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Gewerkschaften würgen Streik der New Yorker Verkehrsbetriebe ab

Von Bill Van Auken
28. Dezember 2005
aus dem Englischen (24. Dezember 2005)

Eine Gruppe führender Gewerkschaftsfunktionäre hat entschieden dazu beigetragen, den Streik bei den städtischen Verkehrsbetrieben von New York City abrupt abzuwürgen. Sie vereinbarten einen Deal, der die 34.000 U-Bahn- und Busbeschäftigten schutzlos harten Strafen und dem Druck ihres Arbeitgebers ausliefert, der Metropolitan Transportation Authority (MTA), die weitreichende Zugeständnisse verlangt.

Der Streik war die erste Arbeitsniederlegung im größten öffentlichen Nahverkehrsnetz des Landes seit 25 Jahren. Er demonstrierte die enorme Wut und Opferbereitschaft dieses Teils der Arbeiterklasse und stellte ihre enorme gesellschaftliche Macht unter Beweis. Er genoss die Sympathie breiter Teile der arbeitenden Bevölkerung in New York City und darüber hinaus.

Aber die Gewerkschaftsführung der Stadt begegnete dem Streik mit Ablehnung und Angst. Die Gewerkschaftsführer befürchteten, er könne außer Kontrolle geraten und das soziale Pulverfass im Finanzzentrum des Weltkapitalismus zur Explosion bringen. Die Stadt New York ist vom sozialen Gegensatz zwischen der Elite der Multimillionäre an der Wall Street und den hart um ihre Existenz kämpfenden Arbeitern buchstäblich zerrissen.

Vor allem fürchteten die Gewerkschaftsbürokraten, ein erfolgreicher Streik der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Nahverkehrs könnte auch andere Arbeiterschichten zum Kampf motivieren. Deshalb bemühten sie sich, den Streik zu sabotieren und zu unterdrücken, wo sie nur konnten.

In einem Artikel vom 23. Dezember erläuterte die New York Times die Rolle der Gewerkschaftsführung. Der Artikel trägt die Unterüberschrift: "Bürgermeister und Gewerkschaftsführung trugen zum Einlenken der beiden Seiten bei". Laut dem Times -Bericht fand am Mittwochnachmittag eine Telefonkonferenz von Roger Toussaint, dem Präsidenten des Ortsverbands 100, der die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe vertritt, und vierzig Führern anderer Gewerkschaften statt.

Die Times schreibt: "Wie Teilnehmer berichteten, machte Mr. Toussaint kein Hehl aus seiner Frustration und forderte ein deutliches Zeichen öffentlicher Unterstützung. ‚Ich brauche keine Beobachter, die mir die Daumen drücken’, soll er laut einem Zeugen gesagt haben. ‚Ich brauche Leute, die selbst ihre Ärmel hochkrempeln.’"

Aber eine solche Unterstützung blieb aus. Während der zweieinhalb Tage, in denen die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe Streikposten standen und den Bus- und U-Bahnbetrieb zum Stillstand brachten, trat nicht ein einziger Funktionäre einer anderen Gewerkschaft der Stadt an die Öffentlichkeit, um den Streik zu unterstützen - noch nicht einmal in Worten.

Gleichzeitig wurde die volle Staatsmacht in Stellung gebracht, um die Verkehrsarbeiter in die Knie zu zwingen. Der Staat New York beschaffte sich eine gerichtliche Verfügung nach dem arbeiterfeindlichen Taylor-Gesetz, wonach die Arbeiter für jeden Streiktag zwei Tageslöhne Buße bezahlen müssen. Für einen durchschnittlichen Bus- oder U-Bahnfahrer macht der finanzielle Verlust durch diese Geldstrafe und die Lohneinbusse der drei Streiktage zusammen etwa zweitausend Dollar aus. Außerdem ermöglichte die Verfügung, führende Gewerkschafter und sogar einfache Arbeiter ins Gefängnis zu werfen.

