Berlin: Schüler demonstrieren gegen den rot-roten Senat
Von Marius Heuser
14. September 2006
In Berlin haben am Mittwochvormittag mehr als 5.000 Schüler gegen die Kürzungspolitik des Senats und für eine kostenlose und ausreichend finanzierte Bildung demonstriert. Die Schüler kamen von Schulen aus dem gesamten Stadtgebiet und hatten für die Demonstration ihren Unterricht ausfallen lassen. Einige Teilnehmer müssen daher mit Ordnungsmaßnahmen von Seiten ihrer Schule rechnen.
Um 10 Uhr versammelten sich die Demonstranten auf dem Alexanderplatz. Aus Lautsprecherwagen sprachen Vertreter der Schülervertretung und linker Jugendgruppen. Sie kritisierten die Bildungspolitik des Senats und forderten eine bessere Finanzierung von Kitas, Schulen und Universitäten. Die Bildung dürfe nicht als Ware gehandelt werden, sondern müsse als Grundrecht jedem Menschen zustehen. Gegen 11 Uhr setze sich der Demonstrationszug in Bewegung.
Einige Schüler hatten Transparente gemalt, auf denen sie ihrem Unmut Luft machten. "Dumme Köpfe nicken leichter" oder "Bildungsblockade einreißen" waren verbreitete Parolen. Immer wieder wurden Slogans wie "Bildung für alle und zwar umsonst" oder "Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Bildung klaut" skandiert. Adressat war der von SPD und Linkspartei.PDS geführte Senat, der in den letzten fünf Jahren ein bildungspolitisches Desaster in Berlin geschaffen hat.
Durch eine Gebühren-Neuregelung dieses rot-roten Senats müssen viele Familien inzwischen bis zu 40 Prozent mehr Geld für die Nutzung von Kindertagesstätten bezahlen. Gleichzeitig wurde die Hilfe zur Erziehung um 128 Millionen Euro gekürzt. Sie soll in den nächsten zwei Jahren um weitere 33 Millionen Euro sinken.
An den Schulen wurde die Lehrmittelfreiheit durch eine Selbstbeteiligung der Familien von bis zu 100 Euro pro Kind und Schuljahr ersetzt. Weiterhin hat der Senat 400 Referendariatsstellen für angehende Lehrkräfte gestrichen und den bereits beschäftigten Lehrkräften im Gegenzug zwei zusätzliche Unterrichtsstunden pro Woche verordnet. Die weitere Kürzung der Landeszuschüsse von 75 Millionen Euro für die drei Universitäten der Hauptstadt ist bereits beschlossene Sache und bedeutet den Wegfall von 10.000 Studienplätzen und über 200 Professorenstellen.
Die Schüler sind von den Einsparungen direkt betroffen. Die 16-jährige Jessica erklärt, sie sei auf der Demonstration, um gegen die Schließung ihrer Schule zu protestieren. Das Georg-Christoph-Lichtenberg-Gymnasium sei mit dem Herder-Gymnasium fusioniert worden. Seitdem seien die Klassen überfüllt und die Lehrer knapp. Immer mehr Unterrichtsstunden fielen aus.
Auch Etienne (17) und Micha (18) vom Andreas-Gymnasium in Friedrichshain protestieren gegen den Lehrermangel und schlechte Lernbedingungen. "Die Politik des rot-roten Senats ist engstirnig" sagt Micha.
Christian ist 16 Jahre alt und geht auf das Eckener-Gymnasium. Er kritisiert, dass Bildung für die Menschen immer teurer werde. Er sei nicht bereit, später Studiengebühren zahlen zu müssen, und kritisiert die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit. Zudem würden einige Schulen von der Stadt übermäßig gefördert, während der Großteil sich selbst überlassen bleibe und zugrunde gehe. Der hohe Unterrichtsausfall gehe besonders in Zeiten, in denen der Leistungsdruck immer weiter zunehme, auf Kosten der Schüler.
"Der Senat ist für die Bildungsmisere verantwortlich", meinte Christian. "Nur sehe ich derzeitig keine Alternative. Die WASG ist doch genauso wie die PDS. Deshalb weiß ich auch nicht, was ich am Sonntag wählen soll. Wenn es eine alternative Partei gäbe, würde ich da rein gehen. So muss ich auf die Straße gehen."
Um auf eine solche Alternative aufmerksam zu machen, verteilten Unterstützer der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) die Wahlerklärung zu den Abgeordnetenhauswahlen und betonten, dass eine sozialistische Perspektive notwendig ist, um die Angriffe des Senats abzuwehren und für eine kostenlose und hohe Bildung für alle einzutreten.
Der Berliner Senat hat durch ein massives Polizeiaufgebot gezeigt, was er von den Protesten hält. Während der absolut friedlichen Demonstration wurde mindestens eine Person festgenommen, weil sie Wahlplakate der rechtsextremistischen NPD beschmutzt hätte. Auf der Abschlusskundgebung vor dem Roten Rathaus wurden zahlreichen Demonstranten willkürlich Platzverweise erteilt.