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Eine sozialistische Strategie gegen Militarismus und Krieg

Partei für Soziale Gleichheit
8. September 2007

Der folgende Text wird am 15. September auf der Anti-Kriegsdemonstration in Berlin als Flugblatt verteilt. Er kann auch im PDF-Format herunter geladen werden.

Ein breites politisches Bündnis hat für den 15. September zu einer Anti-Kriegsdemonstration in Berlin aufgerufen. Anlass ist die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, die im September und Oktober auf der Tagesordnung des Bundestags steht. Der Demonstrationsaufruf tritt für den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan ein und fordert die Abgeordneten des deutschen Bundestags auf, der Mandatsverlängerung nicht zuzustimmen.

Dieses Anliegen ist berechtigt. Es kann aber mit Sicherheit vorausgesagt werden, dass die Demonstration, ebenso wie viele Friedensdemonstrationen zuvor, ohne jede Wirkung bleiben wird. Die Perspektiven der Organisatoren - Attac, Die Linke, MLPD, Friedensinitiativen, usw. - sind nicht nur untauglich, um dem Anwachsen des Militarismus entgegenzutreten, sie sind ein Hindernis für den Aufbau einer wirklichen Bewegung gegen Krieg.

Der Demonstrationsaufruf beschränkt sich darauf, die Regierungsparteien unter Druck zu setzen. Er behauptet, ein Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan "würde auch die Bush-Administration unter Druck setzen, die US-Truppen ebenfalls zurückzuziehen". Er lehnt die Einmischung der deutschen Regierung in Afghanistan nicht grundsätzlich ab, sondern verlangt lediglich, die militärischen durch diplomatische Mittel zu ersetzen: "An Stelle der von wirtschaftlichen Interessen geleiteten militärischen Machtpolitik müssen Abrüstung, zivile Konfliktregulierung und diplomatische Verhandlungen treten."

Nirgends wird die Frage nach der Ursache des Kriegs gestellt, nirgends die Tatsache beim Namen genannt, dass Deutschland in Afghanistan ebenso wie die USA imperialistische Interessen verfolgt, nirgends darauf eingegangen, dass der Militarismus trotz massiver Opposition der Bevölkerung weltweit an Boden gewinnt.

Der Afghanistankrieg geht mittlerweile ins sechste, der Irakkrieg ins fünfte Jahr, ohne dass ein Ende in Sicht wäre. In Washington kursieren Pläne für einen Angriff auf den Iran, Russland entwickelt neue Atomraketen, China baut eine eigene Flotte auf, Japan rüstet wieder auf und Indien entwickelt sein Nuklearprogramm mit dem offiziellen Segen der USA. Auf der Tagesordnung der Europäischen Union steht der Aufbau eigener militärischer Kapazitäten an höchster Stelle. Und Deutschland, das bis zur Wiedervereinigung auf rein defensive Aufgaben beschränkt war, gehört mittlerweile zu den Großmächten, die auf Weltebene militärisch am aktivsten sind.

Was ist der Grund für dieses weltweite Anwachsen des Militarismus? Welche Ziele und Interessen werden damit verfolgt? Warum unterstützen ausnahmslos alle etablierten Parteien - ob nominell rechts oder links -den wachsenden Militarismus?

In den USA bewilligt der von den Demokraten kontrollierte Kongress Milliardensummen für den Irakkrieg. In Deutschland beschwören SPD-Fraktionschef Peter Struck und die CDU-Kanzlerin Angela Merkel gemeinsam die Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch. Die Große Koalition hat am 5. September einhellig beschlossen, die Afghanistan-Mission auf Jahre hinaus zu verlängern. Auch die Grünen verteidigen mit Nachdruck den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der ISAF-Mission. Tom Koenigs, Gründungsmitglied der Partei und mittlerweile Sonderbeauftragter der UNO in Afghanistan, verlangt in zahlreichen Interviews die Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan und den Verbleib der USA im Irak.

Man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen, ohne sich über die Ursachen dieser Entwicklungen Rechenschaft abzulegen. Allgemeine Aufrufe zum Frieden sind angesichts dieser gesellschaftlichen Realität nicht weiter als ein Selbstberuhigungsmittel. Man kann das Überlaufen aller Parteien - einschließlich der früheren grünen Pazifisten - ins Lager des Militarismus nicht allein aus den persönlichen Eigenschaften ihres Führungspersonals erklären. Hier sind grundlegendere gesellschaftliche Kräfte am Werk.

Das kapitalistische Gesellschaftssystem krankt an zwei grundlegenden Widersprüchen. Der Nationalstaat, auf dem es beruht, verträgt sich nicht mit der globalen Integration der Produktion, und der Privatbesitz der Produktionsmittel durch eine kleine, privilegierte Elite verträgt sich nicht mit dem gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses, an dem Hunderte Millionen Arbeiter beteiligt sind.

