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US-Finanzminister wirbt bei China-Besuch für Obamas Kürzungspolitik

Von Barry Grey
3. Juni 2009
aus dem Englischen (2. Juni 2009)

Der zweitägige Besuch von US-Finanzminister Timothy Geithner in China wirft ein Schlaglicht auf die globale Position des amerikanischen Kapitalismus und auf die von der Obama-Regierung geplante Kürzungspolitik, um der amerikanischen Arbeiterklasse die ganze Last der Krise aufzuerlegen.

Kurz vor Geithners Besuch hatte Peking ein Ende der Rolle des Dollars als Weltreserve- und Welthandelswährung angeregt und vorgeschlagen, ihn durch einen Korb wichtiger Währungen zu ersetzen. China hatte auch angedeutet, den Ankauf von US-Schatzbriefen zurückfahren zu wollen. Geithners wichtigstes Ziel bei seinen Gesprächen mit hohen chinesischen Vertretern besteht darin, Peking zu versichern, dass die Obama-Regierung die chinesischen Wertpapiere schützen, und dazu das Defizit der amerikanischen Bundesregierung verringern werde. Die gegenwärtige Politik, die Finanzmärkte mit Dollars zu überfluten, werde bald ausgesetzt werden.

Geithner erklärte in einer Rede am Montag und in öffentlichen Statements die Strategie der amerikanischen Regierung. Sie werde die Sozialausgaben kürzen und das "frei verfügbare Einkommen" der amerikanischen Bevölkerung dauerhaft reduzieren, sobald das Bankensystem durch das Einschießen von Billionen Dollar öffentlicher Gelder restabilisiert sei.

Damit sollen die Chinesen beruhigt werden, dass ihre riesigen Bestände an Wertpapieren in Dollar - Papiere im Wert von 1,45 Billionen Dollar, darunter 768 Mrd. in Schatzbriefen - nicht infolge v steigender Zinsen und einem scharfen Fall des Dollarkurses massiv an Wert verlieren. China ist jetzt der wichtigste Käufer amerikanischer Schuldverschreibungen und das Funktionieren der total verschuldeten amerikanischen Wirtschaft hängt inzwischen davon ab, dass China weiterhin seine Exporteinnahmen, die zum großen Teil auf dem amerikanischen Markt erwirtschaftet werden, wiederum in Kredite an die amerikanische Regierung investiert.

Geithners Besuch hat den Charakter eines Krisenbesuchs angenommen, nachdem der Kongress für das Haushaltsjahr bis Ende September ein Haushaltsdefizit errechnet hat, das viermal so hoch zu sein verspricht, wie die 455 Mrd. Dollar von 2008. Das entspräche 12,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Das explodierende amerikanische Defizit und die massive Verschuldung der Notenbank Federal Reserve haben den Wert des Dollars in den letzten Wochen nach unten gedrückt und auf den Weltmärkten Besorgnis erregt, ob der Dollar wirklich noch stabil und ob das amerikanische Finanzministerium noch kreditwürdig sei. Daraufhin sind die langfristigen Zinsen in den USA deutlich gestiegen. Dies wiederum verringerte den Wert der chinesischen Dollar-Vermögen. Der Marktwert der Schatzbriefe im Besitz der chinesischen Regierung ist in diesem Jahr schon um fünf Prozent gefallen.

Geithners Reise bietet jetzt das Schauspiel, dass die USA gezwungen sind, die Art von Kürzungspolitik zu geloben, die die USA in den letzten Jahren immer wieder von bankrotten kleineren Ländern gefordert haben. Jetzt muss die amerikanische Regierung versprechen, den Lebensstandard ihrer Bevölkerung anzugreifen, um ihre Währung und die Interessen ihrer Finanzelite zu sichern.

Allein die Tatsache, dass China die privilegierte Rolle des amerikanischen Dollars öffentlich in Frage stellt, ist ein Zeichen für den wirtschaftlichen Niedergang der Vereinigten Staaten. Es ist das erste Mal in der Nachkriegzeit, dass die Rolle des Dollars von einer wirtschaftlichen Großmacht in Frage gestellt wird.

