US-Militarismus droht regionalen Großbrand zu entfachen
Von Bill Van Auken
30. Oktober 2007
aus dem Englischen (23. Oktober 2007)
Vergangene Woche ermahnte Präsident George W. Bush, die Länder, die daran interessiert seien, "einen dritten Weltkrieg zu vermeiden", die verschärften Drohungen Washingtons gegen den Iran mitzutragen. Prompt deuten mehrere Entwicklungen auf die Gefahr hin, dass sich die Waffengewalt über weite Teile des Nahen- und Mittleren Ostens und Zentralasiens ausbreiten und in der Tat einen neuen Weltkrieg heraufbeschwören könnte.
Sechs Jahre nach der US-Invasion Afghanistans und viereinhalb Jahre nach der Invasion des Iraks setzen die anhaltenden und sich verschärfenden Konflikte in diesen beiden Ländern eine politische Kettenreaktion von unkalkulierbarem Ausmaß in Gang.
Sie heizen militärische Konflikte in einem Gebiet an, das sich von den Grenzen Europas im Westen bis nach Indien im Osten erstreckt, und Staaten wie die Türkei, Irak, Syrien, Iran, Afghanistan und Pakistan einschließt; zudem drohen andere Großmächte mit hineingezogen zu werden, die strategische Interessen in dieser Region haben.
Es entwickelt sich der Boden für bewaffnete Auseinandersetzungen, bei denen der Tod von Hunderten von Millionen und sogar die Zerstörung des gesamten Planeten drohen.
Der Iran droht das erste Ziel einer Ausweitung des Krieges zu werden. Vizepräsident Richard Cheney fuhr am Wochenende seine drohende Rhetorik gegen Teheran weiter hoch. Gleichzeitig verunglimpfte und bedrohte er Syrien.
Cheney sagte in einer Rede am Sonntag: "Das iranische Regime muss wissen, dass die internationale Gemeinschaft bereit ist, weit reichende Maßnahmen zu ergreifen, wenn es bei seinem gegenwärtigen Kurs bleibt. Die Vereinigten Staaten schließen sich der eindeutigen Botschaft anderer Nationen an: Wir werden dem Iran nicht erlauben, Nuklearwaffen zu besitzen." Cheney machte diese Bemerkungen bei einem Treffen des Instituts für Nahostpolitik in Washington, einer bekannten Denkfabrik, der einige der Schlüsselarchitekten des Irakkrieges angehören.
Cheney denunzierte den Iran als "den weltweit aktivsten staatlichen Sponsor des Terrorismus" und fügte hinzu: "Unser Land und die gesamte internationale Gemeinschaft können nicht zusehen, wie ein den Terror unterstützender Staat seinen aggressivsten Ambitionen nachgeht."
In seiner Rede tischte Cheney die Geschichten über "Massenvernichtungswaffen" wieder auf, die er im Herbst 2002 im Vorfeld der US-Invasion des Irak bemüht hatte. Sie enthielt die unmissverständliche Drohung, dass Washington bereit sei, den Iran unter dem Vorwand militärisch anzugreifen, das Nuklearprogramm der Regierung in Teheran stoppen zu wollen.
Der Hintergrund dieser Drohkulisse ist keineswegs ein Erfolg der US-Strategie im Irak oder in Afghanistan. Weder konnte der Widerstand der Bevölkerung unterdrückt, noch konnten stabile Marionettenregimes installiert werden. Bush war am Montag gezwungen, weitere 46 Milliarden Dollar für militärische Operationen in diesen beiden Ländern zu beantragen, wo die Kampfhandlungen kontinuierlich zugenommen haben. Dieser Antrag treibt das [militärische] Gesamtbudget für das am 1. Oktober begonnene fiskalische Jahr auf 196 Milliarden Dollar hoch.
Die Bush-Regierung und die herrschende Elite der USA insgesamt sind zu dem Schluss gekommen, dass es für sie keinen Ausweg mehr aus dem Sumpf dieser Kolonialkriege gibt. Der Konflikt beginnt seine eigene Gesetzmäßigkeit in der Region zu entfalten. Obwohl der Politik der Eskalation, die Washington jetzt verfolgt, ein Moment der Verrücktheit anzuhaften scheint, folgt sie doch der Logik der kombinierten Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus.
Die Aussicht, dass die gegenwärtigen Kriege weiter um sich greifen, hat selbst in der Militärführung tiefe Beunruhigung ausgelöst. Das zeigt sich in den Bemerkungen des neuen Chefs des Gemeinsamen Generalstabs in einem Interview, das am Montag in der New York Times veröffentlicht wurde.
Obwohl er betonte, auf eine weitere Erhöhung des Verteidigungshaushalts drängen zu wollen, warnte der neue Chef, Admiral Mike Mullen: "Wir führen jetzt dort in zwei Ländern Krieg. Wir müssen unglaublich vorsichtig sein vor den Folgen eines Konflikts mit einem dritten Land in diesem Teil der Welt."
