Hessen: Wahlkampf der PSG findet gute Resonanz
Korrespondentenbericht
12. Dezember 2007
Seit einer Woche ist der Wahlkampf der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) im Großraum Frankfurt angelaufen. "Gegen Sozialabbau und Kriegsgefahr - unterstützt den Wahlkampf der PSG!" - auf diesen Appell reagieren täglich Hunderte Menschen, blieben stehen und nahmen bereitwillig Infomaterial mit. An Schulen, Unis und in Wohngebieten wurden schon in den ersten Tagen mehrere tausend Handzettel mit dem aktuellen Wahlaufruf verteilt.
Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) ist die deutsche Sektion der Vierten Internationale. Sie tritt für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei auf der Grundlage eines internationalen und sozialistischen Programms ein und nimmt am 27. Januar an der Hessenwahl teil. Sie ist die einzige Partei, die eine gangbare Alternative sowohl zum rechten Kurs der hessischen CDU unter Roland Koch, wie auch zum so genannten "oppositionellen" Lager von SPD, Grünen und der Linken vertritt.
Lokführerstreik
An den PSG-Infoständen kommen aktuelle Themen zur Sprache, wie die extreme soziale Polarisierung, die unsozialen und ausländerfeindlichen Angriffe der hessischen Landesregierung und natürlich der Lokführerstreik. So gut wie alle Menschen, die stehen bleiben, erklären ihre Sympathie für die Lokführer, die "endlich mal was dagegen tun", und zeigen sich empört, wenn sie erfahren, dass Transnet, Verdi, DKP und Linkspartei dem Lokführerstreik in den Rücken gefallen sind - was viele nicht wussten.
Die meisten bringen den Kampf der Lokführer gegen schlechte Bezahlung und unwürdige Bedingungen spontan mit ihrer eigenen, drückenden Lebenssituation in Zusammenhang. Ein Telekombeschäftigter reagierte auf die Frage, was er über den Lokführerstreik denke, mit der Versicherung, er begrüße ihn voll und ganz. Er berichtete über den jüngsten Ausverkauf bei der Telekom, bei dem Ver.di der Ausgliederung von 50.000 Mitarbeitern und Lohnsenkungen bis zu vierzig Prozent zugestimmt hat. "Ich habe einen richtigen Hass", sagte er. "Die ausgegliederten Kollegen werden schlechter bezahlt, und die Gewerkschaft hat das akzeptiert. Hätten wir nur auch richtig gestreikt und nicht gleich nachgegeben."
Ein Frankfurter Architekturstudent meinte, er habe von Politik wenig Ahnung, aber seiner Meinung nach seien die Lokführer im Recht. Eine Studentin, die ihr Studium durch eigne Arbeit finanziert, räumte ein, der Lokführerstreik habe ihr einige Probleme bereitet, weil für sie notwendige Züge ausfielen, und war überrascht zu hören, dass die Lokführer nur 1.500 Euro netto verdienen: "Wenn das so ist", sagte sie, "dann stehe ich natürlich voll dahinter. Mein Freund arbeitet am Flughafen und kriegt ungefähr ebenso wenig Geld. Ich weiß ganz genau, was es bedeutet, mit so wenig Geld zurechtzukommen." Sie hatte sich bisher kaum um Politik gekümmert, aber jetzt will sie zur PSG-Wahlveranstaltung kommen.
Cyril Casper, 26 Jahre alt, meinte: "Die Ungerechtigkeit bei den Lokführern besteht darin, dass sie so wenig verdienen, obwohl sie eine gefährliche und schwere Arbeit ausüben, die mit großer Verantwortung verbunden ist. Sie müssten ein wesentlich höheres Gehalt bekommen, mit dem sie vernünftig leben können. Die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn verdienen ja so viel wie alle Beschäftigten zusammen. Das ist nicht in Ordnung."
Cyril selbst arbeitet in einer Mosterei, die zur Reha-Werkstatt Niederrad in Frankfurt gehört und dem Landeswohlfahrtsverband angegliedert ist. Er erhält (außer der Wohnung, die ihm gestellt wird) etwas über 200 Euro pro Monat - einen Betrag, den man nur als schäbig bezeichnen kann. Am PSG-Infostand in Frankfurt-Bockenheim berichtete Cyril: "Man wird da ziemlich ausgenutzt - anders kann man es nicht sagen. Dabei soll der Landeswohlfahrtverband vergangenes Jahr einen beachtlichen Reingewinn erzielt haben. Ich arbeite täglich acht Stunden in der Mosterei, eine schwere Arbeit, und bekomme etwas über 200 Euro Gehalt. Häufig müssen wir noch Überstunden machen.
