Kriegsdrohungen gegen Iran verschärfen Spannungen zwischen USA und Europa
Von Stefan Steinberg
10. Februar 2007
aus dem Englischen (7. Februar 2007)
Führende europäische Politiker und ein Teil der Medien äußerten sich in der vergangenen Woche besorgt über die zunehmende Gefahr einer militärischen Provokation der USA, die den ganzen Nahen Osten ins Chaos zu stürzen droht.
Drei hohe amerikanische Ex-Kommandeure - die Generäle Robert G. Gard und Joseph P. Hoar und Vizeadmiral Jack Shanahan - warnten am 4. Februar in einem Brief an die Londoner Sunday Times vor den Konsequenzen eines militärischen Angriffs der USA auf den Iran.
Offensichtlich wollten die US-Generäle die öffentliche Meinung in Europa gegen die Pläne der Bush-Regierung mobilisieren. Sie erklärten: "Ein Angriff auf den Iran hätte katastrophale Folgen für die Sicherheitslage in der Region und für die Koalitionstruppen im Irak. Er würde die regionalen und globalen Spannungen verschärfen. Die gegenwärtige Krise muss auf diplomatischem Wege gelöst werden."
Der deutsche Ex-Außenminister Joschka Fischer sprach vergangene Woche in der Süddeutschen Zeitung eine ähnliche Warnung aus. Fischer selbst ist nicht generell gegen Krieg. Als deutscher Außenminister spielte er 1998-99 eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung des ersten Auslandseinsatzes der Bundeswehr in Jugoslawien nach dem zweiten Weltkrieg. Und er ist sicherlich kein Gegner Washingtons. Während seiner Amtszeit unterhielt er die engsten Beziehungen zu Madeleine Albright, der damaligen Außenministerin der Clinton-Regierung. Aber in seiner Stellungnahme in der SZ warnt Fischer vor einer Wiederholung der "Fehler" im Irak, wie er es beschönigend nennt, und wendet sich gegen einen "Regimewechsel" im Iran und die Ausweitung der Feindseligkeiten auf iranisches Gebiet.
Die Befürchtung, ein Militärschlag der USA gegen den Iran könnte im Nahen Osten zum Chaos führen, kam vergangene Woche am klarsten in einer Kolumne des Journalisten Ulrich Ladurner in der führenden deutschen Wochenzeitung, Die Zeit, zum Ausdruck. Ladurner schreibt über Bush: "Schwach ist er, das ist richtig, aber es ist noch lange keine Garantie, dass er sich nicht in ein weiteres Abenteuer stürzt. Im Gegenteil, seine Schwäche ist eine Gefahr. Gerade das Desaster im Irak kann die Regierung Bush dazu verleiten, den Krieg über die Grenzen des Irak zu tragen, mitten in den Iran hinein.
Diese Eskalationsstrategie hatten die USA in den siebziger Jahren in Südostasien angewandt. Als sie in Vietnam nicht mehr weiter kamen, zogen sie Kambodscha und Laos in den Krieg hinein. Schwäche kann also ein kriegstreibendes Motiv sein."
Ladurner fährt fort: "Die Demokraten kritisieren Bush derzeit heftig wegen seiner Irakpolitik, doch das bedeutet keineswegs, dass sie einen Angriff gegen den Iran nicht unterstützen würden. Es kommt sehr auf den Anlass an. Wenn es der Bush-Regierung gelingt, überzeugend darzulegen, dass Iran direkt an der Tötung von US-Soldaten beteiligt ist, werden sich die Demokraten - ähnlich wie 2003 im Fall Irak - kaum widersetzen. Dann schlägt wieder die Stunde der Patrioten. Diese sind - wie man weiß - auch im demokratischen Lager zahlreich vertreten."
Washington drängt Europa zum Abbruch seiner Beziehungen zum Iran
Parallel zu den Vorbereitungen auf einen Militärschlag - oder eine israelische Provokation mit US-Unterstützung - erhöht Washington den Druck auf europäische Firmen und Regierungen, die Handels- und Finanzbeziehungen zu Teheran abzubrechen.
Auf starken Druck der USA hin unterstützten europäische Regierungen im Dezember eine Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die dem Iran eine Frist von sechzig Tagen setzt, sein Urananreicherungsprogramm zu stoppen. Andernfalls müsse er mit Wirtschaftssanktionen rechnen. Jetzt erhöhen die USA die Schlagzahl und verlangen von europäischen Firmen, Banken und Regierungen sofort entschiedene Maßnahmen, ihre Verbindungen mit Teheran zu kappen.
Einem Bericht in der New York Times zufolge erklärte einer hoher Vertreter der US-Regierung: "Wir sagen den Europäern, dass sie wesentlich mehr tun müssen, um den Druck auf den Iran zu erhöhen." Gleichzeitig beschwerte sich der Sprecher aber über die Reaktion der Europäer: "Die Reaktion der Europäer auf wirtschaftlicher Ebene war bisher aber sehr schwach."