Bewaffnete Überfälle im Iran
Es gibt wachsende Anzeichen, dass bewaffnete Aktionen gegen den Iran bereits begonnen haben. Die Times in London berichtete am Sonntag unter Berufung auf Quellen aus dem britischen Verteidigungsministerium: "Britische Spezialkräfte haben die Grenzen zum Iran in den letzten Monaten mehrmals überschritten. Das ist Teil eines geheimen Grenzkrieges gegen die Spezialeinheit al-Quds der Iranischen Revolutionsgarde."
Britische SAS [Special Air Service] Kommandotruppen, die laut der Zeitung mit Spezialkampfeinheiten der USA und Australiens operieren, waren mindestens in ein "Dutzend intensiver Feuergefechte" mit iranischen Streitkräften im Grenzgebiet verwickelt. Die Times berief sich auf "beharrliche Berichte über amerikanische Spezialoperationen im Iran, die zur Vorbereitung eines möglichen Angriffs dienen".
Man muss sich nur vorstellen, was passieren würde, wenn eine dieser Sondereinheiten im Iran eliminiert würde. Zweifellos würde die Behauptung erhoben, sie sei auf der irakischen Seite der Grenze angegriffen worden, womit der Casus Belli für einen Angriff der USA gegeben wäre.
Die Zeitung berichtete auch über die Verlegung von sieben amerikanischen U2-Spionageflugzeugen auf Basen in Zypern und Abu Dhabi, die genutzt werden können, um Ziele für amerikanische Luftangriffe im Iran zu kartieren.
Mittlerweile droht der Irakkrieg die irakisch-türkische Grenze zu überspringen. Das folgt aus Berichten, nach denen ein türkischer Militärkonvoi aus etwa 50 Fahrzeugen, der Truppen und Waffen transportierte, ins Grenzgebiet geschickt wurde, nachdem separatistische kurdische Guerillas der PKK einen ihrer blutigsten Anschläge der letzten zehn Jahre verübten. Die Operation endete am Sonntag mit 17 toten türkischen Soldaten; weitere acht wurden Berichten zufolge von der PKK gefangen genommen.
Vor diesem letzten Anschlag hatte das türkische Parlament letzte Woche mit großer Mehrheit die Regierung autorisiert, Truppen über die Grenze in den Irak zu schicken, um dort PKK-Lager anzugreifen.
Bei einem zweitägigen Besuch in London sagte der türkische Premierminister Tayyip Erdogan: "Wenn ein benachbarter Staat dem Terrorismus Schutz gewährt ... haben wir nach internationalem Gesetz Rechte, und wir werden diese Rechte nutzen. Wir müssen bei niemandem dafür um Erlaubnis fragen."
Erdogan machte die Invasion und Besetzung des Irak durch die USA dafür verantwortlich, dass sich die Situation an der irakisch-türkischen Grenze verschlechtert und die Gefahr einer Ausweitung des Krieges zunimmt.
Er sagte: "Ich kann keinen Erfolg erkennen. Es sind nur zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Wir sehen lediglich einen Irak, dessen gesamte Infra- und Suprastruktur zusammengebrochen ist."
Der Türkei ist sehr wohl bewusst, dass sich die USA gegenüber den Operationen der PKK blind stellen, während sie aktiv deren Schwesterorganisation unterstützt, die Terroranschläge im Namen des kurdischen Separatismus im Iran ausführt.
Der letzte Anschlag der PKK provozierte Demonstrationen der türkischen Opposition, die Militäraktionen forderte. In Ankara demonstrierten Tausende mit dem Ruf "Nieder mit der PKK und den USA!"
Die Vorbereitungen der Türkei auf Vergeltungsmaßnahmen drohen die einzige Region des Irak ins Chaos zu stürzen, die von der mörderischen Gewalt verschont geblieben ist, die sonst überall herrscht.
Während Washingtons neokolonialistische Intervention im Irak über die Grenzen des Iran und der Türkei schwappt, droht der anhaltende Krieg in Afghanistan im benachbarten Pakistan ein politisches Pulverfass zu entzünden.
Der schwere Bombenanschlag am letzten Donnerstag gegen den Geleitzug von Benazir Bhutto, bei dem 136 Menschen getötet und hunderte verletzt wurden, kann leicht den Auftakt für ein größeres Blutvergießen und einen Bürgerkrieg in Pakistan bedeuten.
Bhutto, die vor beinah zehn Jahren wegen Korruptionsvorwürfen als Premierministerin gestürzt worden war, wurde im Zuge eines Abkommens nach Pakistan zurück gebracht, das Washington mit dem Militärherrscher des Landes, General Pervez Musharraf, vermittelt hat. Dessen Ziel ist ein Machtteilungsabkommen, das das pro-amerikanische Regime vor dem wachsenden Unmut der Bevölkerung retten soll. Gleichzeitig soll es den Weg für den Einfall von Streitkräften der USA in die an Afghanistan grenzenden Stammesgebiete ebnen, wo die Taliban Zuflucht und Unterstützung durch die Bevölkerung genießen.
