Irakische Ölarbeiter streiken in Basra
Von James Cogan
20. Juni 2007
aus dem Englischen (9. Juni 2007)
Etwa 600 Mitglieder des Irakischen Verbands der Ölgewerkschaften (Iraqi Federation of Oil Workers, IFOU), die für die Oil Pipeline Company in der südirakischen Stadt Basra arbeiten, traten am Montag dem 4. Juni in den Streik und beeinträchtigten die Versorgung Bagdads und anderer Städte mit Benzin und flüssigem Gas. Die irakische Regierung entsandte Truppen um die Streikenden einzuschüchtern und stellte Haftbefehle gegen zehn Gewerkschaftsführer aus. Am Mittwoch unterbrach die Führung des IFOU den Streik für fünf Tage, um Verhandlungen mit der Regierung zu ermöglichen.
Der Streik wurde durch das Versäumnis der Oil Pipeline Company ausgelöst, eine vereinbarte Bonuszahlung an ihre Beschäftigten auszuzahlen. Der Ausstand gärte allerdings schon seit einem Monat. Am 27. April hatte die IFOU der irakischen Regierung einen 17-Punkte Katalog übermittelt und ab dem 10. Mai einen Streik in der gesamten Ölindustrie angedroht, speziell in den südlichen Provinzen des Landes.
Verzweifelt bemüht den Streik zu verhindern, hatte sich Premierminister Nouri al-Maliki im Mai bereit erklärt, ein gemeinschaftliches Komitee von Regierung, Management der Ölfirma und Gewerkschaft einzurichten, um über die Forderungen der IFOU zu verhandeln. Über 50 Prozent der irakischen Ölproduktion werden allein in der Provinz Basra erbracht. Weitere 10 bis 15 Prozent sowie ein bedeutender Anteil der noch unerschlossenen Reserven liegen in den benachbarten Provinzen Maysan (Hauptstadt Amara), Dhi Qar (Hauptstadt Nasiriyah) und Al Muthanna (Hauptstadt Samawah).
Die Forderungen der Gewerkschaft umfassen zahlreiche Punkte und betreffen alle 26.000 Mitglieder im Irak, nicht nur die Beschäftigten der Oil Pipeline Company. Sie umfassen Sonderzahlungen, den Schutz angesammelter Urlaubstage, Beförderungen, Vollzeitstellen für Zeitarbeiter und eine Übernahmegarantie für die Auszubildenden der Ölindustrie. Weitere Forderungen sind: die Übertragung des Eigentums an den gemieteten, in öffentlichen Besitz befindlichen Häusern an die Arbeiter und eine garantierte Behandlung von Krebs- und anderen Erkrankungen, die durch die Verseuchung des südlichen Iraks durch amerikanische und britische uranangereicherte Munition (UM) ausgelöst wurden.
Die Gewerkschaft fordert ebenfalls die Rücknahme erneuter Preiserhöhungen für Benzin, die Abschaffung einer 20-prozentigen Steuer auf Ölgewinne, die dazu dient, die irakischen Sicherheitsstreitkräfte zu finanzieren, und das Recht auf "Einsicht" in die von den Amerikanern gewünschte Gesetzgebung zur Öffnung der irakischen Ölindustrie für ausländische Firmen. Die IFOU verlangt den Rücktritt des Managers der Oil Pipeline Company.
Während viele dieser Forderungen dem harten Alltag der irakischen Arbeiterklasse entspringen, beutet die IFOU die legitimen Beschwerden der Ölarbeiter aus, um die Interessen einer Fraktion der herrschenden Klassen in Basra zu vertreten. Am heftigsten umstritten ist die Forderung, die irakische Regierung solle den staatlichen Firmen im Süden, deren Firmenzentralen gegenwärtig in Bagdad sind, "administrative und finanzielle Autonomie" gewähren. Damit stellt sich die IFOU ins Lager der in Basra ansässigen islamischen Tugendpartei oder Fadhila, und des Bürgermeisters von Basra, Mohammed al-Waili, einem altgedienten Fadhila-Führer.
