WSWS : WSWS/DE : Aktuelle Analysen : Amerika : Krieg gegen Irak

Bushs Pressekonferenz zum Irak: "Wir ziehen nicht ab, solange ich Präsident bin"

Von Patrick Martin
24. August 2006
aus dem Englischen (23. August 2006)

Die Pressekonferenz Präsident Bushs am Montag gab einen Einblick, wie tief die US-Regierung infolge ihres Scheiterns im Irak und im ganzen Nahen Osten in der Krise steckt. Die ganze Konferenz über befand sich Bush in der Defensive und schlug sich mit Fragen herum, die, wenn nicht offen feindlich, doch stark darauf gerichtet waren, die Widersprüche in seiner veränderten Begründung für den Irakkrieg aufzudecken.

Obwohl Bush eine einleitende Erklärung zum Libanon abgab, kamen die Presseleute immer wieder auf den Irakkrieg zu sprechen und stellten Fragen zur Verschlechterung der dortigen Sicherheitssituation und zu der schwindenden öffentlichen Unterstützung für den Krieg in den Vereinigten Staaten.

Der öffentliche Meinungsumschwung gegen den Krieg ist so stark, dass Bush gezwungen war, das gewaltige Ausmaß der Opposition zuzugeben. Er ging mehrmals auf diese Frage ein, was er offensichtlich vorher geübt hatte, wobei er die Opposition einräumte, sie aber gleichzeitig als fehlgeleitet bezeichnete.

"Viele Leute - gute, anständige Leute - sagen: Ziehen wir uns jetzt zurück. Sie liegen absolut falsch. Dieses Land würde einen großen Fehler machen.

Es gibt viele anständige Leute, die sagen: Lasst uns da rausgehen, stimmt für mich, ich werde alles dafür tun, was in meiner Macht steht; ich glaube, sie wollen die Gelder kürzen, um die Soldaten da rauszubekommen. Das ist ein großer Fehler.

Und es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen vielen Demokraten und meiner Partei: Sie wollen nämlich abziehen, bevor die Arbeit im Irak getan ist. Und ich wiederhole noch einmal: Es sind anständige Leute. Sie sind Amerikaner wie ich auch. Ich bin nur zufällig ganz anderer Meinung als sie.

Ich werde den Patriotismus von niemandem in Frage stellen, nur weil er anderer Meinung ist als ich. Es geht hier nicht um Patriotismus. Es geht ganz und gar darum, die Welt zu verstehen, in der wir leben."

Dies war offensichtlich eines der zentralen Themen, die Bushs Berater vor der Pressekonferenz mit ihm eingeübt hatten. Darin zeigt sich die Angst, die bisherige Hetze im McCarthy-Stil gegen Irakkriegsgegner könne ihre Wirkung verfehlt und die Ablehnung der Regierung in der Bevölkerung noch vergrößert haben. Mit solchen hetzerischen Erklärungen waren Vizepräsident Cheney, Bushs Chefberater Karl Rove und andere Republikanische Sprecher aufgetreten.

Einmal wurde Bush direkt zu Cheneys Bemerkungen gefragt, die Wähler in Connecticut, die den Demokratischen Senator Joseph Lieberman wegen dessen Unterstützung für den Irakkrieg nicht wieder nominiert hatten, würden damit "Al-Qaida-Typen ermutigen".

Gebetsmühlenartig wiederholte Bush: "Ein Abzug aus dem Irak, bevor der Auftrag erfüllt ist, würde dem Feind die falsche Botschaft senden und eine noch gefährlichere Welt schaffen." Er versuchte, die Verleumdung von Kriegsgegnern zu entschärfen, indem er hinzufügte : "Sehen Sie, es ist eine ernsthafte Debatte, und es ist eine wichtige Debatte, und Amerikaner sollten zuhören und sich daran beteiligen."

Diese veränderte Haltung in der Öffentlichkeit ist pure Kosmetik. Aller versöhnlichen Rhetorik vom Montag zum Trotz versuchen das Weiße Haus und das Republikanische Nationalkomitee für die Wahl im November die Unterstützung der Rechten zu mobilisieren, indem sie jede Opposition gegen den Irakkrieg als Verrat hinstellen.

Aus diesem Grund übertreibt Bush die "Anti-Krieg"-Haltung vieler Kongress-Demokraten, die in Wirklichkeit die Kriegsziele unterstützen - Eroberung des Irak und seiner Ölvorräte und Herstellung der strategischen Vorherrschaft der USA im Nahen Osten. Sie kritisieren lediglich die Inkompetenz der Bush-Regierung bei der Ausführung dieses neo-koloniale Unterfangens.

Die Hohlheit von Bushs Erklärungen über die Notwendigkeit und Legitimität einer politischen Debatte über den Krieg wird durch seine Weigerung entlarvt, sich mit den Argumenten der Kriegsgegner wirklich auseinanderzusetzen. Seine Version einer "Debatte" bestand darin, fast roboterartig die zweite zentrale Aussage seiner Rede zu wiederholen, dass es notwendig sei, "den Job im Irak zu Ende zu bringen".

Bush ignorierte die Frage, ob die US-Invasion und Besatzung zur Verschlechterung der Lage im Irak geführt habe, und wiederholte zum tausendsten Mal die längst widerlegte Behauptung seiner Regierung, Saddam Hussein habe die Welt bedroht und habe kurz davor gestanden, Massenvernichtungswaffen zu bauen.

