Todesurteil gegen Saddam Hussein
Ein Hohn auf die Gerechtigkeit
Von James Cogan
7. November 2006
aus dem Englischen (6. November 2006)
Die Todesurteile gegen Saddam Hussein und drei weitere prominente Politiker seines Regimes sind das Ergebnis eines politisch motivierten Schauprozesses. Während die US-Truppen jeden Tag unbeschreibliche Grausamkeiten an der irakischen Bevölkerung verüben, hat ein handverlesenes Tribunal den irakischen Ex-Diktator zum Tode durch den Strang verurteilt. Der Zeitpunkt des Urteilspruchs selbst ist ein Versuch, das Wahlergebnis der Republikanischen Partei bei den US-Kongresswahlen am kommenden Dienstag zu verbessern - beruhend auf der Hoffnung, dass die Aussicht auf einen juristisch abgesicherten Lynchmord die Stimmung an der rechten Basis der amerikanischen Regierungspartei hebt.
Saddam Hussein und dem führenden Personal der irakischen Baath-Partei sollte in der Tat der Prozess für ihre an der irakischen Bevölkerung begangenen Verbrechen gemacht werden. Die Bush-Regierung und die herrschende Klasse Amerikas haben jedoch kein Recht, jemandem im Irak wegen Menschenrechtsverletzungen an den Pranger zu stellen. Die Invasion im Jahre 2003 war ein Kriegsverbrechen, eine unprovozierter Akt der Aggression, der mit Lügen gerechtfertigt und unter Verletzung des Völkerrechts durchgeführt wurde.
In den folgenden dreieinhalb Jahren haben die US-Besatzungstruppen versucht, die irakische Bevölkerung durch massenhafte Tötungen, Folter und die Zerstörung ganzer Städte zu unterwerfen. Eine Studie der John-Hopkins-Universität - der einzige glaubwürdige Versuch, die Zahl der Opfer des Kriegs und der Besatzung zu quantifizieren - kam zu dem Ergebnis, dass die US-Regierung für den Tod von 655.000 Irakern verantwortlich ist. Etwa eine Million Iraker starb vor dem Krieg, in den Jahren von 1991 bis 2003 in Folge der per UN-Resolution verhängten Sanktionen, die für Unterernährung, die Verbreitung von Krankheiten und mangelnde medizinische Versorgung im Irak sorgten.
Die Medien, die den Krieg verteidigen, betonen erwartungsgemäß die Freude unter Teilen der schiitischen und kurdischen Iraker über das Todesurteil für Hussein. Es gibt aber im Irak keine Chance auf Gerechtigkeit, solange nicht diejenigen vor Gericht stehen, die in Washington und London für 15 Jahre Tod und Leiden im Irak verantwortlich sind, und solange nicht die widerrechtliche Besetzung des Landes durch Zehntausende amerikanische Soldaten und verbündete Truppen beendet ist.
Zudem hatten die verschiedenen Regierungen der Vereinigten Staaten seit den 1960er Jahren Hussein und seine Baath-Partei politisch und finanziell unterstützt. In dieser Zeit begingen Hussein und die Baathisten einige ihrer schlimmsten Gräueltaten - von Massakern an Mitgliedern der Kommunistischen Partei und sozialistisch gesinnten Arbeitern 1963 bis zur gewaltsamen Niederschlagung schiitisch-fundamentalistischer und kurdisch-nationalistischer Gegner des Regimes in den 1980er Jahren.
Die Morde, für die Hussein soeben verurteilt wurde - die Hinrichtung von 148 schiitischen Männern und Jungen 1982 in Dudschail - ereigneten sich im Kontext der Rückschläge, die das irakischen Militär im Krieg gegen den Iran erlitt, bei dem es von den USA unterstützt wurde. Die Vereinigten Staaten ermutigten Hussein 1980, den Iran anzugreifen, und unterstützten den Irak politisch, finanziell und militärisch während des gesamten achtjährigen Konflikts, weil sie das theokratische Schiiten-Regime, das 1979 in Teheran an die Macht gekommen war, als Bedrohung ihrer Interessen im Nahen und Mittleren Osten betrachteten.