Diese Widersprüche äußern sich in einem erbitterten Kampf rivalisierender Großmächte um Energie, Rohstoffe, Märkte und Einflusssphären und in scharfen Angriffen auf die sozialen Errungenschaften und demokratische Rechte der arbeitenden Bevölkerung. Beides ist eng miteinander verbunden. Die herrschende Klasse kann ihre Privilegien und ihre Profite nur aufrechterhalten, indem sie sich einen größeren Anteil an den globalen Ressourcen sichert und die Arbeiterklasse verstärkt ausbeutet. Der Militarismus dient beidem: Imperialistischen Eroberungen und der Unterdrückung innerer Konflikte, die er nach außen ablenkt.

Die Kriege gegen Afghanistan und gegen den Irak sind imperialistische Kriege. Sie verfolgen das Ziel, eine Region militärisch zu kontrollieren, die über umfangreiche Energiereserven verfügt und eine geostrategische Schlüsselposition einnimmt. Der US-Imperialismus spielt dabei die aggressivste Rolle. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat das relative Gewicht der einst mit Abstand stärksten Finanz- und Wirtschaftsmacht stark abgenommen. Nun versucht er seine militärische Übermacht einzusetzen, um seinen ökonomischen Niedergang zu kompensieren.

Aber nicht nur die USA verfolgen expansionistische Interessen. Der Wettlauf um Ressourcen hat zu einer Verschärfung der Gegensätze zwischen allen imperialistischen Mächten geführt - den USA, den europäischen Mächten, Japan und Russland. Auch die herrschenden Klassen der so genannten Schwellenländer, darunter China, Indien und Brasilien, streben nach einer größeren weltpolitischen Rolle.

Die Kriege gegen den Irak und Afghanistan sind daher weder die ersten noch werden sie die letzten derartigen Kriege sein. Vorangegangen sind, neben anderen, die erste Invasion des Irak und die Kriege gegen Somalia und Serbien. Weitere Kriege um die Neuaufteilung der Welt werden folgen. Sie werden, wenn dem Imperialismus nicht rechtzeitig Einhalt geboten wird, wie 1914 und 1939 in einen Weltkrieg münden.

Die exportorientierte Wirtschaft Deutschland ist in besonders hohem Maße auf Absatzmärkte und Energieimporte angewiesen. Daher will die deutsche herrschende Klasse nicht abseits stehen, wenn es um die Kontrolle über den Mittleren Osten geht. Das ist der eigentliche Grund für die Anwesenheit der Bundeswehr in Afghanistan, im Libanon und am Horn von Afrika. Das deutsche Interesse für Afghanistan ist auch nicht neu. Schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts übte der deutsche Imperialismus dort erheblichen Einfluss aus.

Keine Partei, die die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse akzeptiert und verteidigt, kann sich dieser Entwicklung widersetzen. Das beweist das Beispiel der Grünen. Es ist abzusehen, dass Die Linke denselben Weg gehen wird. Für Lafontaine und Gysi ist die Ablehnung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan lediglich ein Faustpfand, das sie als Verhandlungsmasse in Koalitionsverhandlungen einbringen - und opfern - werden, sollte sich die Möglichkeit ergeben, an der Seite der SPD in die Regierung einzutreten.

Innerhalb der Linken hat bereits die Diskussion um blaue und grüne Helme begonnen - um "gute" Bundeswehreinsätze unter dem blauen Helm der UNO und "böse" ohne den Segen der UNO. So begann es einst auch bei den Grünen. Von da war es dann nur noch ein kurzer Weg zur grundsätzlichen Unterstützung des deutschen Militarismus.

Die einzige gesellschaftliche Kraft, die dem Militarismus entgegentreten und einen drohenden Weltkrieg verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse, die die gewaltige Mehrheit der Weltbevölkerung ausmacht. Ihre gesellschaftlichen Interessen stehen im unversöhnlichen Gegensatz zu den sozialen Interessen, die dem Imperialismus zugrunde liegen, und sie ist die einzige wahrhaft internationale Klasse. Der Kampf gegen Militarismus und Krieg ist untrennbar mit der Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms verbunden, das den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer egalitären, demokratischen und sozialistischen Weltgesellschaft anstrebt.

Die Voraussetzungen für eine solche Bewegung sind da. Der Gegensatz zwischen Arm und Reich hat dramatische Ausmaße angenommen, die Opposition gegen die soziale Ungleichheit wächst, die reformistischen Parteien und Gewerkschaften sind diskreditiert und kaum mehr in der Lage, die Arbeiterklasse mit dem Kapitalismus zu versöhnen. Doch eine solche Bewegung entwickelt sich nicht spontan. Sie erfordert den Aufbau einer internationalen sozialistischen Partei und einen politischen Bruch mit allen Tendenzen, die - wie Die Linke - die Arbeiterklasse ins Fahrwasser der etablierten Parteien zurückführen wollen.