Truppenverstärkung der USA in Afghanistan droht Krieg auszuweiten
Von Tom Eley
7. Januar 2009
aus dem Englischen (6. Januar 2009)
Die USA und die Nato planen, neue Versorgungsrouten aus den zentralasiatischen Republiken für ihre Besatzungstruppen in Afghanistan einzurichten. Das berichten die Medien. Damit wird die erwartete Verdopplung des US-Militärs in Afghanistan unter der Obama-Regierung vorbereitet und auf die zunehmenden Angriffe auf die bisherige Hauptversorgungsroute durch Pakistan reagiert.
Gegenwärtig werden mehr als 80 Prozent des gesamten Nachschubs für die amerikanischen und verbündeten Truppen im pakistanischen Hafen Karatschi entladen und von dort nordwärts quer durch Pakistan nach Peschawar transportiert. Nach Afghanistan gelangen die Güter schließlich über den Khyber Pass, die enge Hauptschlagader zwischen den beiden Ländern, die mitten durchs Gebirge führt.
Mit der Zunahme der Opposition gegen das US-Militär bei den afghanischen und pakistanischen Stämmen sind auch die Angriffe auf Nachschubkonvois immer zahlreicher geworden. Bei einem besonders kühnen Angriff stürmten im Dezember hunderte Kämpfer Nachschublager bei der Drei-Millionen-Stadt Peschawar südlich des Khyber Passes. Dabei wurden mehr als 300 Humvees und LKW zerstört, die den Nato-Truppen in Afghanistan geliefert werden sollten.
Das pakistanische Militär hat auf die sich verschlechternde Sicherheitslage mit der Besetzung des Khyber Passes und mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die Stämme in der Region reagiert. Die Anstrengungen Islamabads werden aber wenig dazu beitragen, die Besorgnis Washingtons über die regelmäßige Lieferung von Material für seine Truppen zu lindern. Es ist zweifelhaft ob die pakistanische Armee die Kontrolle in dem Gebiet wiederherstellen kann, wo US-feindliche Kämpfer breite Unterstützung genießen, die auch Sympathien für die Taliban hegen sollen. Darüber hinaus ist das Überleben der pakistanischen Regierung selbst in der Schwebe, weil die zunehmende wirtschaftliche und soziale Krise den Hass in der Bevölkerung gegen die pro-amerikanische Politik der Regierung noch weiter anheizt.
Die Lage im besetzten Afghanistan ist noch schlimmer. Die Karzai-Regierung ist allgemein verhasst und militante Aktionen finden mit zunehmender Häufigkeit ungestraft in allen Teilen des Landes statt. Um ein Beispiel zu geben: Auf den afghanischen Stammesführer Mullah Salam aus Musa Kala, der im vergangenen Jahr seine Unterstützung für Karzai erklärt hatte, wurden mehrere Mordanschläge verübt. Kürzlich griff eine Gruppe von dreißig Kämpfern Salams Haus an und tötete mehr als zwanzig seiner Leibwächter.
Als Ausgleich für die Unzuverlässigkeit ihrer wichtigsten Nachschublinie durch Pakistan und als Vorbereitung auf die Verschärfung des Kriegs in Afghanistan versuchen die USA verstärkt, sich die Zusammenarbeit einiger ehemaliger Sowjetrepubliken entlang der afghanischen Nordgrenze zu sichern, so zum Beispiel Turkmenistans, Usbekistans und Tadschikistans. Weiterhin haben sie versucht Nachschubabkommen mit Kasachstan, der kaspischen Republik Aserbeidschan und mit Russland zu schließen.
Die angestrebte Ausweitung der amerikanischen Nachschublinien für Afghanistan aus Zentralasien und dem Kaukasus ist eine bedrohliche Entwicklung. Sie ist Ausdruck der expansionistischen und hegemonistischen Ziele der USA, die entschlossen sind, ihren militärischen, ökonomischen und politischen Einfluss in Zentralasien auf Kosten seiner Rivalen China, Russland und Iran in der Region zu stärken.
Ein Artikel des indischen Karrierediplomaten M.K. Bhadrakumar ("Alle Wege führen aus Afghanistan") in der Asia Times Online erläuterte das: "Die USA arbeiten mit robusten Mitteln daran, ihre militärische Präsenz im russischen (und chinesischen) Hinterhof Zentralasien zu stärken", schreibt er. "Sie begründen das mit den Erfordernissen der verstärkten Kriegsanstrengungen in Afghanistan."