Der milliardenschwere republikanische Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, versuchte zusätzlich seine eigenen Sanktionen durchzusetzen. Nachdem er die Streikenden als "erpresserisch" beschimpft hatte, erwirkte er gegen die Gewerkschaft vor Gericht eine Geldstrafe von einer Million Dollar pro Tag, die sich mit jedem weiteren Streiktag verdoppelt. Zum Zeitpunkt des Streikendes versuchte die Stadt, vor Gericht gegen jeden streikenden Arbeiter eine Strafe von 25.000 Dollar zu erwirken, die ebenfalls täglich verdoppelt werden sollte.

Die unternehmerfreundlichen Medien überschlugen sich beim Versuch, eine Lynchatmosphäre gegen die Streikenden zu entfachen, und forderten ihre Inhaftierung und Entlassung. Besonders Rupert Murdochs New York Post tat sich mit Hetzparolen hervor, die man nur als faschistisch bezeichnen kann.

Nachdem die Zeitung tags zuvor schon in einer schreienden Titelstory die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Nahverkehrs als "Ratten" bezeichnet und am Donnerstag ein Bild von Toussaints Gesicht hinter Gittern veröffentlicht hatte, setzte sie die Streikenden am letzten Streiktag in einer Kolumne ausdrücklich mit den Terroristen gleich, die am 11. September 2001 Flugzeuge in das World Trade Center gelenkt hatten.

"Die Terroristen betrachteten es als ihre Aufgabe, die Wirtschaft in die Knie zu zwingen", schrieb New York Post -Kolumnistin Andrea Peyser. "Diese einheimischen Feinde geben vor, das Wohl der Stadt im Auge zu haben, haben es aber auf die verletzlichsten Arbeiter abgesehen."

Nichts könnte klarer zeigen, was Amerikas "globaler Krieg gegen Terrorismus" wirklich bedeutet. Er richtet sich gegen jeden, der sich der Profitgier der US-Banken und Konzerne in den Weg stellt - ob im Ausland oder Inland. Und er schafft Bedingungen, um den Kampf der amerikanischen Arbeiterklasse in die Illegalität zu treiben.

Zu alledem schwiegen die Gewerkschaftsführer in New York. Weder veröffentlichten sie Handzettel zur Verteidigung der Beschäftigten des Öffentlichen Nahverkehrs, noch riefen sie zu einer Demonstration auf oder forderten ihre Mitglieder zu Solidaritätsstreiks und -aktionen auf. Nicht ein einziger Gewerkschaftsfunktionär brachte die einfachen Worte über die Lippen: "Ich unterstütze den Streik der Arbeiter im Öffentlichen Nahverkehr."

Ihr Verhalten unterschied sich in nichts von dem der nationalen Führung der Transportarbeitergewerkschaft TWU, die den Streik öffentlich als illegal und nicht genehmigt bezeichnete und die Arbeiter aufforderte, ihre eigenen Streikposten zu missachten und den Streik zu brechen. Sie schickte ihre Anwälte ins Gericht, um den Standpunkt der Stadt zu unterstützen, dass die Gewerkschaft gegen das Gesetz verstoße.

Jeder Unterstützung beraubt, wandte sich Toussaint, dem Times -Bericht zufolge, an zwei Gewerkschaftsbürokraten: Bruce Raynor, Präsident der UNITE-HERE, und Mike Fishman, Präsident des Ortsverbands der Bauarbeitergewerkschaft. Er bat diese zwei Männer, die beide Bloomberg in seinem 70 Millionen Dollar teuren Wahlkampf für die zweite Amtszeit als Bürgermeister von New York unterstützt hatten, ein Wort beim Bürgermeister einzulegen.

Der Zeitung zufolge überzeugten sie Bloomberg, dass Toussaint der MTA helfen werde, Arbeitskosten unter anderem bei den Gesundheits- und Sozialausgaben einzusparen, wenn die Behörde von ihrer ursprünglichen Forderung abrücke, die Rentenregelung für Neueingestellte zu verschlechtern. Bloomberg war offensichtlich der Meinung, er könne auf diese Weise die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe ausreichend schröpfen, um die Annahme von Toussaints Angebot, den Streik zu beenden, zu rechtfertigen.

