Erneute US-Drohungen gegen den Iran
Von Peter Symonds
6. Mai 2008
aus dem Englischen (1. Mai 2008)
Während einer Pressekonferenz am Dienstag sprach US-Präsident George Bush erneut Drohungen gegen den Iran aus. Zum Anlass nahm er Informationen, die die CIA in der letzten Woche über einen angeblichen syrischen Atomreaktor verbreitet hatte. Er warnte sowohl Syrien als auch Nordkorea, das angeblich beim Bau der Anlage mitgeholfen hat, und erklärte, dass die USA "Iran - und übrigens auch der ganzen Welt - klar machen wollen, wie destabilisierend eine Ausbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten sein würde".
Bush formulierte seine Drohung an den Iran nicht offen, aber die Umstände machten mehr als deutlich, worin die Botschaft bestand. Im letzten September zerstörten israelische Kampfflugzeuge die Anlagen in einem unprovozierten Aggressionsakt, der einen umfassenderen Krieg hätte auslösen können. Die US-Regierung, die zweifellos grünes Licht für diesen Angriff gegeben hat, verbreitete letzte Woche unbestätigte Meldungen, wonach die Anlagen angeblich einen noch unfertigen Reaktor umfassten und Syrien versucht habe, eine Atombombe zu bauen. Die unausgesprochene Drohung Richtung Teheran war klar: Die USA und Israel sind bereit, auch die iranischen Atomanlagen zu zerstören.
Keine der israelischen und US-amerikanischen Geheimdienstinformationen, die letzte Woche veröffentlicht wurden, enthielten Hinweise, dass Teheran an Syriens angeblichen Plänen für einen Atomreaktor beteiligt war. Warum wurde also Iran besonders erwähnt? Was die Verbreitung von Atomtechnologie angeht, so ist Israel das einzige Land in der Region mit einem Arsenal an Atomwaffen, und die US-Verbündeten in der Region - Saudi Arabien, Ägypten und die Türkei - haben alle Pläne für den Bau von Atomreaktoren angekündigt. Mit der speziellen Erwähnung des Iran unterstreicht Bush nicht nur den heuchlerischen Charakter seines Standpunkts, sondern bekräftigt, dass Teheran ganz oben auf der Liste der US-Angriffsziele steht.
Die "Botschaft" an den Iran fiel mit der Ankunft eines zweiten amerikanischen Flugzeugträgers - der USS Abraham Lincoln - im persischen Golf zusammen. Zur begleitenden Kampfgruppe gehören zwei Zerstörer mit Fernlenkwaffen - die USS Momsen und die USS Shoup. Die USS Harry Truman hat den Golf verlassen, bleibt aber in dem Gebiet, das vom US-Zentralkommando befehligt wird, das den Nahen Osten und Zentralasien umfasst.
Verteidigungsminister Robert Gates spielte den Aufmarsch herunter und erklärte, er sei seit langer Zeit geplant. "Ich denke nicht, dass wir dort zwei Flugzeugträger über eine längere Zeit haben werden. Deshalb sehe ich das nicht als Eskalation an", erklärte er, fügte aber demonstrativ hinzu, dass man es als "eine Mahnung" an den Iran sehen könne. Letzten Freitag brandmarkte der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Admiral Michael Mullen, den "in wachsendem Maße tödlichen und unheilvollen Einfluss" Teherans im Irak und betonte, dass "es ein Fehler sei, wenn sie [der Iran] glauben, dass wir keine Kampfkraft mehr besitzen".
Die Möglichkeit einer US-Marine-Provokation wurde im Januar deutlich, als die Bush-Regierung bewusst die Bedeutung eines Zusammenstoßes zwischen US-Kriegsschiffen und iranischen Schnellbooten aufblähte. Auf der Grundlage eines äußerst fragwürdigen Berichts über den Vorfall beschuldigte Bush den Iran eines "provokativen Akts" und warnte vor "gefährlichen Folgen", wenn Kriegsschiffe angegriffen würden.
Am letzten Freitag feuerte eine Gruppe von Marine-Sicherheitsbeamten an Bord eines Frachters - der Westward Venture, die vom Militär angemietet worden war - Warnschüsse auf zwei nicht identifizierte Schiffe ab, die sich dem Frachter näherten. Die Schiffe verließen nach Angaben der US-Marine das Gebiet nach "einigen Maschinengewehrsalven". Anfang des Monats, behauptete das US-Militär, hätten sich drei kleine iranische Schiffe dem Patrouillenschiff USS Typhoon auf "provokative Weise" genähert - eins davon bis auf 200 Meter - bis sie gewarnt wurden. Offizielle iranische Stellen haben die Anschuldigungen der USA zurückgewiesen.
