Fortschreitender Ausverkauf des Staatseigentums in China
Bericht eines Lesers
20. Januar 2007
Den folgenden Bericht über China sandte uns ein regelmäßiger Leser der WSWS aus Ostasien.
Zwei Artikel, die im letzten Monat in China Daily und auf der Webpage der US EXIM Bank erschienen sind, schildern den fortschreitenden Ausverkauf des Staatseigentums und den ansteigenden Zugriff imperialistischer Banken auf chinesische Betriebe.
Seit 2002 wird ein umstrittenes Gesetz verhandelt, in dem das Privateigentum an Produktionsmitteln gesichert und festgeschrieben werden soll. Es ist einmalig in der Geschichte der Volksrepublik China, dass ein Gesetz durch sieben Lesungen gelaufen ist, was die Brisanz des Inhaltes dokumentiert. Bisher waren fünf Lesungen die Obergrenze, die je ein Gesetzentwurf durchlaufen musste.
Obwohl Frau Yao Hong, die Direktorin der Zivilrechtsabteilung des Rechtsausschusses des Nationalen Volkskongresses, Bedenken beiseite wischt, das Gesetz könnte das legale Fundament des "Sozialistischen Systems" unterminieren, wird deutlich, dass es Widerstand aus den unteren Rängen der Partei gibt, insbesondere von Funktionären, die direkten Kontakt zu den Arbeitern in den Betrieben haben, die von der Privatisierung betroffen sind.
Dabei geht es nicht um eine prinzipielle Opposition innerhalb der Partei, sondern eher um eine Widerspiegelung der Angst dieser Funktionäre vor der heftigen Reaktion der von Entlassungen betroffenen Arbeiter.
Das Gesetz soll im März 2007 auf der Vollversammlung des Nationalen Volkskongresses verabschiedet werden.
Der Ausverkauf des Staatseigentums wird als notwendige Modernisierung verkauft, die das technologische Niveau Chinas anheben und einen besseren "Wettbewerb" im internationalen Maßstab ermöglichen werde. Die Führung der stalinistischen Kommunistischen Partei Chinas täuscht ganz bewusst die junge Generation von Chinesen, die in den boomenden Küstenstädten bei ausländischen Firmen arbeiten und eine starke Verbesserung ihres Lebensstandards erfahren, über die internationalen Klassengegensätze und die aggressive, imperialistische Wirtschaftspolitik der USA, Europas und auch Japans. Als ginge es hier um die Olympischen Spiele der Weltwirtschaft, wozu China die Arena lieferte.
Die Regierung geht Verpflichtungen ein, die die Arbeiterklasse Chinas entwaffnen. Das Gerede von "gleichem Schutz für staatliches und Privateigentum" oder von "Fairness" durch Gleichbehandlung der beiden Eigentumsformen ist eine dreiste Lüge, die offenbar wird, wenn man beobachtet, was auf Provinzebene in den Staatsbetrieben passiert.
Dort werden heute Aufträge, die früher von staatlichen Betrieben abgewickelt wurden, privaten Betrieben zugeschanzt, bei denen oft die Parteisekretäre auf Provinz- und Ortsebene verdeckte Anteilseigner sind.
Es ist ein zynisches Spiel: Der Provinzfunktionär gibt (auf sein Parteinetzwerk gestützt), die Betriebslizenz an ein ausländisches Unternehmen oder ein Joint Venture, oft gegen eine kleine Vergütung. Er vergibt dann dem Privatunternehmen die Staatsaufträge unter dem Vorwand, dass dort Technik, Qualität und Preis günstiger seien, und sahnt dann als mehr oder weniger verdeckter Teilhaber dieses Betriebes bei den Gewinnen ab. Wenn sich dann die Arbeiter des Staatsbetriebes wegen Entlassungen auflehnen, bedient sich der Funktionär seiner direkten Kontakte zur Polizei, die den Aufstand mit ihren brutalen Methoden unterdrückt.
Natürlich können nicht alle Parteifunktionäre Teilhaber von Privatbetrieben werden. Aber es locken lukrative Management- und Beraterposten in diesen Betrieben, auf die alle Parteibürokraten scharf sind.
Noch lässt sich dieses Spielchen kontrollieren, aber bei wachsender Arbeitslosigkeit und angesichts der Ungleichgewichte der internationalen Handels- und Zahlungsbilanzen sind enorme Konflikte vorauszusehen.
Außer dem oben genannten Gesetz wird im März noch ein weiteres Gesetz verabschiedet, bei dem die Einkommenssteuer von Privat- und von Staatsbetrieben gleichgestellt wird. Bisher wurden ausländische Betriebe um etwa zehn Prozent niedriger besteuert als Staatsbetriebe, um Investoren anzulocken.
Das Wachstum einer neuen chinesischen Bourgeoisie im Schlepptau des von außen eindringenden Kapitals wird von der Arbeiterklasse Chinas nicht kampflos hingenommen. Es ist mit wachsenden und sich ausbreitenden Konflikten zu rechnen.
Ich hoffe, dass die WSWS bald auch einige Artikel auf Chinesisch veröffentlichen kann, damit den chinesischen Arbeitern eine Führung und Perspektive gegeben werden kann. Es muss in China eine Sektion der Vierten Internationale aufgebaut werden. Es gibt keine andere Partei, die eine Perspektive bieten kann.
Des Weiteren ist Mitte Dezember ein Abkommen zwischen der amerikanischen und chinesischen Export-Import Bank getroffen worden, das Kredite für den Import von Investitionsgütern aus den USA nach China erleichtern soll. Dabei hat die chinesische Seite weite Zugeständnisse bezüglich der Kreditabsicherung gemacht.
Neu ist dabei die Absicherung eines Regressanspruchs seitens der Gläubiger. Im Klartext wird das heißen, dass im Falle eines Zahlungsverzugs des Schuldners, zum Beispiel eines ausländischen Investors, der amerikanische Maschinen gekauft hat, der chinesische Steuerzahler über diese Staatsbürgschaft den Profit der Gläubigerbank absichert.
Beste Grüße, PH