Lehren aus der Betriebsbesetzung in Chicago
Von Joe Kishore
13. Dezember 2008
aus dem Englischen (12. Dezember 2006)
Am späten Mittwochabend beendeten die 250 Arbeiter der Glasfirma Republic Windows and Doors die fünftägige Besetzung ihres Betriebs in Chicago, nachdem sie ihre wichtigsten Forderungen durchgesetzt hatten.
Der Arbeitskampf der Republic-Arbeiter war ein enormer Fortschritt. Es war der erste unabhängige Schritt eines Teils der Arbeiterklasse in den USA gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Die Arbeiter zeigten Mut und Entschlossenheit und machten klar, dass sie die Fabrik nicht ohne das Geld verlassen würden, das ihnen zustand.
Der Kampf dieser Arbeiter wurde schnell im ganzen Land - und sogar weltweit -zum Symbol eines gewaltigen Zorns. Er kündigte den Widerstand gegen Massenentlassungen und eine Regierungspolitik an, die Billionen Dollar an die Banken und Finanzinstitute aushändigt, während Hunderttausende einfache Arbeiter ihre Arbeitsplätze verlieren. Die Besetzung fand in ganz Amerika breite Unterstützung.
Als die Arbeiter am Mittwochabend den Betrieb verließen, hatten sie das Gefühl, als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen. Jeder Arbeiter wird etwa 6.000 Dollar erhalten. Darin ist eine Abfindung in Höhe von acht Wochenlöhnen, aufgelaufene Urlaubszeiten und Krankenversicherungsbeiträge für zwei Monate enthalten.
Doch dieses Ergebnis, als Durchsetzung der unmittelbaren Forderungen durchaus ein Sieg für die Arbeiter, hat doch einen bitteren Beigeschmack. Es ändert nichts daran, dass die Republic-Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren, und das in einer Situation, wo es keine vernünftigen Alternativarbeitsplätze gibt. In zwei Monaten werden sie keine Krankenversicherung mehr haben. Die amerikanische und die Weltwirtschaft sind gerade dabei, in die tiefste Wirtschaftskrise seit der großen Depression zu schliddern, und die Republic-Arbeiter werden - wie Millionen weiterer Arbeiter im ganzen Land - ohne einen sicheren Arbeitsplatz und ohne soziale Absicherung dastehen.
Der Kampf war von Anfang an begrenzt, da er sich nicht gegen die Schließung der Fabrik richtete. Aber das ist nicht die Schuld der Arbeiter, sondern die Verantwortung dafür trägt die Führung der United Electrical Workers (UE). Die Gewerkschaftsbürokratie versuchte zu keinem Zeitpunkt, die Schließung des Betriebes zu verhindern. Sie tat was sie konnte, um den Widerstand der Arbeiter in die Kanäle der Demokratischen Partei zu lenken.
Zur Finanzierung der Einigung trägt die Bank of America, der wichtigste Kreditgeber von Republic, 1,35 Millionen Dollar bei, weitere 400.000 Dollar werden von JP Morgan Chase, die vierzig Prozent der Anteile an der Firma hält, beigesteuert.
Bank of America und JP Morgan, zwei der größten Banken der Vereinigten Staaten, haben jeweils 25 Milliarden Dollar aus dem 700 Milliarden Dollar schweren Bankenrettungsfond vom Oktober erhalten. Das ist bei der Bank of America das 20.000-fache der Summe, die die Bank bereit war, für die Arbeiter von Republic bereit zu stellen. Diese Summe ist nur ein Bruchteil des Jahreseinkommens der wichtigsten Bankvorstandsmitglieder.
Die Banken nutzen das Geld aus dem Rettungspaket, dessen Notwendigkeit mit der "Rettung von Arbeitsplätzen" begründet wurde, nicht dazu, um wieder mehr zu verleihen, sondern um die Löcher in ihren Bilanzen zu stopfen und Zukäufe zu tätigen. Sie haben sogar die Vernichtung Tausender Arbeitsplätzen in ihren eigenen Firmen angekündigt, seit sie von der Regierung Steuergelder ausgehändigt bekommen haben. Die Republic-Arbeiter sagten dazu: "Sie wurden herausgehauen, wir wurden ausverkauft."