Die Fadhila wird von Politikern mit Verbindungen zur Ölindustrie von Basra dominiert. Seit 2003 agitieren Teile der Fadhila für einen autonomen Status der Provinz, die als ölreicher Stadtstaat nach dem kuwaitischen Modell funktionieren soll. Im Zuge der US-amerikanischen Invasion arbeitete diese Organisation mit den britischen Besatzungstruppen zusammen und trachtet danach, so viel politischen Einfluss wie möglich zu erlangen. Sie kontrolliert die Provinzregierung, und es wird angenommen, dass der größte Teil der 25.000 Mann starken "Öl-Schutztruppe" - einer bewaffneten Einheit, die Ölfelder, Raffinerien, Pipelines und den Hafen von Basra bewacht - loyal zur Fadhila steht.
Die Forderung der IFOU nach "administrativer und finanzieller Autonomie" läuft darauf hinaus, dass die von der Fadhila dominierte Regierung die Kontrolle über die üppigen Öl- und Gasreserven der Provinz erhält. Teile der herrschenden Klasse Basras und des IFOU-Apparats lehnen es ab, den Reichtum aus dem Ölsee unter ihren Füßen mit dem Rest des Iraks zu teilen.
Die IFOU schrieb in einem offiziellen Brief vom 27. April an den irakischen Ölminister: "Es ist unsere Hoffnung, das Recht jener wieder geltend zu machen, die durch die Vertreter der irakischen Regierung geschädigt wurden, und die Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, die dem Süden zugefügt wurde. Wir finden, dass die Diskriminierung bis zu dem Moment, in dem dieser Brief geschrieben wird, anhält, und der Süden wie die Milchkuh des Iraks behandelt wird. Unsere Region hat dem Irak so viel gegeben, hat aber dafür recht wenig zurück erhalten."
Aqeel Talib, ein hochrangiger Vertreter der Fadhila, brachte die Bestrebungen seiner Partei in einem Kommentar für die New York Times im Juni 2006 auf den Punkt: "Wir als Fadhila wollen unsere Provinz zu unserem eigenen Land machen. Wir haben zwei Millionen Menschen, einen Flughafen, einen Seehafen und Öl - alles was man braucht um ein Staat zu sein."
Der Streik verstärkt die ohnehin erhitzte Debatte um die Zukunft des Öls von Basra. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass nur 24 Stunden nach der Bekanntgabe des Forderungskatalogs der IFOU am 27. April, eine Koalition rivalisierender schiitischer Parteien, die eine Autonomie ablehnen, Maßnahmen ergriffen, um Waili aus dem Amt zu entfernen. Seitdem stehen sich bewaffnete Milizen gegenüber. Waili lehnt es ab, zurückzutreten, während sich seine Gegner weigern, den Weisungen der Regierung Folge zu leisten.
Die stärksten Konkurrenten für die Kontrolle der Fadhila über Basra bilden die örtlichen Vertreter der Sadr Bewegung des schiitischen Klerikers Moqtada al-Sadr. Gegen den Regionalismus der Fadhila treten die Sadristen für eine nationale Perspektive ein, welche die Ölindustrie in der Hand der Regierung in Bagdad belässt. Sie erhalten Unterstützung von den beiden schiitischen Parteien, die die irakische Regierung dominieren - Malikis Dawa Partei und des Supreme Islamic Iraqi Council (SIIC). Wie die Sadristen werden die Dawa und der SIIC größtenteils durch die schiitische Bevölkerung außerhalb Basras unterstützt und würden darum nicht von Fadhila´s Autonomieplänen für diese Provinz profitieren.