Der fehlgeschlagene Versuch der USA und ihrer Verbündeten, den Widerstand in Afghanistan zu unterdrücken, und die wachsende Krise in Pakistan erzeugen ein explosives Gemisch. Paddy Ashdown, ein früherer hoher Bevollmächtigter der Vereinten Nationen, kommentierte vergangene Woche gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters:
"Ich glaube, es ist schlimmer, den Krieg in Afghanistan zu verlieren als im Irak. Es würde bedeuten, dass Pakistan fällt, und es würde ernsthafte Auswirkungen auf die innere Sicherheit unserer eigenen Länder haben. Außerdem würde es einen regionalen schiitisch-sunnitischen Krieg in großem Rahmen anfachen."
Ashdown fügte hinzu: "Einige Leute bezeichnen den ersten und zweiten Weltkrieg als europäische Bürgerkriege und ich glaube dadurch könnte ein regionaler Bürgerkrieg von ähnlicher Größenordnung ausgelöst werden."
Wachsende Spannungen mit Moskau
Diese Entwicklungen drohen die US-Armee in Ländern zu verzetteln, die ein riesiges Territorium umspannen, das sich über 4.000 Kilometer vom Schwarzen Meer bis zum Arabischen Meer erstreckt. Dieses Gebiet ist auch die südliche Flanke der ehemaligen Sowjetunion, was eine offensichtliche Bedrohung Moskaus darstellt, gegen das Bushs Bemerkungen über einen dritten Weltkrieg hauptsächlich gerichtet waren.
Die amerikanisch-russischen Spannungen erhielten letzten Donnerstag durch einen landesweit ausgestrahlten Fernsehauftritt Wladimir Putins neue Nahrung, bei dem er die Intervention der USA im Irak als einen Versuch charakterisierte, sich den Ölreichtum des Landes anzueignen. Er warnte, dass Russland die militärische Macht besitze, jeden amerikanischen Versuch zu verhindern, dasselbe auf seinem Boden zu tun.
Er sagte: "Russland ist Gott sei Dank nicht der Irak. Es ist stark genug, seine Interessen auf seinem nationalen Territorium und, notabene, auch in anderen Gebieten der Erde zu schützen."
Die Sendung zeigte einen Filmbeitrag über einen Test von Russlands neuer Topol-M Rakete in dem berichtet wurde, die Rakete habe ein Tausende von Meilen entferntes Ziel im Pazifik getroffen.
Putin gelobte, massiv in den Wiederaufbau von Russlands Militär zu investieren. "Wir werden uns nicht nur um die Entwicklung der Triade von [land-, luft- und seegestützten] nuklearen Waffen, sondern auch um die von anderen Waffen kümmern." Wenn Washington mit seinem Plan fortfahre, ein Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien zu errichten, warnte er, werden "wir zweifellos Schritte unternehmen, um die Sicherheit der russischen Bürger zu gewährleisten."
Als die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, nach Bushs Bemerkung über einen dritten Weltkrieg gefragt wurde, beharrte sie darauf, dass er das nur "als rhetorische Redewendung benutzt" habe.
Eine Auflistung der Instabilitäten und der Konflikte, die von militärischen Interventionen der USA in diesem Gebiet hervorgerufen wurden, das nicht zufälligerweise den Löwenanteil der Ölreserven der Erde birgt, macht völlig klar, dass die Gefahr eines weitaus größeren Konflikts alles andere als rhetorisch ist.
Dieser Gefahr liegen die Interessenskonflikte rivalisierender kapitalistischer Nationen zugrunde - vor allem die Tendenz des US-Imperialismus, den wirtschaftlichen Niedergang gegenüber den Konkurrenten in Europa und Asien durch den Einsatz seiner militärischen Überlegenheit auszugleichen, und von lebenswichtigen Bodenschätzen und Märkten Besitz zu ergreifen.
Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr nur zu real, dass der US-Imperialismus die Menschheit in einen neuen Weltkrieg stürzt. Denn Washingtons zunehmend rücksichtslose Interventionen durchkreuzen die grundlegenden Interessen anderer Großmächte.
Das ist die unausweichliche Logik der Doktrin des "Präventivkrieges", die von Bush ausgearbeitet wurde und von den entscheidenden Schichten des herrschenden Establishments der USA unterstützt wird.
Innerhalb dieser herrschenden Elite, gibt es keine echte politische Opposition gegen die Wendung zu globaler Kriegsführung. Die Demokraten, die angebliche Oppositionspartei, haben die beiden Kriege im Irak und in Afghanistan durchgängig finanziert. Sie haben sich mit den Republikanern im US-Senat verbündet, um eine Resolution zu verabschieden, in der Irans Sicherheitskräfte als "terroristische Organisation" gebrandmarkt werden. Damit haben sie den Vorwand für einen unprovozierten Angriff auf ein weiteres Land geliefert.
Der realen und wachsenden Gefahr eines weit größeren und zerstörerischeren Krieges, der das Leben von Hunderten von Millionen bedroht, kann nur mit der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse begegnet werden. Sie muss in den USA und international auf der Grundlage eines gemeinsamen sozialistischen Programms zusammengeschlossen werden, um den Krieg zu beenden und das kapitalistische System zu beseitigen, das ihn hervorruft.