Auf dem Weg nach Peking erklärte Geithner Reportern das wichtigste Thema seiner Reise mit den Worten: "Niemand macht sich um die künftigen Defizite mehr Sorgen als wir."

In seiner Rede an der Universität von Peking sagte er: "Wir müssen unser Haushaltsdefizit auf ein Niveau senken, das mittelfristig haltbar ist. Das bedeutet, dass wir unsere Haushaltsmittel und Ausgaben bis zu einem Punkt runter bringen müssen, - und zwar etwa auf grob gesagt drei Prozent des BIP -, an dem die gesamtstaatliche Verschuldung im Vergleich zum BIP auf jeden Fall zurückgeht."

Er fuhr fort: "Die zeitweiligen Investitions- und steuerlichen Anreize, die wir mit dem Gesetz zur Erholung der Wirtschaft (Recovery Act) gesetzt haben, werden im Verhältnis zum BIP wieder moderater ausfallen müssen. Wir werden sehr diszipliniert sein müssen, wenn es darum geht, zukünftige Verpflichtungen einzugehen. Wir müssen wieder eine Haushaltsdisziplin einführen, und es zur Regel machen nur noch das Geld auszugeben, was eingenommen wird.

Ich will es ganz deutlich sagen: Die Vereinigten Staaten stehen für ein starkes und stabiles internationals Finanzsystem. Die Obama-Regierung erkennt an, dass die Vereinigten Staaten in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung haben, und uns ist klar, dass die Wahrnehmung dieser besonderen Verantwortung zu Hause beginnt."

Geithner machte klar, dass das unter anderem eine dauerhafte Verringerung des Konsums der amerikanischen Bevölkerung bedeutet, das heißt, einen scharfen Rückgang ihres Lebensstandards. Geithner behauptet zwar, dass ein Wirtschaftsaufschwung schon um die Ecke sei, der werde aber keine Erholung des generellen Lebensstandards bringen, sondern vielmehr eine längere Periode von hoher Arbeitslosigkeit und niedrigem allgemeinem Konsum. Er spielte auf die Insolvenz von General Motors am gleichen Tag an und sagte, es werde noch mehr Betriebsschließungen und Entlassungen geben.

"Die Verbraucherausgaben werden in den Vereinigten Staaten noch einige Zeit relativ gebremst sein, wenn man es mit früheren Erholungsperioden vergleicht", sagte er und fügte hinzu: "Das sind notwendige Anpassungen. Sie bedeuten einen längeren und langsameren Erholungsprozess, der in vielen Ländern ein ganz anderes Wachstumsmuster aufweisen wird, als frühere Erholungsperioden...

In den Vereinigten Staaten wird die Sparquote zunehmen müssen und die Ausgaben der amerikanischen Konsumenten dürfen in Zukunft nicht mehr so ausschlaggebend für das Wachstum sein."

Deswegen betonte Geithner, China müsse seine Wirtschaft in Richtung einer Stärkung der Inlandsnachfrage umorientieren und sie unabhängiger von Exporten machen. Er sprach das zwar nicht wörtlich aus, aber die USA haben ein Interesse an einer solchen Entwicklung. Weil die chinesischen Exporte in die USA und andere Länder längerfristig geringer ausfallen werden, hängt die Fähigkeit Chinas, die amerikanische Wirtschaft weiter zu subventionieren, von seiner Fähigkeit ab, Profite im Inland zu generieren

Als Anreiz sagte Geithner zu, die USA wollten auf protektionistische Maßnahmen verzichten und China zu einer größeren Rolle in internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfond verhelfen.

Im Gegenzug erwarte man von China, den USA "größere Möglichkeiten einzuräumen, nach China zu exportieren und in die chinesische Wirtschaft zu investieren. Nur vorsichtig sprach Geithner das umstrittene Thema der Bewertung der chinesischen Währung, des Yuan, an. Amerikanische Konzerne und ihre Sprachrohre im Kongress verurteilen China seit Jahren wegen seiner Politik des niedrig bewerteten Yuan, mit der es die chinesischen Exporte fördern wolle. Geithner selbst hatte bei einer Senatsanhörung zu seiner Bestätigung nur zwei Tage nach der Amtseinführung Obamas im Januar China beschuldigt, seinen Währungskurs zu manipulieren. Dieser Vorwurf implizierte die Drohung mit handels- und währungspolitischen Vergeltungsmaßnahmen.

