Weitere US-Luftangriffe auf Falludscha
Von Peter Symonds
2. Oktober 2004
aus dem Englischen (29. September)
Wie fast jeden Tag, haben amerikanische Kampfbomber auch letzten Samstag wieder massive Angriffe auf die irakische Stadt Falludscha geflogen, um die etwa 300.000-köpfige Bevölkerung dieser Hochburg des Widerstands zur Unterwerfung zu zwingen.
Die Bombardierung begann am späten Freitag Abend mit Angriffen auf einen aus Beton- und Erdbarrieren bestehendes "störendes Hindernis". Die Kampfflugzeuge kehrten später zurück, als "Aufständische" eine US-Basis am Stadtrand mit Raketenwerfern und Mörsergranaten beschossen. Mindestens sechs Häuser wurden durch sogenannte "Präzisionsangriffe" zerstört.
Ein amerikanischer Militärsprecher erklärte, sieben "Aufständische" seien bei den Angriffen getötet worden, und es habe keine "zivilen Verletzten oder Tote" gegeben. Niemand erklärte, wie die Ziele ausgewählt worden waren. Auch sagte das Militär nicht, wie es in stockdunkler Nacht die Toten zählen und herausfinden konnte, ob es feindliche Kämpfer waren.
Dr. Abdalrahman Mohammed vom Krankenhaus von Falludscha widersprach den US-Behauptungen und erklärte, dass mindestens acht Menschen bei den Angriffen gestorben seien, unter ihnen zwei Frauen, drei Kinder und ein alter Mann. Reuters TV zeigte Bilder eines verletzten Babys, das aus den Trümmern eines zerbombten Hauses geborgen wurde, und einer blutüberströmten, aber lebenden Frau, die gerettet worden war. Ein Bericht von Associated Press setzte die Zahl der Opfer höher an und sprach von fünfzehn Toten und dreißig Verletzten.
Die wiederholten Unstimmigkeiten zwischen den offiziellen US-Zahlen über solche "Präzisionsschläge" und den von Krankenhäusern genannten Opferzahlen sind mittlerweile so offensichtlich, dass das US-Militär sich gezwungen sah zu reagieren.
In der Los Angeles Times verurteilte ein hoher US-Militär am Wochenende "Berichte über zivile Opfer in Falludscha als Propaganda" und deutete an, "dass örtliche Krankenhäuser von aufständischen Kräften infiltriert sein könnten". Er wischte die Fernsehbilder der Verletzten mit der Bemerkung beiseite: "Wir können nicht überprüfen, ob die Personen in den Krankenhäusern aufgrund von [US]-Angriffen an diesem Tag ins Krankenhaus gekommen sind."
Die Absurdität dieser eigennützigen Behauptung wird noch verstärkt, weil man zweierlei Maß anlegt: Man beschuldigt die Krankenhäuser, die täglich mit Toten und Verwundeten zurande kommen müssen, der "Propaganda" für "die Aufständischen", während die Täter, die für das wahllose Töten verantwortlich sind, keinen Nachweis für ihre Behauptungen erbringen müssen und von den Medien nicht behelligt werden.
Falludscha wird inzwischen seit Wochen bombardiert. Am Samstag prahlte Luftwaffenbrigadegeneral Erv Lessel vor den Medien, man habe über hundert "Aufständische" des Tawhid- und Jihad-Netzwerks von Abu Musab al-Sarkawi getötet. "Wir sind überzeugt, dass durch diese Luftschläge viele große Angriffe und Selbstmordanschläge verhindert worden sind, die schon geplant waren."
Aber al-Sarkawi und seine Anhänger, die vielleicht gar nicht in Falludscha sind, werden einfach als Vorwand für brutale Angriffe auf eine Stadt genommen, die zum Symbol für den Widerstand im ganzen Irak geworden ist.