Dies waren jedoch nicht die einzigen gewerkschaftlichen Drahtzieher des Deals. Auf der Seite des Managements verhandelte auch Barry Feinstein, ein ehemaliger Funktionär der Teamstergewerkschaft, der seit 1989 einen Sitz im Aufsichtsrat der MTA innehat. Feinstein genoss in den frühen siebziger Jahren vorübergehend eine Reputation als "militanter Kämpfer", als er seine Mitglieder anwies, die Zugbrücken ins Zentrum von New York hochzuziehen und so den Verkehr zu unterbrechen, um Angriffe auf die sozialen Bedingungen seiner Mitglieder abzuwehren. Später ließen die Teamsters ihn per Gerichtsbeschluss aus der Gewerkschaft werfen. Er wurde beschuldigt, eine halbe Million Dollar zu seinem persönlichen Gebrauch veruntreut zu haben.

Die Times zitierte den zum Millionär gewordenen Exbürokraten, wie er den MTA-Vorsitzenden und milliardenschweren Spekulanten Peter Kalikow für seine harte Haltung rühmte, die den Streik provoziert hatte: "Viele Menschen dachten, er werde dem Druck nicht standhalten, er werde einknicken, er werde alles tun, um den Streik zu verhindern, die MTA werde einem Streik unter allen Umständen aus dem Weg gehen", sagte Feinstein der Zeitung. "Das ist nicht passiert."

So sieht der korrupte und reaktionäre Schulterschluss der aktuellen und ehemaligen Funktionäre aus, die eine unverzichtbare Rolle dabei gespielt haben, den Streik, den sie von Anfang an ablehnten, zu isolieren und zu unterdrücken.

Aber was ist mit Toussaint? Was hat er erwartet, als er zum Streik aufrief? Offensichtlich hegte er die vollkommen unbegründete Illusion, die andern Gewerkschaften würden ihn unterstützen und die Politiker der Demokratischen Partei, an die der Gewerkschaftsverband TWU hohe Wahlkampfspenden verschwendet hatte, würden der Gewerkschaft politische Schützenhilfe geben. Nichts davon trat ein, was vollkommen vorhersehbar war.

Was das Ergebnis des Streiks betrifft, so bot das Wall Street Journal seiner Leserschaft in der Wirtschaft eine unsentimentale Einschätzung. Es schrieb: "Die Tatsache, dass der Ortsverband 100 der Transportarbeitergewerkschaft ohne Vertrag oder Amnestie der massiven Geldstrafen zur Arbeit zurückkehrte, zeigt die schwache Position, in der sich die Gewerkschaftsfunktionäre befinden.... Die Auseinandersetzung hat zeigt, wie sehr die Unternehmer bereit sind, es mit den Gewerkschaften aufzunehmen, um Konzessionen bei Renten und Sozialleistungen zu erreichen, und dass sie verheerende Streiks riskieren. Die Herausforderung ist groß angesichts einer so geschwächten Arbeiterbewegung, die an Mitgliederschwund leidet und oft genug für ihre Kämpfe nur ambivalente Unterstützung erhält."

Für die 34.000 Beschäftigten der Verkehrsbetriebe, die die Arbeit niederlegten, wie auch für Millionen weiterer Arbeiter, die ihren Kampf unterstützten, stellt der Streik der Verkehrsbetriebe von New York eine strategische Erfahrung von immenser Bedeutung dar.

Der Streik hat vor allem gezeigt, dass die Gewerkschaften als Instrumente des sozialen Kampfes absolut nutzlos geworden sind. Ihre Rolle besteht darin, die Arbeiterklasse in eine Zwangsjacke zu stecken und Niederlagen zu organisieren. Ohne eine unabhängige politische Alternative und ein Gesellschafts- und Wirtschaftsprogramm, dass sich dem Kurs der Wall Street entgegenstellt, jede Beschränkung für die Anhäufung von Profit und Reichtum zu zerschlagen, ist ein erfolgreicher Kampf unmöglich.