Diese Drohung wurde schnell wieder fallengelassen als klar wurde, dass die USA um so abhängiger von chinesischem Kapital wurden, je mehr sie ihre Rettungsaktionen für die Wall Street ausbauten und immer größere Milliardensummen in die eingefrorenen Märkte pumpten. Als Außenministerin Hillary Clinton im Februar zum ersten Mal China besuchte, ließ sie den Vorwurf der Währungsmanipulation fallen und appellierte ausdrücklich an China, weiter amerikanische Schatzbriefe zu kaufen. Geithner bläst bei seinem Besuch jetzt ins gleiche Horn, spielt die Währungsfrage herunter und betont stattdessen die "Partnerschaft" mit China.

Vor Geithner hatten in den letzten Wochen schon mehrere amerikanische Politiker Peking besucht, unter ihnen die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Senats, John Kerry, und die Demokratischen und Republikanischen Co-Vorsitzenden der Amerikanisch-Chinesischen Arbeitsgruppe im Repräsentantenhaus.

Am Dienstag wird Geithner den chinesischen Präsidenten Hu Jintao, Premierminister Wen Jiabao und Vizepremier Wang Qishan treffen. Die Chinesen ihrerseits fordern im Gegenzug für den weiteren Kauf von US-Schatzbriefen ein Ende der Beschränkung des Verkaufs von amerikanischer Hochtechnologie an China und einen besseren Zugang für chinesisches Kapital auf den US-Markt.

Hinter den diplomatischen Nettigkeiten wachsen die Spannungen zwischen den beiden Ländern. Das Ausmaß der amerikanischen Wertpapiere im chinesischen Besitz bedeutet für China eine beträchtliche Krise. Die Regierung steht unter Kritik, weil sie die USA subventioniert, während gleichzeitig Betriebe geschlossen und die Arbeitsplätze von mehr als 26 Millionen Wanderarbeitern zerstört werden. Ökonomen fordern zunehmend eine schärfere Politik zur Verminderung der amerikanischen Wertpapiere in chinesischem Besitz.

China Daily zitierte am 31. Mai Wang Jian, den Generalsekretär der Makroökonomischen Gesellschaft Chinas, mit den Worten: "Die Aussichten für den US-Dollar und amerikanische Schatzbriefe sind im Moment nicht gut, und werden langfristig noch schlechter."

Aber jede starke Einschränkung Pekings beim Kauf von US-Schatzbriefen, birgt die Gefahr einer Dollar-Panik, massiver Verluste bei seinen Devisenreserven und den in Dollar gehaltenen Wertpapieren, und des Zusammenbruchs seines wichtigsten Exportmarktes.

China protestierte gegen die Parole "Kauft Amerikanisch" in den Bestimmungen im Konjunkturprogramm der Obama-Regierung. Es wird erwartet, dass Geithner bei seinen Gesprächen mit chinesischen Vertretern zur Sprache bringen wird, dass in den Konjunkturprogrammen Chinas ähnliche "Kauft Chinesisch"-Projekte vorhanden sind.

Die Beziehungen sind auch durch Schritte Pekings angespannt, die Rolle des Yuan im internationalen Handel auf Kosten des Dollars zu stärken. China schließt mit asiatischen und lateinamerikanischen Ländern Abkommen zum Tausch der Währungen, um den Ländern zu ermöglichen, unter Umgehung des Dollars Handel mit Peking zu treiben.

Siehe auch:
Hillary Clinton drängt China zum Kauf weiterer amerikanischer Schatzbriefe
(28. Februar 2009)
Handelsspannungen zwischen den USA und China beginnen zu eskalieren
( 10. Februar 2009)