würde. Verteidigungsminister Robert Gates machte sich kürzlich über die frühere Propaganda lustig und erklärte vor dem Kongress: "Wenn wir uns das Ziel setzen, in Zentralasien irgendeine Art Walhalla einzurichten, können wir nur verlieren."
Die Haltung des Weißen Hauses unter Obama wird von einer pragmatischen Einschätzung der strategischen Interessen der Vereinigten Staaten in Afghanistan und in seiner Umgebung bestimmt. Trotz mehr als siebenjähriger US-Besetzung kennen Millionen von Afghanen die Legitimität der Regierung Karsai nicht an, die nur durch die Anwesenheit fremder Truppen im Amt gehalten wird. Die Taliban und andere aufständische Truppen kontrollieren große Landstriche, insbesondere in den südlichen paschtunischen Provinzen und führen ständig einen Guerillakrieg.
Die Verluste der Amerikaner und der NATO-Truppen werden immer heftiger. Im Januar und Februar verloren 48 ausländische Soldaten ihr Leben. Das ist mehr als die doppelte Anzahl der in den ersten beiden Monaten von 2008 Getöteten. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben noch höhere Verluste zu verzeichnen. Allein 1200 Polizisten wurden im letzten Jahr getötet.
Karsais Regierung und die von den USA aufgebauten afghanischen Sicherheitskräfte sind demoralisiert und durch und durch korrupt. Bestechungen, Erpressungen und Diebstähle sind an der Tagesordnung. Höhere Regierungsvertreter, darunter auch der Bruder Karsais stehen wegen ihrer Beteiligung am Drogenhandel unter Anklage. Die Hauptbeschäftigung der afghanischen Regierungsvertreter scheint zu sein, so viel Reichtum anzuhäufen, wie es nur geht, bevor sie durch die aufständischen Taliban zur Flucht gezwungen würden.
Obama und seine Regierung sind verzweifelt bemüht, eine Niederlage in Afghanistan zu verhindern, durch die die US-Interessen in Zentralasien erheblich beeinträchtigt werden würden. Daher sprechen sie jetzt mehr von "erreichbaren" Zielen als von Demokratie. Einerseits werden 17.000 zusätzliche Soldaten zur Intensivierung des Kriegs eingesetzt, aber die US-Regierung hält sich gleichzeitig die Möglichkeit offen,
General Petraeus - der 2007 eine Reihe von Abkommen mit Teilen der Aufständischen im Irak traf und jetzt Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Zentralasien ist - hat gesagt, dass die Vereinigten Staaten mit Teilen der Taliban in Verhandlungen treten sollen, um solche Deals vorzubereiten.
Der Sender Al-Dschasira berichtete letzte Woche, dass amerikanische und britische Regierungsvertreter bereits mit der Bewegung Hezb-e-Islami gesprochen haben, die von dem Paschtunen-Warlord Gulbubbin Hekmatyar geführt wird. Hekmatyar erhielt Gelder aus den USA während der sowjetischen Besetzung Afghanistans in den 1980er Jahren, um seinen Kampf gegen die Sowjetunion zu finanzieren. Nach dem Abzug der Sowjets begann er einen mörderischen Bürgerkrieg gegen andere Stämme, übernahm die Kontrolle in der Hauptstadt Kabul und machte sich selbst zum ersten Premierminister des Landes. Die Taliban vertrieben ihn 1996 von der Macht. 2002 jedoch, nachdem ihm ein Platz in der US-Marionettenregierung verweigert worden war, rief er seine Gefolgsleute auf, gemeinsam mit den Taliban gegen die Besatzung zu kämpfen.
Wenn Hekmatyar und Teile der Taliban gekauft werden könnten, hätte dies erhebliche Auswirkung auf die Intensität des bewaffneten Widerstands gegen die US-Truppen besonders in den östlichen Provinzen des Landes und einigen Stammesgebieten von Pakistan. Ein solches Abkommen jedoch würde eine Umgruppierung der fraktionellen Arrangements in Kabul bedeuten, die unweigerlich zu Ungunsten von Karsai ausgehen würde, der selbst über keine große Machtbasis verfügt und nichts anderes darstellte als eine bequeme Repräsentationsfigur in einer US-Marionettenregierung.
Wenn Karsai nicht freiwillig das Feld räumt, könnten andere Methoden angewandt werden. Einen Hinweis, worüber innerhalb des Weißen Hauses zur Zeit diskutiert wird, gab der Leitartikel des Wall Street Journal vom 17. Februar. Nach der Feststellung, dass es scharfe Spannungen zwischen Washington und Karsai gebe warnte die Zeitung: "Mr. Obama und Vizepräsident Joe Biden - der letztes Jahr aufgebracht ein Treffen mit Karsai verließ - müssen den Fehler vermeiden, den John F. Kennedy machte, als er den südvietnamesischen Verbündeten Ngo Dinh Diem stürzte."
Was das heißt, ist klar. Die Kennedy-Regierung hatte 1963 keinerlei Skrupel, den Sturz ihres loyalen Marionettenregimes von Diem zu sanktionieren, als dieser zu einem Hindernis für ihre Pläne in Vietnam wurde. Das Wall Street Journal hat keine Einwände gegen solche Methoden, aber es gibt den Rat, dass ein derartiges Vorgehen, wenn man es erwägen sollte, sehr rasch Auswirkungen auf die USA und auf die Obama-Regierung haben könnte.