Das betrifft nicht nur die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe, die mit dem Taylor-Gesetz des Staates New York und seinem Streikverbot für den Öffentlichen Dienst konfrontiert sind. Jeder ernsthafte Kampf jeder Arbeiterschicht kommt heute unweigerlich mit der Regierung, dem Zweiparteiensystem und dem ganzen Aufgebot von juristischer und polizeilicher Macht in Konflikt, die die Interessen des kapitalistischen Amerika wahren.

Warum war die übrige Gewerkschaftsbürokratie gegen den Streik bei den Verkehrsbetrieben, und warum war die Toussaint-Führung des TWU-Ortsverbands 100 nicht bereit und nicht in der Lage, den Kampf zum Erfolg zu führen?

Es sind Organisationen, die das Profitsystem akzeptieren und verteidigen. Sie arbeiten mit den Unternehmern zusammen, um auf Kosten der Arbeiter die Produktivität zu steigern, während sie ihre Mitglieder politisch der herrschenden Elite und ihrem Zwei-Parteien-System unterordnen - im Wesentlichen mittels ihrer Unterstützung der Demokratischen Partei.

Der Angriff auf Renten und Krankenkassen wird im ganzen privaten und öffentlichen Sektor geführt. Die Bush-Regierung ist entschlossen, die Sozialsysteme abzubauen und alle öffentlich finanzierten Gesundheitsprogramme drastisch zu kürzen.

Es steht außer Frage, dass die gesellschaftlichen und Klassenfragen, die im Streik der Verkehrsbetriebe so machtvoll aufgebrochen sind, sich immer aufs Neue stellen werden. Die Bloombergs und Kalikows, und wie die Milliardäre und Multimillionäre alle heißen, die davon ausgehen, dass sie auch weiterhin zu Gewalt und Einschüchterung greifen können, um die Kämpfe der Arbeiter zu unterdrücken und das System der sozialen Ungleichheit aufrecht zu erhalten, das sie bisher begünstigte, sind im Irrtum.

Sie haben ganz außerordentlich vom Niedergang der alten Gewerkschaftsorganisationen der Arbeiterklasse profitiert, die sich als vollständig unfähig erwiesen haben, die Errungenschaften früherer Generationen zu verteidigen. Aber neue Kämpfe der arbeitenden Bevölkerung werden unweigerlich aufbrechen und werden mit einer entsprechenden politischen Orientierung erfolgreich sein. All jene, die sich in Amerika und weltweit durch die ständige Zerstörung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen der arbeitenden Mehrheit bereichert haben, werden Sturm ernten.

Nur durch einen politischen Kampf gegen das Kapital insgesamt und seine beiden Parteien - die Demokraten und die Republikaner - und durch die Mobilisierung der Arbeiterklasse als unabhängige politische Kraft können die grundlegenden Interessen von Arbeitern heute noch verteidigt werden.

Vom ersten Tag des Streiks bei den New Yorker Verkehrsbetrieben an haben die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site sich auf eine politische Bewaffnung und Vorbereitung der Streikenden und all jener in New York und im ganzen Land konzentriert, die das neue Aufbrechen sozialer Kämpfe in Amerika begrüßt haben.

Jetzt ist es Zeit, diese Erfahrung politisch auszuwerten. Es ist unzulässig, darauf zu hoffen, dass auf spontanem Weg der einen oder anderen Gewerkschaft eine Art Durchbruch gelingt. Nur der Aufbau einer neuen sozialistischen Führung in der Arbeiterklasse bietet einen Weg vorwärts.

Die zentralen Lehren des Streiks bei den New Yorker Verkehrsbetrieben bestehen darin, dass die Arbeiterklasse neue Organisationsformen braucht - vor allem ihre eigene Massenpartei, um für soziale Gleichheit und die Reorganisation des Wirtschaftslebens zu kämpfen, damit die Bedürfnisse der Bevölkerungsmehrheit befriedigt werden können, und nicht weiter große persönliche Reichtümer angehäuft werden..

Dafür kämpft die Socialist Equality Party. Damit sie Erfolg hat, müssen jene, die diese Notwendigkeit einsehen, sich entscheiden, aktiv werden und vor allem der SEP beitreten.

Siehe auch:
Streik bei den New Yorker Verkehrsbetrieben: eine neue Stufe im Klassenkampf
(22. Dezember 2005)