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Obamas Anordnungen lassen Folter und unbegrenzte Inhaftierung intakt

Von Tom Eley
24. Januar 2009
aus dem Englischen (23. Januar 2009)

Am Donnerstag unterzeichnete Präsident Barack Obama mehrere Regierungsdekrete. Sie beinhalten die Schließung des Gefangenenlagers auf Guantánamo Bay innerhalb eines Jahres und verpflichten die Central Intelligence Agency (CIA) und das Armeepersonal, sich entsprechend des Armeefeldhandbuchs an das Folterverbot zu halten. Außerdem sollen geheime CIA-Gefängnisse im Ausland geschlossen werden.

Die Medien interpretierten diese Erlasse als Absage an die Gefangenen- und Verhör-Praktiken der Bush-Regierung, aber in Wahrheit ändern sie wenig daran. Sie dienen hauptsächlich der Public Relation und sollen nach Jahren von Folter und illegaler Gefangenschaft das Image der Vereinigten Staaten im Ausland aufpolieren. Außerdem sollen dadurch hochrangige amerikanische Politiker vor möglicher Strafverfolgung geschützt werden.

Die unterwürfige Art, in der Obama das Unterzeichnen seiner Erlasse inszenierte, sollte die politische Rechte und Guantánamo-Fraktion beschwichtigen und seine Absicht unterstreichen, am "Krieg gegen Terror" der Bush-Regierung festzuhalten. Er umgab sich mit den sechzehn Generalen und Admiralen im Ruhestand, die sich für die Schließung des Gefangenenlagers auf Kuba eingesetzt hatten, weil sie darin ein Hindernis für die Fortsetzung des globalen "Kriegs" sehen. Obama bekräftigte dabei seine Entschlossenheit, die Außenpolitik der Bush-Administration in den wesentlichen Zügen fortzusetzen.

Mit der Aufrechterhaltung des ideologischen Vorwands für Aggressionskriege und Angriffe auf die demokratischen Grundrechte stellt Obama sicher, dass die Polizeistaatsstruktur, die unter der Bush-Administration errichtet wurde, intakt bleibt. Obama hat schon wiederholt versichert, dass seine Regierung Politiker wie Bush, Cheney, Rumsfeld, Alberto Gonzales und andere, die für die Folterpraktiken und die illegale Gefangenschaft verantwortlich sind, weder vor Gericht stellen noch bestrafen wird.

Die von Obama unterzeichneten Entscheidungen machen die Angriffe der Bush-Regierung auf Verfassungsrecht und internationales Recht nicht rückgängig. Zum Beispiel widerrufen sie nicht das angebliche Recht des Präsidenten, jede Person ohne Prozess und ohne Anklage gefangen zu setzen, indem man sie zum "feindlichen Kämpfer" erklärt. Sie beenden auch nicht die Prozedur, die als "außerordentliche Überstellung" berüchtigt ist, und die darin besteht, dass die Vereinigten Staaten in den Bush-Jahren Terrorismus-Verdächtigte entführt und in fremde Länder verschleppt haben oder sie in geheimen CIA-Gefangenenlagern außerhalb der USA festhalten, wo sie der Folter unterworfen wurden.

Von den Erlassen sind Hunderte Gefangene, die nicht in Guántanamo festgehalten werden, gar nicht betroffen. Allein 600 von ihnen sitzen im Bagram-Gefangenenlager in Afghanistan fest. Falls Guantánamo tatsächlich geschlossen wird, dann kann die US-Regierung Terrorismus-Verdächtige, die sich in ihrem weltweiten Schleppnetz verfangen, einfach in ein anderes, von Amerika geführtes Gefangenenlager überstellen.

In der Frage der so genannten "scharfen Verhörtechniken", die nichts anderes als Folter sind, lassen Obamas Entscheidungen Raum für eine Weiterführung. Gregory Craig, ein Berater im Weißen Haus, sagte Reportern, die Regierung sei bereit, die CIA-Forderung in Betracht zu ziehen, solche Methoden zuzulassen. Obama kündigte die Bildung einer Task Force an, die sich mit neuen Verhörmethoden befassen soll, die über die hinausgehen, die schon vom Armeefeldhandbuch abgesegnet sind. Das Armeefeldhandbuch akzeptiert heute neunzehn Formen der Verhörtechnik, es sieht auch die Praxis der "außerordentlichen Überstellungen" ausdrücklich vor.