Er weigerte sich, ernstlich auf den wachsenden sunnitisch-schiitischen Konflikt im Irak einzugehen, obwohl führende amerikanische Generäle erklärt haben, das Land stehe wohl am Rand eines Bürgerkriegs, und die religiös motivierten Morde, nicht die Anschläge von Terroristen, seien das größte Hindernis für ein stabiles Besatzungsregime der USA.

Dieser Widerwille, sich mit der Realität zu konfrontieren, ist zur Zielscheibe der Kritik vieler großer Zeitungen geworden. Zum Beispiel zitierte der Kolumnist der Washington Post, Eugene Robinson, Bushs Kommentare zur steigenden Zahl von Toten unter Zivilisten und fragte: "Glaubt er denn, es sei ein Zeichen der Schwäche, wenn er zugibt, dass die Demokratie im Irak nicht genau nach Plan aufblüht? Glaubt er, es reiche, zu sagen, alles sei in Ordnung, damit es auch so ist? Ist er in einer Verweigerungshaltung? Oder lässt ihn das Training und eine nette Radtour 3.438 Tote einfach vergessen?"

Auf die Frage, was der Irak mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu tun hatte, gab Bush schmallippig zu: "Nichts". Dann fügte er hinzu: "Niemand hat je gesagt, die Angriffe vom 11. September seien vom Irak in Auftrag gegeben worden."

In Wirklichkeit hat praktisch jedes führende Regierungsmitglied diese Verbindung behauptet, sogar Vizepräsident Cheney, der noch lange, nachdem sie widerlegt war, mit der Behauptung hausieren ging, der mutmaßlich führende Verschwörer vom 11. September, Mohammed Atta, habe sich vor dem Attentat in der tschechischen Republik mit irakischen Agenten getroffen. Condoleezza Rice hatte gewarnt, der nächste 11. September "werde die Form eines Atompilzes annehmen", wenn das Problem Saddam Hussein nicht gelöst würde..

Bush verdrehte auch die Motive der Kriegsgegner, denen er einfach eine überempfindliche Reaktion auf das Blutbad im Irak unterstellte. "Natürlich sieht niemand gerne unschuldige Menschen sterben", sagte er. "Niemand möchte Tag für Tag, wenn er sein Fernsehgerät einschaltet, die Zerstörung sehen, die von Terroristen angerichtet wird."

Doch die Opposition gegen den Krieg erhält in Wirklichkeit neue Nahrung durch den Abscheu, den die Bevölkerung angesichts der enormen Verwüstungen empfindet, die die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten Großbritannien und Israel in der Region anrichten. Die politisch bewusstesten Elemente des öffentlichen Widerstands gegen den Irakkrieg lehnen zudem nicht nur die Methoden der Imperialisten ab, sondern auch ihre Ziele, die eben nicht darin bestehen, den Nahen Osten zu "demokratisieren", sondern den Irak, den Libanon, Syrien, den Iran und andere Länder zu Halbkolonien zu machen, die vollständig den Interessen des amerikanischen Kapitalismus unterworfen sind.

Einerseits wiederholte Bush mehrfach, das Ziel der Vereinigten Staaten im Irak sei, die Sache der Demokratie voranzubringen. Andererseits fühlt er sich in keiner Weise dem demokratischen Willen der amerikanischen Bevölkerung verantwortlich. Die Stimmung in den USA mag sein wie sie will, erklärte er: "Solange ich Präsident bin, werden wir nicht abziehen."

Dieser Widerspruch fand seinen Ausdruck in zwei Bemerkungen Bushs auf der Pressekonferenz. Er erklärte, der "Krieg gegen den Terror" richte sich gegen eine der Demokratie feindliche Ideologie: "Und der einzige Weg, diese Ideologie langfristig zu besiegen, besteht darin, sie mit einer anderen, konkurrierenden Ideologie zu besiegen, einer Ideologie, bei der die Regierung sich nach dem Willen des Volkes richtet."

Aber gegen Ende der Pressekonferenz antwortete er auf die Frage, ob er immer noch hoffe, das amerikanische Volk zu überzeugen, oder ob er so handle, weil er es für richtig halte und sich nicht darum kümmere, dafür jemals die Unterstützung der Öffentlichkeit gewinnen zu können: "Sehen Sie, ich tue, was ich für richtig halte, und wenn die Leute mich deswegen nicht mögen, dann ist es eben so."

Ebensowenig fühlt sich Bush dem "Willen des irakischen Volkes" verantwortlich, denn er erklärt, die US-Truppen werden bleiben, solange er im Amt ist, egal was kommt.

Solche Beteuerungen werfen unvermeidlich die Frage auf, was Bush tun wird, wenn die Mehrheit des irakischen Volkes oder die Mehrheit des amerikanischen Volkes das Blutbad vor dem 20. Januar 2009 beenden will?

Bushs kategorische Erklärungen implizieren, dass seine Regierung keine Beschränkung ihrer Kriegsvollmachten anerkennt und bereit wäre, sich über den Willen des Kongresses hinwegzusetzen, falls dieser einen Zeitpunkt für den Rückzug der US-Truppen festlegen sollte, so unwahrscheinlich das auch ist. Falls die angeblich demokratisch gewählte und souveräne Regierung im Irak auf den Gedanken verfallen sollte, ihren Marionettenstatus abzuschütteln, auf die Stimmung in der Bevölkerung einzugehen und den Abzug der amerikanischen Truppen zu verlangen, dann hätten die USA keinerlei Hemmungen, einen Putsch zu organisieren und eine neue Regierung einzusetzen.

Siehe auch:
Planen die USA einen Putsch im Irak?
(23. August 2006)
US-Regierung stößt Irak an den Rand des Bürgerkriegs
( 2. März 2006)