Amerikanische Präsidentschaftswahlen:
Bundesstaat Ohio versucht Kandidatur der SEP zu verhindern
Von der Redaktion
14. September 2004
aus dem Englischen (13. September 2004)
In krasser Missachtung der demokratischen Grundrechte der Socialist Equality Party sowie ihrer Kandidaten und Unterstützer hat ein Sprecher des Wahlausschusses von Ohio am 9. September bekannt gegeben, regionale Beamte hätten über die Hälfte der Unterstützungsunterschriften der Partei für ungültig erklärt.
Die SEP hatte am 18. August fast 8.000 Unterschriften eingereicht, um im Bundesstaat Ohio die Zulassung von Bill Van Auken als Präsidentschafts- und Jim Lawrence als Vizepräsidentschaftskandidat zu erreichen. Das sind weit mehr als die per Gesetz erforderlichen 5.000. Diese Unterschriften mussten bis zum 7. September von regionalen Beamten überprüft werden. Diese haben nun über 4.000 Unterschriften ausgesondert und nur 3.811 gültige an den Wahlausschuss zurückgemeldet.
Der Wahlausschuss von Ohio hielt es nicht für nötig, die SEP über seine Absicht zu informieren, Bill Van Auken und Jim Lawrence nicht zur Wahl zuzulassen. Die SEP erfuhr erst einen Tag nach der offiziellen Entscheidung davon, als sie aus eigener Initiative beim Wahlausschuss anrief.
Jetzt hat die SEP sechs Tage Zeit - vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme bis zum Ablauf der Frist am 15. September um 17 Uhr - um in einer Gegenprobe den Nachweis zu erbringen, dass mehr als 5.000 Unterschriften gültig sind. Allein schon diese Prozedur spottet jedem demokratischen Grundverständnis: Die staatlichen und regionalen Behörden von Ohio, mit ihren Hunderten bezahlten Angestellten, hatten 16 Tage Zeit, um die Unterschriften zu überprüfen und anzufechten, während die SEP, angewiesen auf ihre eigenen, beschränkten Mittel, nur sechs Tage Zeit hat, um den Angriff abzuwehren.
Die SEP-Wahlhelfer mussten sowohl Fotokopien von sämtlichen Unterschriftenlisten anfordern und aus eigener Tasche bezahlen, als auch CDs, auf denen alle registrierten Wähler aufgeführt sind. Nun müssen sie in mühseliger Kleinarbeit die angefochtenen Unterschriften mit den Tausenden von Namen in diesen Datenbanken abgleichen.
Der SEP-Wahlkampf hatte in den Arbeitersiedlungen von Cleveland, Columbus, Toledo, Dayton, Cincinnati und Warren sowie an den Universitäten einen großen Widerhall gefunden. Besonders groß war die Resonanz auf die Forderung der SEP nach unverzüglichem und bedingungslosem Truppenabzug aus dem Irak.
Bereits zu einem früheren Zeitpunkt hatten die Behörden von Ohio beschlossen, David Lawrence als Kandidaten für den 1. Kongressbezirk abzulehnen. Im April und Mai hatten Lawrence und seine Wahlhelfer 2.660 Unterschriften in diesem Wahlbezirk gesammelt, weit mehr als nötig waren, um ihn aufzustellen.
Die Behörden weigerten sich aber, die Unterschriften entgegen zu nehmen, und verwiesen auf die Eingabefrist vom 1. März. Ein US-Bezirksgericht und das 6. Kreisberufungsgericht bestätigten diesen willkürlichen Termin, der fast ein halbes Jahr vor der Abgabefrist für die Präsidentschaftswahlen liegt. Dieser gerichtlich sanktionierte Anschlag auf demokratische Rechte ermutigte die Behörden, noch einen Schritt weiter zu gehen und der SEP die Zulassung zur Präsidentenwahl zu verweigern, obwohl diesmal von verpassten Fristen oder der Verletzung anderer technischer Vorschriften keine Rede sein konnte.