Dennis Blair, Admial a.D., der nominierte Geheimdienstdirektor Obamas, sagte vor dem Senat, man werde das Armeefeldhandbuch ändern und möglicherweise neue Formen scharfer Befragung zulassen, aber derartige Veränderungen würden nicht an die große Glocke gehängt.

Obama kündigte außerdem eine zweite Task Force an, die sich mit dem Schicksal der 245 verbleibenden Guantánamo-Häftlinge befassen soll. Anfang der Woche stoppte er die Verfahren vor den Militärkommissionen in dem Gefangenenlager, schaffte aber die Militärkommissionen selbst nicht ab.

Die einzig verfassungsgemäße Art und Weise, mit Menschen umzugehen, die jahrelang ohne Prozess unter barbarischen Bedingungen gefangen gehalten wurden, hat die neue Regierung ausgeschlossen. Diese Menschen hätte man entweder freilassen oder aber sie rasch an ein Zivilgericht überstellen müssen, bei dem sie den üblichen juristischen Schutz und alle Rechte genießen. Es wird viel darüber spekuliert, dass die Regierung im Rahmen des Zivilrechts ein Sondergericht der Nationalen Sicherheit schaffen könnte, vor dem die Fälle von Guantánamo-Häftlingen und anderer beschuldigter Terroristen verhandelt würden. Dies wäre jedoch ein weiterer Angriff auf die Bürgerrechte. Es würde eine Art Standgerichtssystem für Terrorverdächtige schaffen - ein System, das in Zukunft benutzt werden könnte, um politische Opposition zu unterdrücken.

In den Nacht-Nachrichten von NBC wurde am Donnerstag berichtet, dass die Regierung erwägt, etwa zwanzig Guantánamo-Häftlinge weiter unbegrenzt und ohne Anklage in einem Militärbunker innerhalb der USA festzuhalten. Unter ihnen sind auch die fünf angeblichen Verschwörer vom 11. September 2001, die zurzeit vor einer Militärkommission stehen.

Medienkommentatoren weisen darauf hin, dass die Obama-Regierung plant, Terrorismus-Inhaftierte ohne US-Staatsangehörigkeit von den Habeas-Corpus-Rechten auszuschließen.

Zwei Maßnahmen, die am Dienstag und am Donnerstag von Obama ergriffen wurden, weisen darauf hin, dass es ein weiteres wichtiges Motiv gibt, Guantánamo zu schließen und die Folterfrage loszuwerden. Am Donnerstag beantragte die Regierung eine Aussetzung im Fall der Habeas-Corpus-Berufungsklage an das Oberste Gericht, die der zurzeit einzige, auf US-Boden inhaftierte "feindliche Kämpfer", Ali al-Marri aus Katar, eingereicht hatte. Obama hat al-Marri als "gefährlich" bezeichnet. Al-Marris Rechtsanwälte stellen das Recht des Präsidenten in Frage, Personen, die als "feindliche Kämpfer" deklariert werden, zu verhaften und unbegrenzt zu inhaftieren. Die Anhörung vor dem Obersten Gericht sollte Obama zwingen, in dieser Frage Stellung zu beziehen.

Kurz zuvor hatte das Bundesbezirksgericht in Washington am Dienstag einen Antrag auf Aussetzung bei ähnlichen Einsprüchen gestellt, was Auswirkungen auf 200 Guantánamo-Gefangene haben könnte.

So bedeuten die Entscheidungen der neuen Administration unmittelbar die Einstellung von Zivilprozessen, die der Regierung enorm schaden könnten, weil sie die systematische Folter der Gefangenen enthüllen würden. Dies könnte hochrangige Regierungsmitglieder gefährlich in die Bredouille bringen.

Siehe auch:
Obama und Guantánamo
(29. November 2008)
Obamas Antrittsrede: Seichte Plattitüden und der Ruf nach Sparpolitik
( 22. Januar 2009)