Der Krieg kostete schließlich das Leben von mehr als einer Million Irakern und Iranern. Als das Blutvergießen in vollem Gange war, unterstützten die USA die so genannte "Anfal"-Kampagne, die Hussein angeordnet hatte, um die vom Iran begünstigte kurdische Rebellion im Nordirak zu zerschlagen, wofür der Ex-Diktator ebenfalls vor Gericht steht. Nach dem Golfkrieg 1991 befahl die erste Bush-Regierung dem amerikanischen Militär, nichts gegen die Unterdrückung der schiitischen und kurdischen Aufstände durch Husseins Truppen zu unternehmen.
Jedes rechtmäßige Verfahren gegen Hussein müsste auf die Verantwortung der USA und anderer Großmächte für die Verbrechen des Baath-Regimes im Irak eingehen. Die Farce, die soeben stattgefunden hat, tat das genaue Gegenteil. Alle Beweise, die Verbindungen zwischen der brutalen Diktatur und den Großmächten dokumentierten, waren vor Gericht nicht zugelassen. Es gab keine Abrechnung mit der Vergangenheit und keine Gerechtigkeit für die Ermordeten. Nur einzelne ausgewählte Beweise, die sich ganz direkt auf die Ereignisse von Dudschail bezogen, wurden in den Prozess aufgenommen. Als weitere Vorsichtsmaßnahme wurde die Fernsehübertragung mit 20-minütiger Verzögerung ausgestrahlt, damit Zensoren alles herausschneiden konnten, was die amerikanischen Okkupanten kompromittiert hätte.
Das ganze Verfahren war ein schamloser Schauprozess. Das Sondertribunal für den Irak wurde 2003 durch einen Erlass der US-Übergangsverwaltung im Irak unter Paul Bremer eingerichtet. Die Richter und Ankläger wurden von Amerikanern ausgesucht und von amerikanischen Beratern eingewiesen. Das völlige Fehlen von Glaubwürdigkeit und Unparteilichkeit dieses Gerichts wird von Organisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International und anderen internationalen Beobachtern scharf kritisiert. Bei zahlreichen Gelegenheiten wurde in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt, oder diese durften ihre Verteidiger nicht im Gerichtssaal haben.
Im Januar war der Vorsitzende Richter unter Druck zurückgetreten, nachdem ihm amerikanische Medien und die irakische Regierung vorgeworfen hatten, Hussein nicht energisch genug daran zu hindern, von der Anklagebank aus die Rechtmäßigkeit des Gerichts in Zweifel zu ziehen. Drei Verteidiger wurden im Verlauf des Prozesses ermordet, andere zum Verlassen des Landes gezwungen. Verantwortlich hierfür sind wahrscheinlich Todesschwadrone der schiitisch-fundamentalistischen Parteien, die die derzeitige Regierung in Bagdad dominieren.
Der amerikanische Botschafter im Irak Zalmay Khalilzad lobte das Todesurteil gegen Hussein gestern als "wichtigen Meilenstein" beim "Aufbau einer freien Gesellschaft, in der Recht und Gesetz herrschen". Präsident Bush erklärte das Urteil zu einem "Meilenstein im Kampf des irakischen Volkes, die Herrschaft eines Tyrannen durch die Herrschaft des Rechts zu ersetzen".
Der Zynismus dieser Erklärungen ist atemberaubend. Durch zahlreiche undichte Stellen ist bekannt geworden, dass Politiker wie Khalilzad seit Monaten emsig damit beschäftigt sind, einen Putsch gegen die schiitisch dominierte Regierung von Ministerpräsident Nuri al Maliki vorzubereiten, um sie durch eine Art Militärjunta zu ersetzen. Republikaner und Demokraten sind sich zunehmend einig, dass den USA ein Regime am nützlichsten wäre, das dem einstigen von Hussein nicht unähnlich ist.
Während Hussein zum Tode verurteilt wird, diskutiert das politische Establishment in den USA darüber, viele der baathistischen Mörder und Schläger, auf die sich seine Diktatur stützte, wieder in Amt und Würden zu setzen. Im Gegenzug erhoffen sie sich ein Ende des Guerillakriegs gegen die amerikanischen Truppen und eine Übereinkunft, die amerikanischen Konzernen den ungehinderten Zugang zum irakischen Öl ermöglichen würde. Das Vorspiel zu einer Rehabilitierung der Baath-Elite wäre ein Blutbad der amerikanischen Truppen an den Schiitenmilizen, die gestern das Ergebnis des Hussein-Prozesses auf den Straßen feierten.