USA verstärken Drohungen gegen Pakistan
Von Keith Jones
5. Mai 2009
aus dem Englischen (25. April 2009)
US Verteidigungsminister Robert Gates warnte Pakistan, dass die amerikanisch-pakistanischen Beziehungen beschädigt würden, wenn sich Islamabad nicht den Forderungen Washingtons beuge und den islamistischen Aufstand, mit allen Mitteln niederschlage. Der Aufstand wird durch die US-amerikanische Besetzung Afghanistans angeheizt.
Gates sagte am Dienstag in einer Ansprache in Camp Lejeun in North Carolina: "Es ist wichtig, dass sie [die Bedrohung] nicht nur wahrnehmen, sondern auch mit den angebrachten Mitteln dagegen vorgehen." Aktionen gegen die islamistischen Milizen, so Gates, sind "ein Kernstück unserer zukünftigen Partnerschaft mit der Regierung in Islamabad."
Gates Bemerkungen sind Teil einer ganzen Flut von Kommentaren, die von Vertretern der Obama Regierung, Generälen des Pentagon und von Führern des US Kongresses kommen, die die pakistanische Regierung der Beschwichtigung gegenüber den Taliban beschuldigen.
Der unmittelbare Anstoß für den zunehmenden politischen Druck auf Islamabad war der Verlust der Regierungskontrolle über den nordwestlichen Grenzdistrikt Buner an vier bis fünfhundert islamistische Aufständische. Der Bezirk liegt 100 km nordwestlich von Islamabad. Vertreter der US Regierung, angefangen mit Präsidenten Obama selbst, üben nun seit Monaten Druck auf die pakistanische Regierung aus, mehr zur Befriedung Afghanistans beizutragen. Sie behaupten, dass die Grenzregion zwischen den beiden Ländern ein Rückzugsgebiet für die Taliban sei. Wenn die USA den Krieg in Afghanistan gewinnen wollten, müssten sie ihn auch nach Pakistan ausdehnen. Zu den größten Sorgen des Pentagon gehört die wachsende Zahl von Angriffen auf die Versorgungsrouten durch Pakistan, auf denen 80 Prozent der von den US Besatzungstruppen gebrauchten Nahrung, Treibstoffe und Waffen transportiert werden.
Am Mittwoch kritisierte Außenministerin Hillary Clinton die Regierung Pakistans auf das Schärfste für ihr "Einknicken gegenüber den Taliban und den Extremisten."
"Wir können nicht genug die Ernsthaftigkeit der Bedrohung für die Existenz Pakistans als Staat betonen, wenn eine lockere Gruppe von Terroristen und andere, die den pakistanischen Staat zerstören wollen, bis auf eine Entfernung von nur wenigen Stunden auf die Hauptstadt Islamabad vorrückt", sagte Clinton bei einer Anhörung vor dem Außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses aus.
Donnerstag morgen hielt Obama ein Dringlichkeitstreffen mit Clinton, Vizepräsident Joe Biden und Richard Holbrooke, dem Sondergesandten der USA für Afghanistan und Pakistan ab, um die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan sowie die aktuellen Entwicklungen in Pakistan zu erörtern.
In einem Gespräch mit Reportern im Anschluss an das Treffen sagte der Pressesekretär des Weißen Haus, Robert Gibbs, dass die Regierung "äußerst besorgt sei", und fügte hinzu, dass Pakistan "viel Zeit des Präsidenten in Anspruch nimmt." "Was in Pakistan und Afghanistan vor sich geht," sagte Gibbs, "steht im besonderen Fokus der Außenpolitik dieser Regierung."
Mit dem regelmäßigen Einsatz unbemannter Drohnen gegen pakistanisches Gebiet setzt Washington die Strategie einer illegalen einseitigen Aggression fort, die von der Bush-Regierung begonnen worden war. Anfang des Monats scheiterten Holbrooke und der Vorsitzende des amerikanischen Generalstabs, Admiral Mike Mullen, daran, Islamabad zu gemeinsamen Operationen mit US-Streitkräften innerhalb Pakistans zu pressen.
Holbrooke zufolge wird nun Pakistan und nicht Afghanistan ganz oben auf der Tagesordnung eines Präsidentengesprächs stehen, zu dem der amerikanische Präsident, den afghanischen und den pakistanischen Staatschef eingeladen hat. Das Treffen, so Holbrooke, "wurde in einer Atmosphäre geplant, die sich nun beträchtlich verändert hat, und nun konzentriert sich die Aufmerksamkeit vermehrt auf Pakistan."
