USA: Berufungsgericht von Ohio bestätigt Ausschluss von SEP-Präsidentschaftskandidaten
Von Jerry White
9. Oktober 2004
aus dem Englischen (6. Oktober 2004)
Am Montag bestätigte das Berufungsgericht des 10. Distrikts von Ohio die Entscheidung des Innenministers, die Kandidaten der Socialist Equality Party (SEP) für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten, Bill van Auken und Jim Lawrence, von der Wahl am 2. November auszuschließen.
Die drei Richter - zwei Republikaner und ein Demokrat - wiesen den Antrag der SEP-Kandidaten auf einstweiligen Rechtsschutz zurück und lehnten es ab, Ohios Innenminister Kenneth Blackwell zu verpflichten, seine ursprüngliche Entscheidung zurückzunehmen und sie zuzulassen.
Die Entscheidung ist ein Angriff auf das demokratische Recht von unabhängigen Kandidaten und von Kandidaten dritter Parteien, an Wahlen teilzunehmen, und auf das Recht von Wählern, ihre Stimme für die Partei ihrer Wahl abzugeben. Faktisch wird damit mehr als 8.000 Wählern in Ohio das Wahlrecht entzogen, die für die Wahlteilnahme von Van Auken und Lawrence ihre Unterstützungsunterschrift gegeben hatten.
Das Urteil unterstützt die Bemühungen der zwei großen Parteien und der amerikanischen herrschenden Elite, die Wahlen einzuschränken und das Zwei-Parteien-System aufrechtzuerhalten, in dem die Sorgen und Nöte der arbeitenden Bevölkerung keinen Ausdruck finden. Diese Bemühungen sind in diesem Jahr verstärkt worden, um Kandidaten auszuschließen, die gegen den Krieg im Irak sind. Die SEP ist dabei ein bevorzugtes Ziel, weil sie für ein sozialistisches Programm eintritt, das den Würgegriff der Finanzoligarchie über das gesellschaftliche und politische Leben bekämpft.
Bereits vor zwei Wochen hatte der Innenministers von Ohio entschieden, den unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Ralph Nader vom Stimmzettel zu streichen. Das Urteil gegen die SEP bestätigt nun im Wesentlichen die willkürlichen Bestimmungen, mit denen Kandidaten, die das Zweiparteiensystem in Frage stellen, unüberwindliche Hindernisse in den Weg gelegt werden.
Das Gericht anerkannte den Nachweis der SEP, dass die Wahlbeamten von Ohio "ermessensmissbräuchlich" gehandelt hatten, als sie Hunderte gültiger Unterschriften für Van Auken und Lawrence nicht akzeptierten. Es räumte auch ein, dass viele gültige Unterschriften zurückgewiesen wurden, weil die Wahlämter veraltete Wählerregister verwandten. Trotzdem bestätigte das Gericht die Entscheidung des Innenministers, mehr als die Hälfte der von der SEP eingereichten Unterschriften für ungültig zu erklären und dann die Partei mit der Begründung von der Wahl auszuschließen, sie habe die vorgeschriebene Zahl von 5.000 Unterstützungsunterschriften registrierter Wähler nicht erreicht.
Die Demokratische Partei spielt bundesweit und in Ohio die führende Rolle dabei, sozialistische und Antikriegskandidaten von der Wahl auszuschließen. Sie will die Wähler so zur Auffassung zwingen, man könne nur gegen Bus sein, indem man für John Kerry stimme. Der demokratiefeindliche Angriff auf alternative Kandidaten wird aber auch von den Republikanern getragen.
Der Gerichtsentscheid von Montag geht mit weitreichenden Maßnahmen von Innenminister Blackwell einher, mit denen die Wahlteilnahme Zehntausender Wähler verhindert werden soll, die sich in den letzten Wochen in Rekordzahlen haben registrieren lassen. Blackwell ist führendes Mitglied der Wahlkampagne von Bush in Ohio. Wie sein republikanisches Kollegin Katherine Harris in Florida bei der Wahl vor vier Jahren, hat Blackwell eine Reihe von Hindernissen aufgebaut, um die Wahlteilnahme gering zu halten. Einmal ordnete er an, dass Anträge auf Wählerregistrierung zurückgewiesen werden, die nicht auf einem bestimmten Papier gedruckt sind - eine Maßnahme, die er nach einem Aufschrei in den gesamten USA zurücknehmen musste.
Er beharrt jedoch weiterhin darauf, dass provisorische Stimmzettel nicht gezählt werden dürfen, wenn sie nicht in dem Wahllokal eingeworfen werden, wo der Wähler registriert ist. Diese willkürliche Maßnahme wird ganz überwiegend arme Wähler und solche aus der Arbeiterklasse sowie Erstwähler treffen.
