Chrysler streicht in Nordamerika 13.000 Stellen
Von der Redaktion
17. Februar 2007
aus dem Englischen (15. Februar 2007)
DaimlerChrysler verkündete am Mittwoch die Absicht, als Teil seiner neuesten Restrukturierungsmaßnahmen für die nordamerikanische Chrysler-Gruppe 13.000 Stellen zu streichen. Diese Arbeitsplatzvernichtung wird verheerende Auswirkungen haben, besonders in Regionen, die schon jetzt vom Verlust Tausender Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und anderen Zweigen der Fertigungsindustrie schwer gezeichnet sind.
Der Plan, den die Arbeiter "Valentinstag-Massaker" titulierten, beinhaltet die Schließung eines ganzen Montagewerks in Newark, Delaware, mit 2.100 Arbeitern, und eines Ersatzteile-Auslieferungslagers in Cleveland, Ohio. Weitere Tausende werden ihre Arbeitsplätze verlieren, weil ganze Produktionsschichten in den LKW-Werken in St. Louis und Warren, Michigan, gestrichen werden. Weitere Kürzungen werden Zulieferfirmen in Detroit, im kanadischen Ontario und anderswo treffen.
In den USA werden 9.000 Arbeiter und in Kanada weitere 200 ihren Arbeitsplatz verlieren. Zusätzlich werden in beiden Ländern zusammen 2.000 Angestelltenstellen vernichtet.
Durch den Abbau soll die Produktion um 400.000 Einheiten pro Jahr zurückgefahren werden. Sobald sich die weiteren Auswirkungen dieser Reduktion auf die inner- und außerbetrieblichen Zulieferer, auf Autohäuser, Autovermietungen und andere von Chrysler abhängige Geschäftszweige auswirken, wird es weitere Entlassungen geben. Der Konzern plant, den Zulieferern Kostensenkungen von 1,5 Mrd. Dollar abzupressen.
Die anderen Automobilgiganten, die in den USA beheimatet sind, haben schon im vergangenen Jahr massive Stellenstreichungen durchgeführt. General Motors und Ford haben im Jahr 2006 mehr als 70.000 Stellen gestrichen. Das brachte die Summe der vernichteten Arbeitsplätze in der US-Auto- und Autozuliefererindustrie im letzten Jahr auf eine Rekordzahl von über 150.000 Stellen.
Als der Geschäftsführer der Chrysler-Gruppe, Tom LaSorda, den Stellenabbau ankündigte, erklärte er: "Wir werden diese Streichungen auf eine Art und Weise durchführen, die für unsere Leute sozial sehr verantwortungsvoll ist."
Es gibt keine "sozial verantwortungsvolle" Art und Weise, Tausende Arbeitsplätze zu zerstören, ohne Zehntausende Familien und ganze Arbeiterwohnviertel in Not und Armut zu stürzen. In Wahrheit ist der Abbau bei Chrysler das neuste rücksichtslose Beispiel, dass die Arbeiterklasse für die Krise der amerikanischen Auto-Industrie und des gesamten Profitsystems aufkommen muss. Die nordamerikanische Chrysler-Gruppe hat im letzten Jahr 1,5 Milliarden Dollar Verluste gemacht.
Die Nutznießer werden die großen Aktienbesitzer, Bankiers und die obersten Führungskräfte der Firma sein, die damit rechnen, dass die Profite des Konzerns und ihre persönlichen Aktienpakete steigen werden. Nach der Ankündigung schoss die Aktie von DaimlerChrysler an der Wall Street und auf den globalen Märkten unmittelbar steil nach oben.
