Amerikas Demokratie in der Krise
David North stellt neues Buch in Sydney vor
Von Laura Tiernan
8. Februar 2005
aus dem Englischen (4. Februar 2005)
Der Chefredakteur der World Socialist Web Site, David North, stellte am 2. Februar im Buchladen Gleebooks in Sydney, Australien, sein neues Buch "Amerikas Demokratie in der Krise" vor. Etwa 130 Besucher, darunter Akademiker, Studenten, Wirtschaftsjournalisten und Mitglieder der australischen Socialist Equality Party, hörten mit großem Interesse North etwa halbstündige Ausführungen über die US-Präsidentschaftswahlen 2000 und 2004.
Der Arbeiterpresse Verlag bereitet gegenwärtig eine deutsche Ausgabe des Buches vor, die in wenigen Tagen erscheinen wird.
North deutet die Ergebnisse der beiden Wahlen als "Symptome einer tiefen Krise der amerikanischen Demokratie". Der "Raub der Wahl 2000", sagte er, habe gegen elementare demokratische Grundsätze verstoßen. Er erinnerte daran, dass in den großen Dramen von William Shakespeare ein Akt der Usurpation niemals ohne Folgen bleibe: "Solche Ereignisse haben immer weitreichende und tiefgreifende Konsequenzen."
Auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die Bush gegen den demokratischen Willen der amerikanischen Bevölkerung zum Präsidenten kürte, seien die illegalen Kriege gegen Afghanistan und Irak und der Patriot Act gefolgt, der demokratischer Grundrechte wie den Schutz vor willkürlicher Verhaftung (Habeas Corpus) außer Kraft setzt.
"Das Wahlergebnis des vergangenen Jahres schockierte viele Menschen, die nicht glauben wollten, dass eine Regierung wiedergewählt wird, die so tief in Korruption und Illegalität verstrickt ist", meinte North. Viele Amerikaner hätten sich der Hoffnung hingegeben, Bushs undemokratische Amtsübernahme im Jahr 2000 sei eine Art Missverständnis gewesen. Aber 2004 sei klar geworden, dass das demokratische System unfähig sei, sich selbst zu korrigieren und von den Gangsterelementen zu reinigen, die gegen die amerikanische Verfassung und das Völkerrecht verstoßen hatten.
North widersprach der Auffassung, Bushs Wiederwahl sei das Ergebnis des demokratischen Volkswillens. "Demokratie ist mehr als formale Stimmabgabe und Wahlteilnahme. Welche Kenntnisse hatte die Bevölkerung? Selbst heute glaubt die Mehrheit immer noch, Saddam Hussein habe mit dem 11. September in Verbindung gestanden und enge Beziehungen zu Al Qaida unterhalten, und dies trotz der Existenz einer breiten Opposition gegen den Krieg."
North beschrieb die hemmungslose Propaganda, der die amerikanische Öffentlichkeit ausgesetzt worden war. Er ging auf die Rede zur Lage der Nation ein, die Bush 2002 gehalten hatte. Damals hatte er behauptet, der irakische Staat horte Massenvernichtungswaffen und Anthrax und bilde Terroristen für einen Krieg gegen die Vereinigten Staaten aus. "Diese Worte wurden von den Medien verstärkt und pausenlos verbreitet. Man muss sich vor Augen halten, dass die Medien käuflich sind und der Durchschnittsamerikaner außerordentliche Schwierigkeiten überwinden muss, um an objektive Informationen gelangen. Nachrichten in Amerika sind Propaganda im groteskesten Sinne des Wortes."
Die Entstellung der Demokratie und der politischen Institutionen in den Vereinigten Staaten sei das Ergebnis zweier Prozesse: Des Verlusts der globalen wirtschaftlichen Vorherrschaft der USA und der wachsenden sozialen Ungleichheit. "Wenn uns die Geschichte eines lehrt, so ist es die Unvereinbarkeit von Demokratie und ausgeprägter sozialer Ungleichheit", betonte North. Heute konzentriere sich ein atemberaubender Reichtum in den Händen einer dünnen Bevölkerungsschicht. Die obersten Tausend Vorstandsvorsitzenden verfügten über ein gemeinsames Jahreseinkommen von 25 bis 30 Milliarden Dollar. "Wer glaubt, die mit einem derartigen Reichtum verbundene Macht könne sich in wenigen Händen konzentrieren, ohne die Substanz der Demokratie zu berühren, macht sich etwas vor."
Zum Schluss wies North auf das Anwachsen einer offen anti-demokratischen Ideologie in den Vereinigten Staaten hin. Ausdruck dieser Tendenz sei ein kürzlich erschienenes Buch des amerikanischen Intellektuellen Michael Ignatieff mit dem Titel "Das kleinere Übel ", das einer autoritären Definition von demokratischen Rechten das Wort rede. Die Gräueltaten von Abu Ghraib, so North, hätteneines politischen Klimas bedurft, das von der Regierung, den Medien und gewissen akademischen Kreisen gezielt gefördert worden sei.
In seinem Buche versuche er, die grundlegenden Prozesse zu erklären, die zur Krise der amerikanischen Demokratie geführt hätten, erklärte North, und "einen Sinn für den starken sozialen Widerstand zu vermitteln, der sich gegen diese Tendenzen entfalten wird".
Die Zuhörer stellten viele Fragen über den Kampf für den Sozialismus in den USA gestellt. Unter anderem ging es um die Rolle der Demokratischen Partei, die politischen Positionen von Ralph Nader, das amerikanische Wahlsystem und die Haltung der SEP zum Demokratiebegriff.
In seiner Antwort ging North auf die Rolle der Demokratischen Partei als wichtigste politische Stütze des amerikanischen Kapitalismus ein. Weder bei den Wahlen im Jahr 2000, noch im Jahr 2004 hätten die Demokraten eine nennenswerte Opposition gegen das illegale Vorgehen der Regierung Bush geleistet. Die sozialistische Bewegung habe in ihrer Geschichte immer dafür gekämpft, die Arbeiterklasse unabhängig von der Demokratischen Partei zu organisieren. Er gab einen kurzen Überblick über die explosiven Klassenschlachten der amerikanischen Geschichte, angefangen beim Bürgerkrieg der 1860er Jahre über die militanten Kämpfe um den Achtstundentag, die Gründung der industriellen Massengewerkschaften in den 1930er Jahren bis hin zur Bürgerrechts- und Streikbewegung der 1970er und 1980er Jahre.
Norths Ausführungen stießen auf großes Interesse. Die Diskussion ging auch nach der offiziellen Veranstaltung weiter. Viele Besucher blieben und ließen sich ein Exemplar des Buchs "Amerikas Demokratie in der Krise" signieren.