Alle meine Kollegen beschweren sich, und nicht einer von uns kommt mit dem Geld zurecht, was man da verdient, obwohl wir wirklich hart dafür arbeiten. Wir empfinden es als ungerecht. Es wäre besser, auch die Leute in den Reha-Werkstätten würden für ihre Arbeit ein normales Gehalt bekommen."
Als besonders ungerecht empfindet es Cyril, dass die Unternehmer, Manager und Spitzenpolitiker derart hohe Summen einstreichen, wie man tagtäglich hört.
Cyril ist nur ein besonders krasser Fall, aber offensichtlich empfinden wachsende Teile der Bevölkerung wie er. Das Demoskopieinstitut Allensbach hat herausgefunden, dass nur 15 Prozent der Deutschen die Einkommensverteilung in der BRD für gerecht halten.
Im vergangenen Jahr haben zwei Millionen Menschen mit einer Vollzeitbeschäftigung weniger als 7,50 Euro brutto die Stunde verdient - das ist fast jeder zehnte Vollzeitbeschäftigte und ein Anstieg von über zehn Prozent gegenüber 2004. Teilzeitbeschäftigte eingerechnet arbeiteten vergangenes Jahr sogar 5,5 Millionen Menschen für weniger als 7,50 Euro pro Stunde. Rund 1,9 Millionen Beschäftigte erhielten weniger als fünf Euro brutto, eine Zunahme von über zwanzig Prozent gegenüber 2004. Diese Zahlen veröffentlichte die Frankfurter Rundschau am 8. Dezember.
Menschen ohne Papiere
Die wachsende soziale Polarisierung geht mit Angriffen auf demokratische Grundrechte einher. Auch darüber berichten uns täglich Passanten an den Infoständen, die mit den etablierten Parteien sehr unzufrieden sind und nach einer Alternative suchen.
In Hessen lässt Roland Koch, der 1999 mithilfe einer ausländerfeindlichen Kampagne an die Macht gelangte, regelmäßig Menschen ohne gültige Papiere aus Hessen abschieben. Vor zwei Jahren hat die Landesregierung einen Erlass verabschiedet, demzufolge sogar Schulleiter und Ärzte verpflichtet sind, "illegale" Ausländer, selbst Schulkinder, zu denunzieren. Allein in der Stadt Frankfurt leben schätzungsweise 5.000 Kinder und Jugendliche ohne Papiere, die nicht zur Schule gehen, sondern in ständiger Angst vor Entdeckung in Dönerbuden und Lebensmittelgeschäften arbeiten.
Das Problem der Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere sprach Abdelaziz E., wahlberechtigt in Hessen, am PSG-Infostand in Bockenheim an. "Die Menschen müssen ja irgendwie leben können", sagte Abdelaziz. "Ein Beispiel ist mein eigener Onkel, der Deutschland jetzt verlassen hat, weil sein Sohn hier als illegal galt und die Schule nicht hätte besuchen dürfen. Zehn Jahre hat er hier gelebt, hat sich auch verheiratet, aber niemals Papiere bekommen. Daraufhin ist er ausgewandert. Als sein Kind sechs Jahre alt wurde, hat er sich die Frage gestellt: Soll ich hier bleiben oder auswandern, und er ist gegangen, nach Spanien, wo sein Kind wenigstens die Schule besuchen darf.
Ich finde, die Politik von Roland Koch hier in Hessen ist zu hart. Es ist ähnlich wie bei Beckstein oder anderen rechten Politikern: Sie tendieren stark nach rechts. Solche Leute beherrschen zurzeit weltweit die Politik und führen Krieg um Länder, wo es was zu holen gibt. Dabei geht es fast immer nur um Profite."
Auf die Frage, welche Partei er für besser halte, antwortete Abdelaziz: "Bisher habe ich immer die Grünen gewählt. Mein Onkel hat immer gesagt: Wähl die Grünen, die sind nicht nur für die Umwelt, die setzen sich auch für die Ausländer ein. Aber in Frankfurt haben sich die Grünen mit der CDU zusammengetan. Sie verlieren ihre Ziele vollkommen aus den Augen. Sie machen Kompromisse, um an der Macht zu bleiben, um oben an der Spitze mitspielen zu können. Das kann es doch nicht sein. Es ist gut, dass ihr eine neue Partei aufbaut, die die Arbeiter vertritt."