Lehrerstreik in Detroit droht Ausverkauf
Von Walter Gilberti
5. September 2006
aus dem Englischen (31. August 2006)
Der Streik der 7000 Detroiter Lehrer ist gerade einmal drei Tage alt, und schon arbeiten Lehrergewerkschaft (DFT) und die örtliche Schulbehörde an seinem Ausverkauf. Am Mittwoch wurde berichtet, dass die Verhandlungsführer der DFT zusammen mit der Schulbehörde einer gerichtlich verfügten Schweigepflicht zustimmten.
Im Beisein des staatlichen Schlichters, Jim Amar, laufen die Verhandlungen seit Montagnachmittag rund um die Uhr. Am Sonntag davor hatten die Lehrer in großer Mehrheit für den Streik gestimmt und sich gegen die drastischen Kürzungsforderungen ausgesprochen, die der Vorsitzende der Schulbehörde, William Coleman, aufgestellt hatte. Seit Beginn des Streiks vor drei Tagen werden die Lehrer bei der Bildung von Streikposten vor ihren jeweiligen Schulen fortwährend von Eltern, Studenten und Arbeitern unterstützt. Lokale Fernsehsender berichten von Meinungsumfragen, die eine überwältigende öffentliche Unterstützung der Lehrer zeigen. Einer Umfrage zufolge liegt die Stimmung zugunsten der Lehrer bei 72 Prozent.
Doch die Lehrergewerkschaft hat bisher nichts unternommen, diese Unterstützung zu mobilisieren, obwohl den Lehrern nach einem Gesetz, welches öffentlichen Bediensteten Streiks untersagt, Strafen von einem Tageslohn je Streiktag drohen. Das gesamte politische Establishment - die Schulbehörde, der Demokratische Bürgermeister Kwame Kilpatrick, die Demokratische Gouverneurin Jennifer Granholm und die Medien - hat sich gegen die Lehrer verschworen und beschuldigt sie für den desaströsen Zustand des staatlichen Bildungswesens verantwortlich zu sein. Sie alle versuchen die öffentliche Meinung gegen die Lehrer umzukehren und die Lehrer zur Wiederaufnahme der Arbeit zu zwingen.
Die Lehrergewerkschaft DFT, der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO in Stadt und Bundesstaat (Michigan), die Gewerkschaften der Autoarbeiter und der Transportarbeiter und andere lokale Gewerkschaften arbeiten gezielt an der Isolierung der Lehrer. Gleichzeitig arbeitet die DFT hinter verschlossenen Türen an einem Kompromiss, der geeignet ist, die Lehrer auch zukünftig für die Finanzkrise der Stadt, die Folgen der Behördenschlamperei, die Umleitung von Mitteln für Schulen zur Steuererleichterung großer Unternehmen und die Subvention von Casinos, Sportstadien und Luxuswohnungen bluten zu lassen. Und dies in einer Stadt, die nach neusten US- Statistiken die zweitärmste des Landes ist.
Für Donnerstag und Freitag wurden keine Streikposten organisiert, wenn die Schulen aufgrund des Feiertages, des amerikanischen Tages der Arbeit, in ein verlängertes Wochenende gehen. Es wurden keine Kundgebungen oder Massenversammlungen angesetzt. Die Lehrer sollen demobilisiert und zerstreut werden, während die Verhandlungen vor der Aufnahme des regulären Schulbetriebs am 5. September intensiviert werden.
Stattdessen ruft die DFT die Lehrer dazu auf, sich am Montag an der traditionellen, vom AFL-CIO organisierten Detroiter Parade zum Tag der Arbeit zu beteiligen - einem Ritual, das bereits seit mehr als zehn Jahren den tiefen Niedergang der Gewerkschaften veranschaulicht und das neben den Gewerkschaftsbürokraten und ihren Steigbügelhaltern nur noch eine schmale Schicht von Arbeitern anzieht. Der eigentliche Zweck dieser Parade ist es ist, Politikern der Demokratischen Partei eine Gelegenheit zu verschaffen, sich als "Freunde der Werktätigen" darzustellen.
Auf einem Treffen von Führern der Streikposten am Mittwochmorgen gab die DFT-Präsidentin Janna Garrison nur einen kurzen Kommentar ab: "Wir kommen voran ... Ich bin guter Hoffnung, dass wir das lösen können." Diese hohle Erklärung hebt den eigentlichen Zweck der gerichtlichen Schweigeverfügung hervor: die Lehrer im Ungewissen zu halten, um ihnen später umso einfacher einen Ausverkauf aufzuzwingen.
Derzeit besteht die Strategie der Schulbehörde, der Stadtverwaltung und des Bundesstaates (Michigan) darin, auf die Gewerkschaftsbürokratie zu setzen, um die Lehrer zu isolieren und die Einigung auf einen Kompromiss zu erleichtern. Gleichzeitig halten sie die Waffe gerichtlicher Sanktionen und Geldstrafen auf Abruf bereit.
Die Forderung nach Zugeständnissen, die von der Schulbehörde und von Coleman - dessen Jahresgehalt bei 220.000 Dollar liegt - aufgestellt wurde, ist ein bösartiger Angriff auf die Arbeitsbedingungen und den Lebensstandard der Lehrer. Sie beinhalten eine Gehaltskürzung von 5,5 Prozent. Ältere Lehrer würden gezwungen werden, 10 Prozent ihrer Gesundheitsausgaben selbst zu tragen, Lehrer, die nach 1993 eingestellt wurden, sogar 20 Prozent.
Der Bestehende Stopp von Lohnerhöhungen, der jüngere und neu angestellte Lehrer betrifft, würde fortgesetzt werden. Andere Zugeständnisse würden eine Kürzung der bezahlten Krankentage von zehn auf fünf, das Streichen der Vorbereitungszeit aus der Arbeitszeit bei bestimmten Lehrergruppen, die Verlängerung des Schultages und die Streichung von Zuschlägen für Sonderdienste, Lebensalter und für Vertretungen in Gebieten mit Unterbesetzung bedeuten.
Garrison und die Führer der DFT sind nicht bereit und nicht in der Lage, eine Strategie zur Verteidigung der Lehrer gegen diese Angriffe zu entwickeln, weil ein jeder solcher Kampf sie und die gesamte arbeitende Bevölkerung direkt gegen die Demokratische Partei und die Wirtschaft in Konfrontation bringen würde. Die DFT ist jedoch mit der Demokratischen Partei aufs engste verbunden, die gemeinsam mit den Republikanern die Interessen der Wirtschaft vertritt.
Um den Kampf gegen Zugeständnisse und die Angriffe auf die öffentliche Bildung weiterführen zu können, müssen die Lehrer der DFT-Führung die Kontrolle über den Streik entreißen. Sie müssen sich für die Mobilisierung der unabhängigen Stärke der arbeitenden Bevölkerung von Detroit einsetzen und für den Bruch mit der Demokratischen Partei kämpfen, um eine unabhängige politische Bewegung mit sozialistischem Programm aufzubauen.