Mullens Bemerkungen über Teherans "tödlichen und unheilvollen Einfluss" im Irak sind eine weitere dieser unbegründeten Anschuldigungen, wie sie immer wieder als möglicher Vorwand für einen Angriff auf den Iran wiedergekäut werden. Washington prangert Iran zwar an, weil es so genannte Spezialeinheiten bewaffnet und ausbildet, um das US- und das irakische Militär im Irak anzugreifen, der einzige Beweis jedoch, der bis heute vorgelegt wurde, sind im Iran gefertigte Waffen, die angeblich von der Quds Force des Iranian Revolutionary Guard Corp (IRGC) [iranische revolutionäre Garden] geliefert wurden.
Mehrere US-Zeitungen haben jetzt berichtet, dass der amerikanische Oberbefehlshaber im Irak, General David Petraeus, angeordnet hat, ein neues "Dossier" über die Einmischung des Iran im Irak zusammenzustellen. Den Schilderungen ist zu entnehmen, dass die neuen Beweise jedoch nicht überzeugender sein werden als die alten: Waffen, die im Iran hergestellt wurden, die aber schwerlich die direkte Einmischung des iranischen Regimes in einer Region beweisen, wo es vor illegalen Waffenmärkten nur so wimmelt.
Letzte Woche wurde angekündigt, dass General Petraeus Admiral William Fallon als Chef des US-Zentralkommandos ersetzen wird. Fallon trat letzten Monat zurück, nachdem er sich kaum verhüllt gegen die ständigen Drohungen der Bush-Regierung mit Militärschlägen gegen den Iran geäußert hatte. Petraeus, der eine zentrale Rolle bei der Strategie der "Offensive" im Irak gespielt hat, machte seine kriegerische Haltung in einer Aussage vor dem Kongress Anfang des Monats klar, als er erklärte, der Iran sei "verantwortlich für den Tod von Hunderten amerikanischer Soldaten".
Die Zeitschrift Asia Times berichtete letzten Freitag, dass Petraeus schon seit Monaten quasi der Oberbefehlshaber sei. Er hat seit letztem September fünf Länder des Nahen Ostens besucht - Jordanien, Kuwait, Bahrain, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate - eine Aufgabe, die normalerweise von Fallon hätte erledigt werden müssen.
Eine Welle von Drohungen
Der Iran wird inzwischen wegen Allem und Jedem beschuldigt und bedroht, angefangen von der "Einmischung" im Irak und seinem angeblichen Atomwaffenprogramm bis zu Teherans Verbindungen zur libanesischen Schiiten-Organisation Hisbollah und der palästinensischen Hamas, die von Washington als "terroristisch" eingestuft werden. Jeder in der Bush-Regierung und im Pentagon scheint dieselben Töne anzuschlagen.
Am Sonntag beschuldigte der US-Militärsprecher Konteradmiral Patrick Driscoll Iran erneut, Gruppen zu bewaffnen und auszubilden, die aus dem Bagdader Stadtteil Sadr City, Raketen abschießen. Ohne auch nur den geringsten Beweis vorzulegen, erklärte er: "Die Iraner bilden immer noch Iraker aus und finanzieren ihre Netzwerke, und im Laufe der Zeit wird das immer mehr zunehmen... Wenn sie das eine Zeitlang fortsetzen, dann wird das zu einem größeren Einfluss führen und das wird eine größere Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iraks bedeuten."
Am Montag entwarf CIA-Direktor Michael Hayden das Schreckgespenst eines mit Atomwaffen bestückten Syrien, um den Angriff der Israelis vom letzten September zu rechtfertigen. Es wurden keine überzeugenden Beweise veröffentlicht, die zeigten, dass das zerstörte Gebäude ein Reaktor war und dass er kurz vor der Fertigstellung stand. Die CIA hat nicht erklärt, woher Damaskus Kernbrennstoff bekommen sollte oder einen Beweis dafür vorgelegt, dass Syrien eine Bombe bauen wollte. Und dennoch behauptet Hayden: "Im Verlauf eines Jahres, nachdem sie ihn voll bestückt hätten [den Reaktor hochgefahren hätten], hätten sie genug Plutonium für eine oder zwei Atomwaffen produziert." Die Bemerkung bezog sich nicht so sehr auf Syrien, sondern auf den Iran, der sich weigert, die Forderungen der USA zu erfüllen und seine Urananreicherungs-Anlagen zu schließen und den Bau eines Forschungsreaktors zu stoppen.