Die Staaten des mittleren Westens der USA, die schon jetzt mit einer massiven sozialen Krise konfrontiert sind, werden die volle Wucht von Chryslers Maßnahmen abbekommen. Michigan, die Heimat von 26.000 Chrysler-Arbeitern und -Angestellten, hat eine offizielle Arbeitslosenrate von 7,1 Prozent. Damit liegt es an zweiter Stelle hinter dem vom Hurrikan verwüsteten Mississippi. Die Zahl der Zwangsvollstreckungen von Häusern ist im Stadtgebiet von Detroit um 100 bis 200 Prozent gestiegen und fast zwei Millionen Einwohner von Michigan bekommen Lebensmittelmarken von der Regierung - 300.000 weitere wären berechtigt, bekommen aber keine Beihilfe. Das ist die höchste Zahl in diesem Staat in der mehr als vierzigjährigen Geschichte des Lebensmittelmarken-Programms der Bundesregierung.
Robert, Facharbeiter in einem Chrysler-Werk in Detroit, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site : "Sie sagen, es sind 13.000 Arbeitsplätze betroffen, aber das ist noch nicht alles. Es können 16.000 bis 20.000 Arbeitsplätze verloren gehen, wenn sich die Produktionskürzungen erst auswirken. Die großen Geldanleger haben sich gesund gestoßen, als die Aktie von Chrysler nach oben schoss, aber der normale Bürger - derjenige, der alles gemacht hat, was man ihm gesagt hat - der muss es ausbaden, der könnte seine Wohnung verlieren und erleben, wie seine Familie auf die Straße geworfen wird.
Sie geben die Schuld immer den Arbeitern. Wir sind angeblich die faulen, überbezahlten Arbeiter mit zu hohen Zuschüssen für die Gesundheitsversorgung, die verantwortlich dafür sind, dass es der Firma schlecht geht. Was für ein Betrug! Wir treffen doch nicht die Entscheidungen. Aber keiner der 2.000 Angestellten, die entlassen werden, wird aus den obersten Führungskräften sein, die nur daran interessiert waren, große Benzin fressende Autos zu bauen, weil die hohen Profit brachten. Sie werden Extra-Gratifikationen erhalten. Das ist sozial unannehmbar.
Chrysler war 1979-1980 schon einmal durch massive Lohn- und Gehaltskonzessionen vor dem Bankrott gerettet worden, die die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) akzeptiert hatte. 1998 wurde der Konzern dann von dem deutschen Autohersteller Daimler aufgekauft. Er wird jetzt in den USA nicht einmal mehr 47.000 Arbeiter beschäftigen gegenüber 134.000 vor drei Jahrzehnten. Im Jahr 2001, in der ersten Phase der Umstrukturierungsmaßnahmen, strich die Firma 40.000 Arbeitsplätze und schloss 16 Werke.
Der nächste Schritt für Chrysler, das lange Zeit die Nummer drei unter den Autoherstellern der USA war, könnte durchaus der Konkurs sein. Geschäftsführer von DaimlerChrysler, die zuvor noch Gerüchte dementiert hatten, dass sie die verlustreiche US-Sparte ausgliedern wollten, verkündeten am Mittwoch sie "würden keine Variante ausschließen". Es gibt weit verbreitete Spekulationen, Chrysler könnte von einem amerikanischen oder europäischen Konkurrenten oder einem chinesischen Automobilunternehmen aufgekauft, oder einfach von Spekulanten wie dem Finanzier und Milliardär Kirk Kerkorian ausgeschlachtet werden.
Die Gewerkschaft United Auto Workers gab am Mittwoch eine lapidare Erklärung heraus, aus der hervorgeht, dass sie nichts unternehmen werde, um gegen die Vernichtung der Arbeitsplätze ihrer Mitglieder zu kämpfen. UAW-Präsident Ron Gettelfinger, der mit den Vertretern der deutschen IG Metall im Aufsichtsrat von DaimlerChrysler sitzt, der dem Stellenstreichungsplan zugestimmt hat, erklärte: "Wir werden sicherzustellen versuchen, dass unsere Mitglieder die Möglichkeit haben, ihre Arbeitsplätze zurückzuerhalten, wenn die Chrysler-Gruppe wieder zur Rentabilität zurückkehrt."
