Obama-Regierung seit einem Monat im Amt
Von Patrick Martin
24. Februar 2009
aus dem Englischen (23. Februar 2009)
Vor einem Monat wurde Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten ins Amt eingeführt. Der Demokratische Senator errang einen überzeugenden Wahlsieg mit einem Wahlkampf, in dem er sich als Personifizierung des "Wechsels" präsentierte. Er nutzte die weit verbreitete Opposition gegen den Irakkrieg aus und stützte sich auf den Zorn über Bushs ständige Verfassungsverstöße und Verletzung demokratischer Grundrechte, sowie auf die wachsende Sorge über die Wirtschafts- und Finanzkrise. Dreißig Tage nach Obamas Einzug ins Weiße Haus ist es angemessen, eine vorläufige Bilanz zu ziehen.
Obama übernahm sein Amt unter Bedingungen einer tiefen, weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Wirtschaftspolitik, die im Zentrum seiner ersten dreißig Tage im Amt stand, besteht aus einer Reihe von Initiativen, die das Profitsystem stützen und die wirtschaftliche Dominanz der riesigen Banken und Milliarden schweren Investoren sichern sollen. Dies geht nur auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung.
* Das Konjunkturprogramm: Es besteht aus einem 787 Milliarden Dollar schweren Notprogramm, das den völligen Zusammenbruch der Konsumnachfrage und den Bankrott von Staatsregierungen und Kommunalverwaltungen verhindern soll. Die Wirtschaft profitiert von Steuererleichterungen und Aufträgen für Ausbau- und Erhaltung der Infrastruktur, und viele Familien mit höherem Einkommen erhalten Steuernachlässe von über 2.000 Dollar. Hingegen erhalten die meisten Arbeiter nur ein Steuergeschenk von minimalen 400 Dollar.
* Das Bankenrettungsprogramm, das vergangenen Herbst mit Obamas Stimme verabschiedet wurde, geht in die zweite Runde. Es stellt der Finanzelite jetzt weitere 350 Milliarden Dollar zur Verfügung. Von diesem Geld werden erneut direkte Überweisungen an die Banken, Hedge-Fonds und andere Kreditinstitute bestritten, z.B. mit dem Programm TALF, das niedrig verzinste Kredite über eine Billion Dollar bereitstellt. Sie sind für Hedge Fonds und andere Spekulanten bestimmt.
* Das Rettungspaket für die Autoindustrie, (das aus Geldern aus dem Bankenrettungspaket finanziert wird), fordert als Bedingung für neue Kredite an GM und Chrysler die Zerstörung des Lebensstandards, den sich Generationen von Autoarbeitern erkämpft haben. Löhne, Renten und Krankenversicherung werden zusammengestrichen. Die Autoarbeitergewerkschaft UAW jedoch bleibt als Polizeitruppe gegen die Basis erhalten.
* Das Krisenprogramm für den Wohnungsbau, das Obama am 18. Februar angekündigt hat, bietet nur einem relativ geringen Teil der Millionen Hausbesitzer, die in Kürze von Zwangsversteigerung bedroht sind, eine gewisse Erleichterung. Die Bestimmungen sind sorgfältig so formuliert, dass vor allem die Profitinteressen der Hypothekenfinanzierer garantiert werden. Business Week überschrieb einen Bericht darüber mit "Eine Hypothekenrettung, mit der die Banken zufrieden sein können".
Obama versucht, die Klassenorientierung der neuen Regierung mit seinen rhetorischen Sympathiebekundungen für die arbeitende Bevölkerung zu kaschieren. Der Klassencharakter trat jedoch deutlich zutage, als sich Obamas Vertreter mit Händen und Füßen gegen Maßnahmen wehrten, durch die Gehälter und Boni von Wall Street Chefs, deren Firmen Staatsgelder erhalten, begrenzt worden wären. Als der Kongress eine moderate Deckelung der Boni in das Konjunkturprogramm hineinschrieb, machte das Weiße Haus klar, dass es sich für eine Rücknahme der Maßnahme stark machen werde. Das hält die Regierung aber nicht davon ab, als Voraussetzung für eine Rettung der Autoindustrie eine massive Senkung der Löhne und Sozialleistungen bei einfachen Arbeitern zu fordern.
In der Außenpolitik hat die neue Regierung nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die aggressive und militaristische Politik der Bush-Regierung fortsetzen werde. Die deutlichste Maßnahme Obamas in dieser Richtung war sein Befehl vergangene Woche, 17.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Am Ende dieser Eskalation könnte sich die Zahl der amerikanischen Soldaten in jenem Land glatt verdoppelt haben. Das amerikanische Militär unternimmt weiterhin provokative Raketenschläge gegen das benachbarte, mit Atomwaffen bewaffnete Pakistan. Diese Angriffe fordern eine zunehmende Zahl von zivilen Opfern.
Was Obamas Wahlversprechen betrifft, die amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak zurückzuziehen, hat sich hingegen nichts getan. Schon wenige Wochen nach der Wahl am 4. November signalisierte Obama die Absicht, die Besetzung des Landes fortzusetzen, als er Verteidigungsminister Robert Gates, den Architekten der "Surge"-Politik im Irak, aus der Bush-Regierung übernahm. Bis heute wurden noch keine Truppen zurückgezogen, und amerikanische Offiziere, unter ihnen der Oberkommandierende im Irak, General Raymond Odierno, haben Obamas Versprechen, die Kampftruppen innerhalb von sechzehn Monaten abzuziehen, als unrealistisch abgetan.