Im Verlauf der letzten Wochen haben Eingeweihte der Obama Regierung, Generäle des Pentagon und Strategen mit langjähriger Erfahrung wie Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski vermehrt apokalyptische Einschätzungen zu Pakistans Zukunft geäußert. Es wurde wiederholt bedeutet, dass das 170 Millionen Menschen zählende Land, das über Atomwaffen verfügt, an nationalen und ethnischen Konflikten zerbrechen könnte, oder größtenteils, wenn nicht sogar völlig, unter die Kontrolle islamischer Fundamentalisten geraten könnte, die gegen die USA eingestellt sind.
Pakistan ist aus der zutiefst reaktionären, vom britischen Imperialismus vorangetriebenen, Aufteilung des indischen Subkontinents entstanden. Es ist von mehreren miteinander zusammenhängenden Krisen gezeichnet, die von der raubgierigen Politik des US-amerikanischen Imperialismus stark aufgeheizt werden.
Entschlossen, den Krieg in Afghanistan zu gewinnen, um die amerikanische Vorherrschaft über den Ölreichtum Zentralasiens zu sichern, verlangt Washington von Islamabad, seine eigenen Interessen denen der USA immer weiter unterzuordnen. Für die herrschenden Klassen Pakistans bedeutet dies eine doppelte Bedrohung: die Politik, die die USA Pakistan aufgezwungen hat, ist zutiefst unpopulär, da sie ein bereits korruptes und fundamental undemokratisches System weiter diskreditiert und somit soziale Unruhen anheizt; ebenso befindet sich Washingtons in offenem Konflikt mit Pakistans Strategie im Umgang mit seinem Erzrivalen Indien.
Die Besetzung Afghanistans wird von der Mehrheit der pakistanischen Bevölkerung zurecht als Raubkrieg verurteilt - sie müssen sich nur an die enthusiastische Unterstützung erinnern, welche die Bush Regierung dem Regime von General Pervez Musharraf zukommen ließ. Dazu verlangt Washington noch, dass das pakistanische Militär die Grenzregionen unter strengstes Militärrecht stellt. Den brutalen Befriedungsmethoden im Kolonialstil, die das pakistanische Militär in wiederholten Offensiven gegen die Zentral Verwalteten Stammesgebiete (Federally Administered Tribal Areas [FATA]) angewandt hat, schlägt von Seiten der Bevölkerung offener Hass entgegen. Sie stacheln paschtunischen Nationalismus an und verursachen schwerwiegende Spaltungen in den Rängen der Armee, da viele Soldaten aus der paschtunischen Bauernschaft stammen.
Washington steht zudem vollständig hinter den vom IWF diktierten Maßnahmen zur "Stabilisierung" der pakistanischen Wirtschaft, darunter der Abschaffung von Zuschüssen für Energie, Kürzungen von sozialen Ausgaben und Privatisierungen, welche vor allem die Lage der Armen im Land weiter verschlechtern werden.
Die Medien in den USA sind gezwungen zuzugeben, dass Washington bei der pakistanischen Bevölkerung auf Ablehnung stößt, sie können und werden allerdings nicht erklären, warum dem so ist: wegen der amerikanischen Unterstützung einer Reihe von rechten Militärdiktaturen; wegen des Missbrauchs Pakistans als Vasallen seiner geo-politischen Strategie, die bis in die frühen Tage des Kalten Krieges zurückreicht; wegen der zynischen Manipulation von Hilfsgeldern, Einschüchterungen und Drohungen; wegen seinem ständigen Druck nach einem großangelegten Angriff auf die Rebellen in den unwegsamen Weiten Pakistans.
Hillary Clinton ging in ihren Aussagen vor dem Außenpolitischen Ausschuss am letzten Donnerstag indirekt auf die ungerechten sozialen Bedingungen ein, welche die USA in Pakistan aufrechterhalten haben, und die einer der Gründe für die anti-amerikanischen und regierungsfeindlichen Bewegungen in den verarmten Grenzregionen sind. "Die Regierung Pakistans," sagte Clinton, "... muss damit anfangen, staatliche Hilfsprogramme einzuführen, ansonsten werden sie denen unterliegen, die mit der Behauptung auftauchen, sie könnten die Probleme der Leute lösen..."