Das einzige Interesse der UAW-Bürokratie besteht darin, ihre vertrauliche Zusammenarbeit mit den Auto-Bossen aufrechtzuerhalten und weiterhin die Gewerkschaftsbeiträge einzusammeln, während die Firma Tausende von älteren, besser bezahlten Beschäftigten durch eine kleinere und brutaler ausgebeutete Belegschaft ersetzt.
Im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte hat die UAW-Bürokratie jeden Kampf gegen Fabrikschließungen, Entlassungen und Lohn- und Gehaltszugeständnisse sabotiert. Die Folge ihrer firmenfreundlichen, korporatistischen Politik war die Vernichtung von 700.000 UAW-Arbeitsplätzen bei den drei großen Autoherstellern seit 1979.
Die UAW fordert wieder einmal Opfer von den Automobilarbeitern, um die US-Autoindustrie zu "retten". Zurzeit verhandelt die Gewerkschaft mit Chrysler über Konzessionen bei der Krankenversicherung, ähnlich denen die General Motors und Ford letztes Jahr eingeräumt wurden. Dadurch wurden Rentnern und ihren Familien zum allerersten Mal überhaupt Selbstbeteiligungen bei der medizinischen Versorgung aufgebürdet. Unterdessen soll die UAW die Bedingungen für "Trennungsvereinbarungen" (Abfindungen) aushandeln, die den Arbeitern eine Art Almosen anbietet, damit sie die Firma verlassen.
Die kriecherischen Kommentare der UAW-Funktionäre fanden ihren Widerhall beim Präsidenten der Gewerkschaft der kanadischen Autoarbeiter Buzz Hargrove, der nicht die Führungskräfte der Firmen, sondern die japanischen, koreanischen und europäischen Automobilhersteller dafür verantwortlich machte, "kanadische Arbeitsplätze zu verlagern".
Nicht ein einziger prominenter Demokrat, einschließlich sämtlicher führender Anwärter auf das Präsidentenamt, hat auch nur eine Stellungnahme gegen Chryslers Pläne abgegeben. Michigans Demokratische Gouverneurin Jennifer Granholm berief sich auf das unantastbare "Recht" von Firmen, Tausende von Arbeitern um ihren Job zu bringen, und erklärte, die Entscheidung sei bedauernswert, aber "marktabhängig".
Obendrein beklagte Granholm, dass die Bush-Regierung keine ausreichend strengen Handelsbeschränkungen für europäische und asiatische Autofirmen erlassen habe, "um es den US-Unternehmen leichter zu machen".
Insoweit die Demokraten überhaupt Anteilnahme für die entlassenen Arbeiter heucheln, vergiften sie sie durch Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit und beten die Forderung der Gewerkschaftsbürokratie nach, Amerika an die erste Stelle zu setzen. Damit sollen die Autoarbeiter vom Kampf gegen die großen Konzerne abgelenkt und gegen ihre Klassenbrüder und -schwestern auf der ganzen Welt ausgespielt werden, die mit denselben Angriffen transnationaler Konzerne konfrontiert sind. Die Volkswagen-Arbeiter sind zum Beispiel mit der Vernichtung von 20.000 Arbeitsplätzen konfrontiert. Um ihre Arbeitsplätze zu verteidigen, haben belgische Arbeiter vor kurzem das VW-Werk in Brüssel-Forest besetzt. Dieser Kampf wurde von den Funktionären der Europäischen Metallgewerkschaft verraten.
Die globale Automobilindustrie ist ein erstklassiges Beispiel für den planlosen und anarchischen Charakter des kapitalistischen Profitsystems und seine verheerenden sozialen Auswirkungen. Angesichts einer globalen Überproduktionskrise - die durch das Auftauchen neuer globaler Konkurrenten, wie z. B. China, noch verschärft wird - sieht sich jede Automobilfirma auf der Welt gezwungen, durch brutale Arbeitshetze, Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer und Vernichtung von Zehntausenden Arbeitsplätzen die Arbeitskosten zu senken.