Außerdem setzt die Obama-Regierung das Säbelrasseln gegenüber Nordkorea und dem Iran fort und unterstützt unbeirrt die Gewalt Israels im Gazastreifen und der Westbank.
Was demokratische Rechte angeht, so hat Obama schon nach wenigen Tagen öffentlichkeitswirksam angeordnet, das Gefangenenlager Guantánamo Bay bis Ende des Jahres zu schließen. Seitdem hat die Regierung aber an mehreren Beispielen gezeigt, dass sie die grundlegende Prämisse von Bush und Cheney unangetastet lässt, die darin besteht, dass alle Angriffe auf demokratische Rechte mit dem "Kampf gegen den Terror" gerechtfertigt werden können.
Präsidentenverfügungen haben die CIA ermächtigt, mit der Praxis der "Renditions" (Überstellungen) fortzufahren. Das bedeutet, dass Personen, die von US-Geheimdiensten gefangen genommen wurden, entgegen internationalem Recht in Drittländer transportiert werden, wo sie "verhört", d.h. gefoltert werden.
In den ersten drei Gerichtsfällen, in denen unter Obamas Präsidentschaft gegen die Politik der Bush-Regierung im "Krieg gegen den Terror" geklagt wurde, hat die neue Regierung die bisherige Praxis verteidigt. In zwei Fällen in Kalifornien hat sich die Obama-Regierung auf die Wahrung von Staatsgeheimnissen berufen. In einem dritten hat sie ein Gericht aufgefordert, die Klage der Gefangenen abzuweisen, die ohne Prozess und Anklage im Lager der Luftwaffenbasis Bagram in Afghanistan festgehalten werden. Die Bedingungen dort sollen schlimmer sein als in Guantánamo.
Dazu kommt eine harte Linie gegen Einwanderer aus der Karibik. Die jüngste grausame Entscheidung betrifft Tausende Flüchtlinge aus Haiti, die letztes Jahr durch eine Serie von Hurrikanen ihre Existenzgrundlage verloren hatten und jetzt abgeschoben werden sollen. (Nicht weniger bezeichnend ist, dass die neue Regierung nicht beabsichtigt, eine Pfennig mehr für die Opfer der Hurrikane Katrina und Rita an der Golfküste locker zu machen.)
Das führende Personal der Obama-Regierung wird aus den gleichen Schichten rekrutiert wie das der Bush-Regierung vorher. Das betrifft besonders die Schichten der Finanzelite, die am engsten mit der spekulativen Manie der Wall Street verknüpft sind. Es geht so weit, dass Personen eingebunden sind, die direkt in den Finanzzusammenbruch verwickelt sind, wie Finanzminister Timothy Geithner, vormals Gouverneur der New Yorker Federal Reserve Bank und Schlüsselfigur bei der Ausarbeitung der gescheiterten Bankenrettungsprogramme der Bush-Regierung vom vergangenen Jahr.
Obama genießt die Unterstützung eines bedeutsamen Teils der amerikanischen Milliardäre, wie Warren Buffet, George Soros, der Familien Pritzker und Crown in Chicago und vieler anderer mehr. Andererseits nahm er in den Vorwahlen und im Präsidentschaftswahlkampf eine populistische Haltung ein und versuchte, mit Hilfe seines multikulturellen Hintergrunds den Eindruck zu erwecken, als hätte er Verständnis für die Bedürfnisse der Arbeiterklasse, junger Menschen und unterdrückter Minderheiten.
Es ist aber bemerkenswert, dass Obama nicht eine einzige Person in ein hohes Amt gebracht hat, die glaubhaft als Vertreter der breiten Bevölkerung gelten und deren Unzufriedenheit artikulieren könnte. Sein Kabinett rekrutiert sich vollkommen aus dem politischen Establishment. Im Gegensatz zu ihrer populistischen Prahlerei bemüht sich die Regierung intensiv um "Überparteilichkeit" in dem Sinne, dass sie selbst Republikaner ins Kabinett aufnimmt. Sie bemüht sich, die diskreditierten Überreste der Ultrarechten überall mit einzubinden, von der Gestaltung der Inaugurationsfeierlichkeiten bis hin zur Ausarbeitung des Konjunkturpakets.
Diese Tatsachen widerlegen das Bemühen von Liberalen, wie des Magazins Nation, die neue Regierung als Ausdruck der Bevölkerungsopposition gegen Bush und die Rechten zu präsentieren. Die Obama-Regierung vertritt wichtige Teile der herrschenden Klasse, die durch das Scheitern der Bush-Regierung und durch das Finanzdebakel erschüttert sind. Sie versuchen damit, die amerikanische Bevölkerung durch blumige Rhetorik einzulullen, während sie gleichzeitig mit aller Kraft daran arbeiten, die Position der Finanzaristokratie im In- und Ausland zu schützen.
Die Obama-Regierung beweist die Unmöglichkeit, eine wirkliche Veränderung im Rahmen der bestehenden politischen Einrichtungen des Zwei-Parteien-Systems zu erreichen, denn hier dominieren zwei Machtfaktoren: der Militär- und Geheimdienstapparat und die führenden Finanzinteressen.
Arbeiter und Jugendliche, die einen Ausweg aus der Zwangsjacke der kapitalistischen Politik suchen, sollten sich der Socialist Equality Party anschließen und sie als unabhängige Partei der Arbeiterklasse aufbauen. Auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms muss eine Massenopposition gegen das Profitsystem aufgebaut werden.