Die Regierung in Bagdad beabsichtigt nicht, die Kontrolle über die Ölindustrie im Süden aus der Hand zu geben. Malikis Antwort auf die Arbeitsniederlegungen am Montag war eine giftige Verlautbarung an die Presse. Er drohte, "gegen jeden mit eiserner Faust zuzuschlagen, der die öffentliche Ordnung bedroht oder bösartige Pläne ausheckt, um die höheren Interessen des Staates zu untergraben". Er titulierte die Gewerkschaftsführer als "Gesetzlose und Saboteure". In einer eindeutigen Bezugnahme auf die Fadhila drohte er, "einige regionale Organisationen aufzulösen, die hinter dem Versuch stehen, die Ölanlagen und Vertriebswege zu schädigen". Er drohte ebenso, die "verdächtigen Beziehungen zu enthüllen, die sie mit einigen Nachbarländern unterhalten", Welche Länder er damit meinte, ist unklar.
Gegen zehn IFOU Führer wurde Haftbefehl erlassen, darunter gegen den Leiter des Verbandes, Hassan Jumaa Awad. Die Gewerkschaft behauptet, dass Todesdrohungen gegen ihre Mitarbeiter und streikende Arbeiter ausgestoßen wurden. Obwohl im Moment eine fünftägige Abkühlungspause in Kraft ist, könnte der Streik dennoch einen blutigen Ausgang nehmen. Hunderte Regierungstruppen - viele von ihnen stehen loyal zum SIIC - haben die Terminals umstellt, von denen aus die Arbeiter die Pipelines kontrollieren.
Die IFOU behauptet, dass eine regionale Kontrolle über die Ölindustrie die Lage der Arbeiterklasse verbessern werde. Zynisch erklärt sie, dass die irakische Regierung den Problemen der Bevölkerung im südlichen Irak so gut wie keine Aufmerksamkeit schenkt, zum Beispiel der hohen Zahl von Krebsfällen, von denen die Bevölkerung durch den Einsatz uranhaltiger Munition betroffen ist.
Die Wirklichkeit stellt sich jedoch so dar, dass die werktätigen Menschen im gesamten Irak - Sunniten oder Schiiten, Araber oder Kurden, Muslime oder Christen - unter den härtesten Bedingungen ihr Dasein fristen müssen. Die Verantwortung für diese Bedingungen tragen die US-amerikanische Okkupation und ihre Kollaborateure im Irak,. Die meisten Iraker haben nichts von der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes. Die tatsächlichen Profiteure sind transnationale Energiekonzerne, welche die Ölprodukte aufkaufen und auf dem Weltmarkt weiterverkaufen. Außerdem profitieren ihre lokalen Agenten.
Vorher bereicherten sich die obersten Schichten des Regimes von Saddam Hussein (Baath Partei). Jetzt sind es jene, denen es gelungen ist, sich unter der Patronage der US-Okkupation in Machtpositionen zu manövrieren. In allen anderen ölreichen Ländern des Nahen Ostens ist die Situation ebenso. Ob es sich nun um Saudi Arabien, den Iran oder die winzigen Golfstaaten wie Kuwait oder Bahrain handelt: die Arbeiter sehen sich einem kontinuierlichen Niedergang gegenüber, während Milliarden von Dollars aus dem Ölhandel in die Taschen einer winzigen Minderheit fließen.
Weder die Fadhila noch ihre Rivalen haben irgendein Interesse an dem Schicksal der Arbeiter in der Ölindustrie oder der anderen Teile der irakischen Arbeiterklasse. Für den Fall, dass die Ölarbeiter beginnen sollten, ihren Kampf mit Arbeitern und Arbeitslosen in anderen Teilen des Landes zu vereinen und ihre eigenen Klasseninteressen zu artikulieren, werden alle Teile der herrschenden Klassen des Iraks und die amerikanische Besatzungsmacht schleunigst ihre Differenzen begraben und zu einem massiven Gegenschlag gegen die Streikenden ausholen.