Die Krise der globalen Autoindustrie wurde durch die stagnierenden Märkte in Westeuropa, Nordamerika und Japan noch verschärft: dies sind die Länder, in denen 70 Prozent aller Autos fahren. Hinzu kommt, dass die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung in den so genannten "Entwicklungsländern" viel zu arm ist, um vom Besitz eines Autos auch nur zu träumen.
In den USA zahlen die Arbeiter einen hohen Preis für die ungezügelte Habgier der amerikanischen Konzerneliten, die das langfristige Wohlergehen ihrer eigenen Firmen geopfert haben, um den schnellsten und höchsten finanziellen Gewinn für die obersten Führungskräfte und die Wall-Street-Investoren einzufahren.
Die gesamte amerikanische Gesellschaft wird dem Wahnsinn einer reichen Elite und ihrer Gier nach immer größerem Reichtum untergeordnet, deren verheerende Entscheidungen sich auf das Leben von Millionen arbeitender Menschen auswirken. Die Arbeiter haben kein Mitspracherecht und keine Kontrolle über die wesentlichsten Entscheidungen, die ihr Leben betreffen. Sie leben in einem System der Marktwirtschaft, das auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln basiert und in dem die Führungskräfte in den Unternehmen diktatorische Macht ausüben.
Will die arbeitende Bevölkerung ihre Interessen wahren, dann muss sie als erstes die demokratische Kontrolle über alle Unternehmensentscheidungen herstellen, bei denen es um die Arbeit, die Sicherheit, die Löhne und die Arbeitszeit geht. Diese Entscheidungen sollten nicht von einer Handvoll reicher Individuen getroffen werden, deren Interessen den Bedürfnissen der Arbeitenden diametral entgegengesetzt sind, sondern von Komitees, denen Fabrikarbeiter, Techniker und andere Experten angehören, die den Bedürfnissen der Arbeiterklasse verpflichtet sind. Die Einführung von Demokratie in der Wirtschaft erfordert die Öffnung aller Konzernbücher für eine Überprüfung durch Arbeiter und die Ernennung einer Firmenleitung durch demokratische Wahl aller Beschäftigten.
Riesige Industriezweige, von denen Millionen Arbeiter mit ihren Familien abhängen, dürfen nicht länger das persönliche Eigentum von Amerikas reicher Elite sein. Die letzten drei Jahrzehnte industriellen Niedergangs, die Zerstörung Detroits, Clevelands und des ganzen "Rostgürtels", wie auch die Wirtschaftskriminalität von Konzernen wie Enron, WorldCom, etc. haben längst bewiesen, dass ein solches System mit den Interessen und der Gesundheit der Gesellschaft völlig unvereinbar ist.
Wenn die Autoindustrie zum Wohl der Gesellschaft betrieben werden soll - und nicht für den privaten Profit - dann muss sie in Volkseigentum übergehen. Das wird die Voraussetzung dafür schaffen, dass Autoarbeiter und ihre Familien ein vernünftiges Leben führen können. Auch die Produktion von sicheren, qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Autos und öffentlichen Verkehrsmitteln für die Konsumenten der Welt wird dadurch erst ermöglicht. Es muss Schluss damit sein, dass das oberste eine Prozent Amerikas den ganzen gesellschaftlichen Reichtum in die Tasche steckt. Die revolutionären Errungenschaften der Technologie und der global integrierten Produktion müssen den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft nutzbar gemacht werden.
Die amerikanischen Autoarbeiter müssen dem primitiven Chauvinismus der UAW-Bürokratie und der Demokratischen Partei eine Abfuhr erteilen und gemeinsam mit ihren Kollegen in Europa, Lateinamerika und Asien um die Arbeitsplätze und grundlegenden Rechte aller arbeitenden Menschen kämpfen.
Der Kampf für eine solche sozialistische und internationalistische Politik erfordert den Bruch mit der Demokratischen Partei, die als integraler Bestandteil des amerikanischen Zweiparteiensystems soziale Ungleichheit und Krieg repräsentiert. Eine sozialistische Massenpartei der Arbeiterklasse muss aufgebaut werden. Dieser Aufgabe hat sich die Socialist Equality Party verpflichtet.