Einem kürzlichen Bericht der New York Times zufolge versuchen die USA die Erlaubnis besonders der zentralasiatischen Republiken Usbekistan und Tadschikistan mit dem Versprechen zu erwirken, die Lieferungen würden von Privatunternehmen abgewickelt und es würden keine Waffen transportiert. Weiter versucht die Nato eine Vereinbarung mit Russland über die Aufhebung des Waffentransportverbots nach Afghanistan durch seinen Luftraum zu erreichen.
Die Versorgungslinien sind aber nur eine erste Phase. Der Generalstab der russischen Streitkräfte, General Nikolai Makarow, enthüllte kürzlich, "Moskau verfüge über Informationen, dass die USA versuchten, neue Militärstützpunkte in Kasachstan und Usbekistan einrichten zu können." Bhadrakumar zufolge hätte Makarow diese Äußerungen nicht ohne Billigung des Kreml machen können".
Bhadrakumar weist darauf hin, dass die USA vor dem Problem stünden, keine praktikable alternative Landroute zu haben, die nicht über das Gebiet einer rivalisierenden Macht führe - entweder Russlands, Chinas oder des Iran. Die USA könnten auch eine alternative kaspische Route vorbereiten, die von Georgien am Schwarzen Meer durch Aserbeidschan am Kaspischen Meer liefe, und dann durch die zentralasiatischen Staaten. Das könnte auch ein von Russland unabhängiger Weg für Öl und Gas sein und könnte der erste Schritt sein, die Nato in den Kaukasus und nach Zentralasien auszudehnen, wenn die europäischen Mächte zu der Ansicht kämen, sie bräuchten eine von den USA geführte Verteidigung lebenswichtiger Energielieferungen.
Dem Versuch, den amerikanischen Einfluss in Zentralasien zu stärken, gingen mehrere Jahre zurückgehenden Einflusses voraus. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center begannen die USA ihren Raubkrieg gegen Afghanistan. Damals erhielten sie die Unterstützung mehrerer zentralasiatischer Länder. Aber schon bald wurde die amerikanische Position wieder schwächer.
Rivalisierende Organisationen wie die Collective Security Treaty Organization (CSTO) und die Shanghai Cooperation Organization (SCO) gewannen Terrain zurück. 2005 warf Usbekistan die Amerikaner aus dem Land. Im Moment erlaubt nur Kirgisistan den USA einen Militärstützpunkt in seinem Land.
Im Präsidentschaftswahlkampf machte Barack Obama die Ausweitung des Kriegs in Afghanistan zu seiner zentralen außenpolitischen Planke. Damit sprach er für den Teil des politischen Establishments, der zu der Ansicht gekommen war, dass die Konzentration der Bush-Regierung auf den Krieg im Irak auf Kosten der Position in Zentralasien im Wettbewerb gegenüber China und Russland gegangen sei. Die Entsendung von mehr Truppen nach Afghanistan ist in der Zwischenzeit Konsens in der amerikanischen herrschenden Elite.
Der Versuch der USA, ihr Glück in Zentralasien zu wenden, wird von definitiven geostrategischen Interessen getrieben, die unter Obama umso aggressiver vertreten werden. Bushs Verteidigungsminister Robert Gates, der sein Amt in der Obama-Regierung behalten wird, beschreibt in der aktuellen Ausgabe von Foreign Affairs diese Verschärfung des Kriegs.
"Um ehrlich zu sein", schreibt Gates, "im Irak oder in Afghanistan zu scheitern - oder den Eindruck entstehen zu lassen, dass wir gescheitert sind - wäre ein katastrophaler Schlag gegen die Glaubwürdigkeit der USA, sowohl bei unseren Freunden und Verbündeten, wie auch bei möglichen Gegnern... Afghanistan ist langfristig eine in vielerlei Hinsicht noch komplexere und schwierigere Herausforderung, als der Irak. Sie wird ein deutliches militärisches und ökonomisches Engagement der USA über einen längeren Zeitraum erfordern."
Die Aufstockung der US-Präsenz in Afghanistan und in Zentralasien ist eine Warnung, dass die Wirtschaftskrise die geopolitischen Spannungen verschärft und die Gefahr eines noch größeren und zerstörerischeren Kriegs bringt.