Die US-Regierung moniert insbesondere Kredite, die europäische Regierungen dem Iran gegeben haben. Der International Union of Credit and Investment Insurers zufolge beliefen sich europäische Kredite an den Iran 2005 auf 13,9 Mrd. Euro. Die größten Geldgeber waren Italien mit 4,7 Mrd. Euro, Deutschland mit 4,17 Mrd., Frankreich mit 1,4 Mrd. und Spanien und Österreich mit je 772 Mill. Euro.
Darüber hinaus ließ der amerikanische Handelsminister Henry Paulson den europäischen Regierungen eine Liste mit 130 iranischen Firmen zukommen, die Washington zufolge entweder in Terrorismus verwickelt seien oder Rüstungsgüter produzierten, und deshalb nicht länger als Handelspartner zu akzeptieren seien. Auch gegen iranische Banken mit Niederlassungen in Europa werden Sanktionen gefordert.
US-Vertreter behaupten, die Forderung nach schärferen Wirtschafts- und Finanzsanktionen richte sich gegen das nukleare Anreicherungsprogramm des Iran, aber Washington hat auch seine Beunruhigung über die Ankündigung der iranischen Regierung zum Ausdruck gebracht, ihre gesamten Auslandstransaktionen inklusive der Bezahlung der Ölexporte von Dollar auf Euro umzustellen. Die Ölexporte machen achtzig Prozent aller Auslandseinnahmen aus.
Diese Maßnahme wurde am 18. Dezember von Gholam Hossein Elham, dem Sprecher der Teheraner Regierung, bekannt gegeben. Die Maßnahme ist zum Teil eine politische Reaktion auf die Aggression der USA gegen den Iran, hat aber auch damit zu tun, dass der Iran sein Öl im Moment für den schwachen Dollar verkauft, anschließend aber seine Importe aus Europa mit dem stärkeren Euro bezahlen muss. Diese Aktion hätte enorme Folgen für den US-Imperialismus und würde möglicherweise auch zahlreiche andere Länder veranlassen, vom Dollar zum Euro zu wechseln.
Europa hat umfangreiche Handels- und Finanzinteressen im Iran und in benachbarten Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Das erklärt das Zögern der Europäer, den Forderungen der USA nachzukommen. Ein europäischer Vertreter erklärte: "Wir werden die Forderungen des US-Finanzministeriums sehr vorsichtig angehen. Wir können dafür sorgen, dass die Banken ihre Geschäfte mit dem Iran zurückschrauben. Aber weil Europa umfangreiche Wirtschaftsinteressen in der Region hat, müssen wir sehr vorsichtig vorgehen."
Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien, die Niederlande, Schweden und Großbritannien unterhalten rege Geschäftsbeziehungen mit dem Iran, besonders auf dem Energiesektor. Die europäischen Länder kaufen nicht nur Öl vom Iran, sondern liefern auch Maschinen, Industrieausrüstungen und Waren, die keine militärische Bedeutung und keinen Zusammenhang mit dem angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran haben.
Hannes Swoboda, Europaabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Sozialisten (SPE), wies die jüngste Kritik der USA an den Wirtschaftsbeziehungen Österreichs mit dem Iran zurück. Er sagte: "Die Intervention der Vereinigten Staaten gegen normale Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran ist völlig ungerechtfertigt. Europa und die europäische Wirtschaft sollten nicht in Geiselhaft für die gescheiterte Iranpolitik der USA genommen werden." Swoboda forderte die österreichische Regierung auf, ihre Wirtschaftsinteressen mit Nachdruck gegen den Druck aus USA zu verteidigen.
Die europäisch-amerikanischen Konflikte in der Nahostpolitik kamen vergangene Woche auch in Bemerkungen des französischen Präsidenten Jacques Chirac zum Ausdruck. In einem Interview mit mehreren französischen und amerikanischen Zeitungen erklärte Chirac rund heraus, dass Teheran innerhalb weniger Minuten ausgelöscht werde, falls der Iran Israel mit Atombomben angreifen sollte.
Als eine kurze, aber scharfe Medienkampagne ihn daran erinnerte, dass es immer noch offizielle amerikanische und europäische Politik sei, zuerst einmal zu versuchen, Iran an der Erlangung von Atomwaffen zu hindern, spielte Chirac seine Bemerkungen am nächsten Tag wieder herunter und revidierte sie. Aber der Schaden war nicht wieder gutzumachen. Mit seiner verbalen Entgleisung hatte Chirac seine Entschlossenheit signalisiert, einen von den USA und ihrer "Koalition der Willigen" unabhängigen Weg zu gehen. Gleichzeitig machte er klar, dass er bereit ist, den französischen Kapitalismus genauso rücksichtslos und brutal zu verteidigen wie sein Gegenspieler im Weißen Haus.