Pakistanische Regierungsvertreter spielten anfänglich die "Talibanisierung" Buners herunter. Erst letzte Woche stimmte die pakistanische Nationalversammlung einstimmig für eine "friedliche Übereinkunft" mit der islamistischen Miliz, die sich zwei Jahre lang periodische Gefechte mit pakistanischen Sicherheitskräften im benachbarten Swat Valley geliefert hatten. Unter dieser Vereinbarung wird in sechs Distrikten der Malkand Region der Nordwestlichen Grenzregion, darunter Buner, eine strikt islamisch fundamentalistische Form der Scharia aufoktroyiert. Die Übereinkunft ruft die islamistischen Milizionäre im Swat Tal auf, ihre Waffen an die Regierung auszuhändigen. Stattdessen begaben sich die meisten von ihnen seit Donnerstag nach Buner, zwangen Polizisten, Schutz in ihren Dienstgebäuden zu suchen, und übernahmen die Kontrolle über einen wichtigen Schrein.
Als Antwort entsandte die pakistanische Regierung weniger als 150 Grenzwächter. Das erste Kontingent wurde zum Rückzug gezwungen, als es in einen Hinterhalt geriet und zwei Wächter getötet wurden.
Doch am Donnerstag gelobten Regierung und Militär auf Druck von amerikanischer Seite, nicht zuzulassen, dass die Autorität der pakistanischen Regierung herausgefordert wird. Premierminister Yousaf Raza Gilani sagte, dass die Übereinkunft über das Swat Tal noch einmal überdacht werde, falls die Autorität der Regierung weiterhin in Frage gestellt werde. "Wir behalten uns das Recht vor, auf andere Optionen zurückzugreifen, wenn die Talibanisierung weitergeht," so Gilani.
Armeechef General Ashfaq Kiyani gelobte, dass das Militär "den Aufständischen nicht erlauben werde, der Regierung ihre Bedingungen zu diktieren oder der Zivilbevölkerung Pakistans ihren Lebensstil aufzuzwingen". Weiter gab er an, dass die Pause in den Aktionen des Militärs gegen die islamistischen Milizen darauf abziele "versöhnlichen Kräften eine Chance zu geben. Sie sollte nicht als Konzession an die Milizen verstanden werden."
Gleichzeitig wies Kiyani die "Erklärungen ausländischer Mächte, die Zweifel an der Zukunft Pakistans zum Inhalt haben," zurück.
Die pakistanischen Taliban gaben am Freitag bekannt, dass sie sich aus Buner zurückziehen würden, wobei das pakistanische Fernsehen Videos ausstrahlte, die den Abzug bestätigten.
Berichten zufolge wird das pakistanische Militär dennoch in Kürze damit beauftragt, die pro-Taliban Milizen zu entwaffnen und sie aus dem Swat Tal zu vertreiben.
Die Spannungen zwischen den herrschenden Klassen der USA und Pakistans werden jedoch weiter gehen. Der "afghanische Surge" der Obama Regierung - was die Verdoppelung der US Streitkräfte in Afghanistan auf 65 000 Mann bedeutet - wird zu einer bedeutenden Eskalation des Blutvergießens in Afghanistan führen und unvermeidbar auch auf Pakistan übergreifen, und dort die Ablehnung in der Bevölkerung weiter vertiefen.
Darüber hinaus herrscht in den regierenden Kreisen Pakistans nach wie vor Bitterkeit über die strategische Partnerschaft der USA mit Indien. Diese Partnerschaft beinhaltet den Verkauf moderner militärischer Ausrüstung an Indien und die Aufhebung des internationalen Embargos gegen den Handel mit ziviler Atomtechnologie durch Washington, was Neu Delhi erlaubt, sein Atomprogramm auf die Entwicklung von Atomwaffen zu konzentrieren.
Vertreter der Obama Regierung haben wiederholt von Islamabad verlangt, seine Truppen von der Grenze zu Indien zur afghanischen Grenze zu verlegen. Gleichzeitig haben sie öffentlich deutlich gemacht, dass Washington keinerlei Druck auf Indien ausüben werde, Pakistan in der Kaschmirfrage Zugeständnisse zu machen.
Zum Ärger Islamabads ist nun Indien mit voller Unterstützung Washingtons einer der wichtigsten wirtschaftlichen wie militärischen Stützen der afghanischen Marionetten-Regierung. In einer Erklärung, welche die herrschenden Klassen Pakistans in Wut versetzen musste, versicherte Clinton am Mittwoch, dass Indien eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der USA in Afghanistan und Pakistan inne habe. "Die Vereinigten Staaten," so Clinton zum Außenpolitischen Ausschuss, "bauen ihre Beziehungen mit Indien als Teil einer weitreichenden diplomatischen Agenda aus, um den beängstigenden Herausforderungen zu begegnen, an deren Spitze die Situation in Pakistan und Afghanistan steht."