Allein schon die Nachprüfung der ersten abgewiesenen Unterschriften hat gezeigt, dass das Vorgehen gegen die SEP auf grobem Machtmissbrauch und politischer Voreingenommenheit beruht. In Cuyahoga County, wo Cleveland liegt, sind mindestens vierzig Prozent der Beanstandungen unbegründet: angefochtene Unterschriften sind entweder offensichtlich gültig, enthalten kleine Fehler bei der Adressangabe (z.B. Buchstabenfehler), oder die Unterschriften sind in Druckbuchstaben geschrieben, um sie leichter lesbar zu machen.
Solche Unterschriften in Druckbuchstaben wurden im gesamten Staat als "nicht authentisch" beanstandet. Viele weitere wurden mit der Anmerkung "unleserlich" zurückgewiesen, obwohl die Adresse klar erkennbar war und die Wahlrechtsbeamten gehalten sind, die Adresslisten zu Rate zu ziehen, um die Namen der Wähler zu entziffern. Eine weitere große Zahl abgelehnter Unterschriften stammt von Wählern, die umgezogen und an ihrer neuen Adresse noch nicht wieder registriert sind. Der Wille all dieser Wähler, die bereit waren, Bill Van Auken und Jim Lawrence zu unterstützten, wird jetzt durch die Behörden willkürlich missachtet.
Eine erste Gesamtübersicht der abgelehnten Unterschriften ergibt klare Hinweise, dass dabei politische Voreingenommenheit im Spiel ist. In Franklin County, zu dem auch Columbus gehört, sowie in Dutzenden Regionen mit ländlichem Charakter und kleineren Städten wurden über sechzig Prozent der SEP-Unterschriften für gültig befunden. In fünf städtischen Regionen - Cuyahoga (Cleveland), Lucas (Toledo), Montgomery (Dayton), Hamilton (Cincinnati) und Trumbull (Warren) - sollen dagegen weniger als vierzig Prozent der Unterschriften gültig sein.
Diese Diskrepanz kann nicht mit der unterschiedlichen Zahl registrierter Wähler erklärt werden. Im gesamten Bundesstaat sind weit über sechzig Prozent der Bürger als Wähler registriert, und in den Stadtregionen, selbst den ärmsten, ist es immer noch mehr als jeder zweite erwachsene Bürger. Der Grund für die Ungleichheit liegt auf der Hand: In den Verwaltungen von Columbus und des ländlichen Ohio sitzen Beamte, die der Republikanischen Partei nahe stehen, während die fünf großen, hochindustrialisierten Stadtregionen von der Demokratischen Partei im Bündnis mit der Gewerkschaftsbürokratie kontrolliert werden.
Republikaner wie die Demokraten sind erbitterte Gegner des Sozialismus und lehnen demokratische Rechte für Sozialisten und Arbeiterparteien ab. Aber unmittelbar sind die Demokraten durch die Teilnahme von Sozialisten an den Wahlen zweifellos stärker betroffen, und sie reagieren auch sensibler auf den wachsenden Einfluss von Sozialisten in der Arbeiterklasse und der Jugend.
Die Behauptung, die SEP habe nicht genügend Unterschriften eingereicht, um sich für eine Wahlteilnahme zu qualifizieren, ist eindeutig absurd. Jede beliebige Stichprobe unter den Einwohnern würde ergeben, dass sie zu siebzig Prozent als Wähler registriert sind. Dennoch behaupten die Behörden, die SEP habe es nur auf 45 Prozent registrierte Wähler gebracht, und das obwohl sie sich bei jedem Unterzeichner vergewissert hatte, ob er registriert sei.
Auch die Geschichte Ohios spricht gegen die Ablehnung durch den Wahlausschuss. Die Vorgängerpartei der SEP, die Workers League, hatte 1984 und 1988 zur Präsidentenwahl kandidiert und dabei jedes Mal etwa die gleiche Anzahl Unterschriften eingereicht wie die SEP in diesem Jahr. Dabei ist der prozentuale Anteil der registrierten Einwohner des Staates seit den achtziger Jahren angestiegen; trotzdem soll die Liste der SEP dieses Mal zu wenig gültige Unterschriften enthalten.