Die Rolle Deutschlands zwischen Europa und den USA
Zunehmend tiefere Gräben zwischen beiden Seiten des Atlantiks sowie zwischen den großen kapitalistischen Mächten in Europa selbst bilden den Hintergrund der jüngsten Reise von Kanzlerin Merkel in die Golfregion. Merkels viertägige Reise in vier arabische Staaten und Golfscheichtümer - Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait - folgt einer ähnlichen Reise der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice auf dem Fuße.
Wie Rice will auch Merkel die Golfscheichtümer dafür gewinnen, den Iran wie auch Hamas und Hisbollah in Palästina und im Libanon zu isolieren. Gleichzeitig hofft Merkel auf einen Ausgleich für mögliche Verluste deutscher Interessen im Iran durch verstärkte Handelsbeziehungen mit der Region, die sich gegenwärtig unter den Fittichen des US-Militärs befindet.
In vieler Hinsicht hat der deutsche Kapitalismus im Falle eines Konflikts zwischen den USA und dem Iran von allen europäischen Staaten am meisten zu verlieren. Deutschland ist der größte europäische Exporteur in den Iran (2005 wurden Waren im Wert von 4,3 Mrd. Euro exportiert, was im Vergleich mit 2002 einer Zunahme um fünfzig Prozent entspricht). Ein großer Teil dieses Handels hat mit der lukrativen iranischen Ölindustrie zu tun. Neben vielen kleineren, sind auch einige der größten deutschen Firmen wie Siemens, BASF und Linde im Iran aktiv.
Trotzdem hat die deutsche Kanzlerin seit ihrer Amtsübernahme 2005 kein Wort der Kritik an dem katastrophalen amerikanischen Krieg im Irak geäußert und hat sich als eine der zuverlässigsten europäischen Stützen der US-Regierung erwiesen.
Im Dezember spielte Deutschland mit Großbritannien und Frankreich eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung der Wirtschaftssanktionen der UNO gegen den Iran. Jetzt verschafft Merkel der verschärften amerikanischen Aggression im Nahen Osten einen wichtigen politischen Deckmantel: Sie fordert, das imperialistische Nahost-Quartett wiederzubeleben, das aus der EU, den USA, Russland und den Vereinten Nationen besteht, und schlägt außerdem eine neue Initiative zur Isolierung radikaler islamistischer Bewegungen vor.
Im Anschluss an ihren jüngsten Besuch im Nahen Osten machte Rice ihren ersten europäischen Zwischenhalt in Berlin und war voll des Lobes über die Unterstützung und das Verständnis, das die Berliner Regierung der US-Politik in der Region entgegenbringt. In einem Interview mit der Financial Times in der vergangenen Woche ging Außenminister Frank-Walter Steinmeier so weit, seine Hoffnung auszudrücken, dass die USA im Nahen Osten eine größere Rolle als bisher spielen möchten.
In ihrer Rolle als EU-Präsidentin und Vorsitzende des bevorstehenden G8-Gipfels ist die Kanzlerin entschlossen, ihre Politik des Appeasement gegenüber den USA fortzusetzen. Sprecher in Washington wiesen darauf hin, Merkel habe sich in der Frage von Wirtschaftssanktionen gegen den Iran aufgeschlossen gezeigt, und zumindest die Commerzbank hat kürzlich den Dollarhandel mit dem Iran ausgesetzt.
Merkel ist auch entschlossen, die deutschen Wirtschaftsinteressen im Nahen Osten und in der Golfregion nicht zu kurz kommen zu lassen. Oberflächlich betrachtet ist der Grund für ihren Besuch die Wiederbelebung der "Roadmap zum Frieden" im Nahen Osten, aber gleichzeitig hat sie eine Delegation von vierzig deutschen Wirtschaftsführern im Schlepptau, unter ihnen Wirtschaftsminister Michael Glos und Vertreter der Deutschen Bank, der Deutschen Bahn und von Siemens und Wintershall. Wichtige Punkte auf der Tagesordnung der Kanzlerin sind die Teilnahme am deutsch-kuwaitischen Wirtschaftsforum in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Gespräche in Saudi-Arabien über deutsche technische Unterstützung und Bereitstellung von Transportverbindungen, falls der Iran eine Seeblockade im Persischen Golf verhängen sollte.
Für Kanzlerin Merkel (CDU) und ihren Außenminister Steinmeier (SPD) bietet die aktuelle Instabilität im Nahen Osten neue Möglichkeiten, den wirtschaftlichen Einfluss Deutschlands in der Region zu stärken, weil der amerikanische Einfluss geschwächt ist. Damit geht aber einher, dass die deutsche Regierung in unverantwortlicher Weise das Vorgehen der Bush-Regierung im Irak stärkt - mit entsetzlichen Konsequenzen nicht nur für die Völker des Nahen Ostens, sondern ebenfalls für die arbeitende Bevölkerung in Europa und Amerika.