Die Entscheidung der Berufungsrichter ignorierte die verfassungsrechtlichen Fragen, die der juristische Vertreter der SEP, Bürgerrechtsanwalt Robert B. Newman aus Cincinnati, aufgeworfen hatte. Newman hatte vorgebracht, dass Blackwells Weigerung, die Disqualifizierung von mehreren Hundert Unterschriften registrierter Wähler zu überprüfen oder zu korrigieren, eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Kandidaten darstelle.
Örtliche Wahlämter hatten fälschlicherweise fast jede Unterschrift, die in Druck- statt Schreibschrift getätigt worden war, und solche mit einem Kürzel oder der Initiale des Vornamens, verworfen. Hunderte weitere wurden abgelehnt, weil die Adressen nicht mit den veralteten Unterlagen der Ämter übereinstimmten.
Der Antrag der SEP griff die Verfassungsmäßigkeit des Adresserfordernisses an und wies darauf hin, dass diese Bestimmung nicht nur diejenigen mit einer hohen Mobilität diskriminiere - vor allem die ärmsten Schichten der Arbeiterklasse und College-Studenten - sondern im letzten Monat auch vom Berufungsgericht von Maryland für verfassungswidrig erklärt worden sei. In diesem Fall war es um Nader gegangen.
Das Gericht in Ohio befasste sich nicht mit diesen wichtigen Fragen des Wahlrechts und eines rechtsstaatlichen Verfahrens und rechtfertigte stattdessen aggressiv die bestehenden Gesetze und Regelungen, die einer Wahlteilnahme im Wege stehen.
Zum Beispiel wiesen die Richter kritiklos darauf hin, dass es nach den Wahlstatuten von Ohio zwar Einzelpersonen möglich ist, für gültig erklärte Unterstützungsunterschriften anzufechten, dass es aber für Kandidaten, deren Unterstützungsunterschriften für ungültig erklärt wurden, keine Möglichkeit des Widerspruchs gegen die offizielle Entscheidung gibt.
Eine vorläufige Untersuchung der SEP hat nachgewiesen, dass 1.420 der 4.172 abgelehnten Unterschriften von ordnungsgemäß registrierten Wählern stammten. Rechnet man diese den von den Wahlbeamten für gültig erklärten hinzu, würde die SEP die Anforderung von 5.000 Unterstützungsunterschriften bereits erfüllen.
Der Innenminister hatte sich geweigert, das zu überprüfen, und deutlich gemacht, dass seine Entscheidung, die SEP-Kandidaten von der Wahl auszuschließen, nicht anfechtbar sei. Das Gericht stimmte dieser Farce zu und erklärte, weder die fehlende Zeit, die Entscheidung des Innenministers zu überprüfen, noch das Fehlen eines Widerspruchsverfahrens seien ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Das Gericht anerkannte, dass der Antrag der SEP auf einstweiligen Rechtsschutz zulässig sei, da kein anderes Rechtsmittel existiere. Die Richter meinten jedoch, Van Auken und Lawrence könnten nur Recht bekommen, wenn sie nachwiesen, dass die Entscheidung der Wahlbehörden aufgrund von "Betrug, Korruption, Ermessensmissbrauch oder einem eindeutigen Verstoß gegen geltendes Recht" zustande gekommen sei.
Sie räumten dann ein, dass die Ämter tatsächlich einen solchen "Ermessensmissbrauch" begangen hatten, als sie fälschlicherweise Hunderte Unterschriften disqualifizierten, die in Druckschrift geschrieben worden waren oder kleinere Abweichungen von den Unterschriften aufwiesen, wie sie auf der computerisierten Wahlliste erschienen. Sie anerkannten, dass die SEP "Recht damit habe, dass die kursorische Ablehnung der Unterschriften in Druckschrift durch die Wahlbehörde einen Ermessensmissbrauch darstellt, wie auch die anderen von ihr angeführten Ablehnungen es sind."
Aber nachdem es einen zentralen Punkt des Rechtsmittels der SEP gegen die Wahlbehörden und Innenminister Blackwell akzeptiert hatte, behauptete das Gericht, der Staat als ganzer habe im Rahmen des Gesetzes gehandelt. "Die örtlichen Behörden haben ihr Ermessen bei der Zurückweisung von Unterschriften nicht missbraucht, weil sie die Vorschriften strikt anwandten", so das Gericht.
Besonders spitzfindig argumentierte das Gericht gegen die Tatsache - die es nicht bestritt -, dass die Wählerlisten völlig veraltet sind und deshalb zur fälschlichen Abweisung von Hunderten neu registrierter Wähler führen können. In dem Richterspruch heißt es, es sei falsch, wenn die SEP behaupte, "vier- bis achtwöchige Verzögerungen" bei der Aktualisierung von Wählerdaten "führe zu einem bestimmten Prozentsatz von fälschlich für ungültig erklärten Unterschriften". Sie zogen den Schluss: "Da es die notwendigen Unterschriften nicht gibt, mit denen die Ansprüche der SEP gestützt werden könnten, zögern wir, ausgehend von rein statistischen Beweisen unsicherer Herkunft über die Häufigkeit des Wohnungswechsels von Wählern eine solche Extrapolation vorzunehmen."