Am selben Tag forderte US-Botschafter Zalmay Khalilzad in einem Bericht vor dem Sicherheitsrat der UNO, dass "Iran und Syrien ... ihre Waffenlieferungen und Einschleusung von fremden Kämpfern in den Irak sowie ihre niederträchtige Einmischung in den Irak beenden müssen". Er wiederholte Beschuldigungen, die Quds Force [iranische revolutionäre Garden] würde weiterhin "illegale Gruppen im Irak bewaffnen, ausbilden und finanzieren" und erklärte: "Diese tödliche Hilfe stellt eine erhebliche Bedrohung der irakischen und der multinationalen Streitkräfte und der Stabilität und Souveränität des Iraks dar."
Am Dienstag stellte sich US-Außenministerin Condoleezza Rice in Bemerkungen vor dem amerikanisch-jüdischen Komitee voll hinter die Weigerung Israels, mit der Hamas zu verhandeln, und erklärte: "Es ist zutiefst beunruhigend, dass die Führer der Hamas einen Stellvertreter-Krieg für das iranische Regime führen, das die Region destabilisiert, eine Nuklearstreitmacht anstrebt und die Absicht verkündet, Israel zu zerstören." Sie spielte auf einen "Gürtel des Extremismus" an, der von der Hamas und der Hisbollah bis in den Irak und nach Afghanistan reiche, der "in überwiegendem Maße vom Iran und in gewissem Maß auch von Syrien, aber speziell vom Iran unterstützt wird". "[Das] gibt dem Konflikt eine regionale Dimension, die er vorher nicht hatte", warnte Rice.
Am Dienstag veröffentlichte das amerikanische Außenministerium einen Bericht, in dem der Iran als "aktivster" und "bedeutendster" Unterstützer des Terrorismus gebrandmarkt wird. Obwohl auch Syrien, Nord-Korea, Kuba und der Sudan genannt werden, hebt der Bericht Irans angebliche Unterstützung für den "Terrorismus" hervor und behauptet, er ziele darauf ab, "die Angriffe der USA oder Israels aufzuhalten, die USA abzulenken und zu schwächen und den regionalen Einfluss des Irans durch Einschüchterung zu vergrößern und die USA aus dem Nahen Osten zu vertreiben".
Das stärker werdende Trommelfeuer amerikanischer Propaganda zeigt eine unheilvolle Ähnlichkeit mit den Lügen, mit denen die illegale Invasion des Iraks im Jahr 2003 gerechtfertigt wurde. Die Technik der großen Lüge - die unaufhörliche Wiederholung von unbegründeten Beschuldigungen als Tatsachen - wird erneut angewandt. Dem Dossier über Syriens Atomreaktor soll ein weiteres Dossier über die iranische Einmischung im Irak folgen. Die rechten Verbündeten der Bush-Regierung verkünden bereits, dass das Weiße Haus auf Irans "Stellvertreter-Krieg" gegen die USA im Irak reagieren muss.
Kriegspläne werden entgestaubt und neu entworfen. In seinen Bemerkungen vom letzten Freitag enthüllte der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs Admiral Michael Mullen, dass das Pentagon "mögliche Militärschläge" gegen den Iran plane. Ein Artikel in der Samstagsausgabe der New York Times berichtet, dass "die Regierung in der Tat diskutiert hat, ob sie Trainingslager, geheime Unterschlupfe und Waffenlager im Irak angreifen solle", die benutzt werden, um irakische Aufständische auszubilden. Die Zeitung behauptet, US-Militärschläge gegen den Iran stünden "zur Zeit" nicht auf der Tagesordnung.
CBS News brachte jedoch am Dienstag einen ernüchternden Bericht, der erkennen lässt, dass der Zeitrahmen für Angriffe gegen den Iran sehr kurz sein könnte. Der Artikel zitiert einen US-Offizier und erklärt, dass das Pentagon befohlen habe, neue Alternativen für einen Angriff auf den Iran zu entwickeln. "Ziele wären dann alles von Fabriken, in denen Waffen produziert werden, bis zu den Führungszentralen der Organisation, bekannt als Quds Force, die Operationen im Irak durchführt", fügt sie hinzu.
CBS berichtet: "Ende der Woche soll der irakische Premierminister Nouri al-Maliki die Iraner mit Beweisen für ihre Einmischung konfrontieren und ein Ende der Einmischung verlangen. Wenn das nicht zu Ergebnissen führt, hat das Außenministerium ein Ultimatum aufgesetzt, dass von den Iranern verlangt, Schluss zu machen - oder sonst..."
Ein Pentagon-Sprecher hat den Bericht offiziell dementiert. Es gibt jedoch keinen Zweifel, dass die gegenwärtige Propagandakampagne gegen den Iran in eine Richtung weist: Und zwar in die Gefahr, dass die Bush-Regierung einen weiteren kriminellen Angriffskrieg im Nahen Osten beginnt, um die amerikanischen wirtschaftlichen und strategischen Interessen in der energiereichen Region zu stärken.