Die Besetzung von Republic überraschte und erschreckte die amerikanische Wirtschafts- und Politikelite. Sie ist sich durchaus im Klaren, dass der offensichtliche Klassencharakter des Billionen schweren Rettungspakets für die Wall Street weit verbreiteten Unmut auslöste. Mit der Besetzung ihres Betriebes stellten die Arbeiter zudem implizit die Grundlage der kapitalistischen Herrschaft - das Privateigentum an den Produktionsmitteln - in Frage. Die herrschende Klasse hat sich daran gewöhnt, ihre Forderungen ohne großen Widerstand durchzusetzen. Allein schon die Tatsache, dass Arbeiter ihren Betrieb besetzen müssen, um überhaupt das Geld zu bekommen, das ihnen zusteht, sagt über den Zustand der Klassenbeziehungen in den Vereinigten Staaten eine Menge aus.
Die Initiative einiger hundert Arbeiter einer relativ kleinen Firma in Chicago drohte etwas viel Größeres auszulösen. Mehrere Politiker der Demokraten und auch der künftige Präsident Obama versicherten die Arbeiter ihrer Unterstützung. Der schnelle Abschluss entspricht dem Wunsch dieser Kreise, einen breiteren Kampf tunlichst zu vermeiden und ihn einzugrenzen, bevor er außer Kontrolle gerät.
Die Entschlossenheit der Republic-Arbeiter steht in starkem Kontrast zum Bankrott der Autoarbeitergewerkschaft UAW. Diese hat neuen, massiven Zugeständnissen bei den Autokonzernen zugestimmt, ohne auch nur den Anschein eines Widerstands erkennen zu lassen.
Die Republic-Arbeiter haben mit ihrer Aktion gezeigt, dass ein offener Widerstand der Arbeiterklasse nicht deshalb fehlt, weil es den Arbeitern an Entschlossenheit mangelt. Seit drei Jahrzehnten haben die Gewerkschaften jeden unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse rücksichtslos unterdrückt. Wenn solche Kämpfe ausbrachen, dann wurden sie jedes Mal von der Gewerkschaftsführung isoliert und verraten.
Der Kampf bei Republic ist ein erstes Anzeichen für einen Aufschwung des internationalen Klassenkampfs. Dieser Kampf erwächst unaufhaltsam aus den Widersprüchen und der Krise des kapitalistischen Systems selbst. Er knüpft an militante Traditionen der amerikanischen Arbeiterklasse an, die Jahrzehnte bis zu den großen Betriebsbesetzungen der 1930er Jahre zurückreichen.
Die grundlegende Frage, die sich in den USA und weltweit Millionen Arbeitern stellt, ist die Frage politischer Perspektiven. Arbeiterforderungen gegen die Wirtschaftskrise dürfen sich nicht auf einen Kampf für Abfindungen beschränken, der die Arbeiter letztlich der Arbeitslosigkeit überlässt. Sie müssen sich direkt gegen Betriebsschließungen, Entlassungen, Lohnkürzungen und alle Versuche wenden, der Arbeiterklasse die Folgen der Krise aufzubürden. Ihr Kampf muss auf einen globalen Kampf für Arbeitsplätze und einen anständigen Lebensstandard für alle ausgeweitet werden.
Ein solcher Kampf wirft sofort die Frage auf, wer die Produktivkräfte kontrolliert und welches Prinzip ihren Einsatz bestimmt. Die Frage, die die Besetzung bei Republic implizit aufwarf - die Frage des kapitalistischen Privateigentums - muss auf der Grundlage einer neuen politischen Perspektive bewusst aufgegriffen werden.
Die Arbeiter bei Republic wurden letztlich entlassen, weil ihre Arbeitskraft nicht mehr profitabel ausgebeutet werden konnte. Sie brachte für die Interessen der winzigen Schicht der Bevölkerung, die den allergrößten Teil des weltweiten Reichtums kontrolliert, keinen Nutzen mehr. Obwohl es Millionen Menschen immer schlechter geht, werden die Produktivkräfte, die benötigt werden, um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen, zurück geschraubt oder ganz stillgelegt. Die wichtigsten Produktivkräfte und die riesigen Finanzinstitute dürfen nicht länger in der Hand privater Eigentümer bleiben und dem privaten Profit dienstbar gemacht werden.
Sie müssen enteignet, in öffentliches Eigentum überführt, und unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. Das erfordert den Bruch mit den Parteien der Wirtschaft und die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, um für eine Arbeiterregierung zu kämpfen.
Der Kampf der Republic-Arbeiter hat - wenn auch nur in Ansätzen - die gesellschaftliche Kraft der Arbeiterklasse gezeigt und die Auffassung bestätigt, dass die objektive Krise die Arbeiterklasse in Kämpfe werfen und die Bedingungen für die Herausbildung von sozialistischem Bewusstsein schaffen wird. Die entscheidende Frage ist der Aufbau der Socialist Equality Party als neue Führung der Arbeiterklasse.