Die Richter erklärten weiter: "Während wir das Vorbringen [der SEP-Kandidaten] akzeptieren, dass die Wahlämter möglicherweise ihr Ermessen missbraucht haben könnten, reichen die Beweise in dieser Hinsicht nicht aus, zu einer notwendigen Mindestzahl von Unterschriften zu kommen."
Das Gericht urteilte praktisch, die SEP müsse beweisen, dass veraltete Wählerlisten zur Disqualifizierung von so vielen Unterschriften geführt hätten, dass die 5.000 geforderten Unterschriften sonst erreicht worden wären. Das habe sie nicht getan. Dabei macht es gerade der veraltete Zustand der Wählerlisten unmöglich, einen solchen Beweis zu führen!
Dass die Ämter von Ohio mit neuen Registrierungen überschwemmt worden sind - viel mehr als erwartet - ist gut dokumentiert. Im ganzen Land sind Zeitungsberichte erschienen, wonach es eine Welle der Wahlbeteiligung gibt, besonders unter Jung- und Erstwählern, und speziell in Arbeitergebieten. In Ohio, dem vielleicht am heißesten umkämpften "unentschiedenen" Staat, hat es besonders viele Neuregistrierungen gegeben.
Laut einer neuen Klage, die diese Woche von Naders Anwälten eingebracht wurde, gab es in Lucas County (Toledo) am 2. September noch 12.000 nicht bearbeitete Wählerregistrierungen. Das Rechtsmittel, mit dem der Staat gezwungen werden sollte, seine Wahlregister auf den neuesten Stand zu bringen und Naders für ungültig erkläre Unterschriften noch einmal zu überprüfen, behauptet, dass bis zu 100.000 Anträge auf Wahlregistrierung im ganzen Staat noch nicht bearbeitet worden waren, als die Wahlämter Naders Unterstützungsunterschriften erstmals überprüften.
Eine politische Tatsache wird aus der Entscheidung des Gerichts klar: ein Leitprinzip der amerikanischen herrschenden Elite, ihrer großen Parteien und ihrer Gerichte besteht darin, die breite Masse der Bevölkerung von jedem Einfluss auf die Regierungspolitik auszuschließen und jede Herausforderung des Zweiparteinsystems zu unterdrücken.
In Reaktion auf die Entscheidung des Gerichts vom Montag erklärte Jim Lawrence, der Vizepräsidentschaftskandidat der SEP: "In einer Zweiparteiendiktatur kam das nicht unerwartet. Die arbeitende Bevölkerung muss verstehen, wie weit die Regierung geht, sie ihrer demokratischen Rechte zu berauben, einschließlich des Wahlrechts.
Tausende von Arbeitern haben für uns unterschrieben, auch in meiner Heimatstadt Dayton. Ihnen wird jetzt das Wahlrecht entzogen, wie auch den Leuten, die verstanden haben, was los ist, und jemanden gegen die beiden Parteien des Kapitals kämpfen sehen wollen. Wenn man die Unterstützungsunterschriften für die SEP und für Nader zusammennimmt, sind das mehr als 20.000 Menschen, die nicht das Recht haben, für den Kandidaten ihrer Wahl zu stimmen.
Blackwell will Florida in Ohio wiederholen. Es gibt Rekordzahlen von 18-Jährigen, die sich registrieren lassen und die ihr Leben nicht in einem verbrecherischen Krieg opfern wollen. Man muss annehmen, dass sie größtenteils gegen die Bush-Regierung stimmen werden.
Die Demokraten machen vielleicht Theater, weil Blackwell Stimmen unterdrückt, aber besonders große Sorgen machen sie sich nicht. Das letzte, was sie wollen, ist ein massiver Zustrom von Arbeitern und jungen Menschen ins politische Leben. Sie wollen diese neuen Wähler vielleicht benutzen, um die Wahl zu gewinnen, aber sie wissen, dass diese Menschen in Konflikt mit Kerry kommen werden, wenn er gewinnt, und zwar wegen seiner Kriegs- und Sozialpolitik. Für die Demokratische Partei ist es weitaus wichtiger, die arbeitenden Menschen von einer politischen Alternative gegen die zwei Parteien des US-Imperialismus abzuschneiden, als die Wahl zu gewinnen.
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton, die gestohlene Wahl von 2000, die Kriege in Afghanistan und Irak, der Patriot Act - all das deutet auf immer entschiedenere Schritte in Richtung einer autoritären Herrschaft. Das Recht zu wählen und andere demokratische Rechte werden verteidigt werden - und können nur verteidigt werden -, indem eine neue Massenpartei der Arbeiterklasse aufgebaut wird."