Der Angriff auf die SEP in Ohio ist typisch für die Art und Weise, wie sich die Demokratische Partei überall in Amerika bemüht, Drittparteien aus den Wahlen fernzuhalten, die Unterstützung bei Abeitern oder bei Wählern finden könnten, die die Kriegspolitik der Republikaner und der Demokraten ablehnen. So haben die Demokraten die unabhängige Präsidentschaftskandidatur von Ralph Nader in fast einem Dutzend Bundesstaaten erfolgreich verhindert - erst vor kurzem in Virginia und Florida.
Wenn es bei den Präsidentschaftswahlen 2004 eng werden sollte, ist Ohio einer der wichtigsten und am heißesten umkämpften Bundesstaaten. Eine Umfrage, die von der Zeitung Columbus Dispatch am Sonntag veröffentlicht wurde, ergab 46 Prozent für Bush, 46 Prozent für Kerry und zwei Prozent für Nader. Das Wahlergebnis könnte also in Ohio durch einige Tausend oder sogar durch ein paar Hundert Stimmen entschieden werden.
Vor diesem Hintergrund zog die Parteibürokratie der Demokratischen Partei alle Register, um Ralph Nader in Ohio den Wahlstatus zu verweigern. Naders Wahlhelfer legten 14.573 Unterschriften vor, beinahe das Dreifache der erforderlichen 5.000. Die regionalen Behörden lehnten über 8.000 davon als ungültig ab, aber auch so blieben noch 6.464 gültige Unterschriften übrig und der Wahlausschuss setzte Naders Name schließlich auf den Stimmzettel.
In diesem Zusammenhang bekommt die groteske Disqualifizierung der SEP einen politischen Sinn: Wenn die Demokraten die Absicht hatten, Nader mit seinen fast 15.000 Unterschriften scheitern zu lassen, konnten sie schlecht zulassen, dass die SEP mit 8.000 Unterschriften zugelassen wird.
Die Präsidentschaftskandidaten der SEP sind schon in vier Staaten offiziell bestätigt worden: in New-Jersey, Colorado, Iowa und Washington. Auch in Minnesota werden SEP-Wahlhelfer bis zum Fristende am 14. September die nötige Anzahl Unterschriften einreichen. Sie haben bereits weit mehr als die 2.000 Unterschriften gesammelt, die in diesem Staat erforderlich sind. Außerdem kandidiert in Maine und Michigan jeweils ein Kandidat der SEP für den Kongress und ein dritter für einen Parlamentssitz im Bundesstaat Illinois.
Im Mittelpunkt der SEP-Kampagne steht der Kampf zum Aufbau einer unabhängigen politischen Massenbewegung der Arbeiterklasse. Wir sagen den Arbeitern die Wahrheit: Die Demokratie in Amerika ist ein Betrug. Die Unzahl von Vorschriften und Prozeduren, die die US-Wahlen regeln, haben den Zweck, Millionen von Menschen auszuschließen und zu entmündigen. Das Wahlrecht, das selbst Angehörigen von Minderheiten, Arbeitern und Armen oft vorenthalten wird, hat keine Bedeutung, solange die herrschende Elite den Auswahlprozess der Kandidaten kontrolliert und nur ihre eigenen, im Voraus getesteten Wahlkandidaten aufstellt, unter denen die Wähler dann ihre "freie Wahl" treffen können.
Die SEP ruft alle Leser der WSWS und alle Unterstützer auf, vom Wahlausschuss von Ohio zu verlangen, ihren Angriff auf unsere demokratischen Rechte einzustellen und Bill Van Auken und Jim Lawrence im ganzen Bundesstaat auf den Stimmzettel zu schreiben. Die Protestbriefe sollten per e-mail an folgende Adresse geschickt werden:
Kenneth Blackwell Ohio Secretary of State www.sos.state.oh.us
Bitte eine Kopien an: editor@wsws.org.