Im April waren die US-Truppen gezwungen, eine Offensive zur Eroberung der Stadt abzubrechen, weil sie mit entschlossenem bewaffnetem Widerstand und einer wachsenden Empörung über das Ausmaß der Zerstörung konfrontiert waren. Um das Gesicht zu wahren, wurde die Kontrolle an die "Schutzbrigade Falludscha" übergeben, die von einem ehemaligen Offizier der Baathisten geführt wird. Aber diese Brigade ist inzwischen so gut wie verschwunden. Weder amerikanische noch irakische Truppen konnten die Stadt in den vergangenen Monaten betreten.
Die USA bereiten jetzt eine große militärische Offensive vor, um die Stadt ebenso wie andere "No-go-Zonen" - wie Ramadi, Samarra und das verarmte Bagdader Außenviertel Sadr City - wieder einzunehmen. Außenminister Colin Powell, der am Sonntag in Interviews eingestanden hatte, dass der Aufstand "schlimmer wird" und dass es "eine Zunahme von Anti-Amerikanismus in der muslimischen Welt" gebe, kündigte einen "größeren Vorstoß" für die nahe Zukunft an, "um die sogenannten No-go-Zonen zu bereinigen".
Interimsministerpräsident Ijad Allawi blies am Montag in das gleiche Horn wie Powell und warnte vor einer "entscheidenden militärischen Lösung" für den Fall, dass es keine politische gebe. "Ich glaube, wir haben in Falludscha lange genug gewartet," sagte er gegenüber al-Arabiya.
Powell versuchte, den wachsenden bewaffneten Widerstand als einen verzweifelten Versuch hinzustellen, die für Januar angesetzten nationalen Wahlen zu verhindern. Aber wie schon die frühere Behauptung nicht zutraf, die "Übergabe der Souveränität" im Juni werde zum Austrocknen des Aufstands führen, so gibt es auch keinen Grund für die Annahme, dass die kontrollierten Wahlen im Januar die Opposition gegen die US-Besatzung eindämmen werden.
Die überwältigende Mehrheit des irakischen Volkes ist von tiefer Feindschaft gegen die Unterwerfung seines Landes durch die USA erfüllt. Die täglichen amerikanischen Übergriffe und das Töten so vieler Iraker verstärkt die anti-amerikanische Stimmung und führt den verschiedenen bewaffneten Widerstandsgruppen frische Rekruten und Sympathisanten zu. Die Methoden der USA im Irak unterscheiden sich nicht von denen der Nazi-Besatzer im Zweiten Weltkrieg und der Kolonialmächte des 19. Jahrhunderts. Ihr Ziel besteht nicht darin, das irakische Volk für sich zu gewinnen, sondern es zur Unterwerfung zu zwingen.
Die Stimmung in amerikanischen herrschenden Kreisen wurde in einem Kommentar in der Washington Post vom Montag unter dem Titel "Von Jenin nach Falludscha" deutlich, der für die Anwendung israelischer Methoden im Irak eintrat. Nachdem der Autor angemerkt hatte, die Selbstmordanschläge in Israel seien nach Scharons "gnadenlosem Krieg" und der Zerstörung des Flüchtlingslagers Jenin zurückgegangen, schlussfolgerte er:
"Die israelische Erfahrung zeigt, dass es falsch ist, wie manche in Washington behaupten, dass eine militärische Offensive gegen die terroristischen Basen die Sicherheitslage für Amerikaner und Iraker nicht wesentlich verbessern könne. Die Bilder wären schrecklich und der Aufschrei in Al-Jazeera und vielleicht den Vereinten Nationen laut. Aber wenn es tatsächlich nur mäßige zivile Opfer und schwere feindliche Verluste gäbe, dann könnte sich die Chance ergeben, mit dem Prozess des Nation-Building voranzukommen, der jetzt ins Stocken geraten ist."
Während die Pläne für eine blutige militärische Offensive der USA vorbereitet werden, gehen die Luftschläge gegen Falludscha unvermindert weiter. In den frühen Morgenstunden des Montag feuerten US-Kampfflugzeuge Raketen auf die Stadt ab. Ein US-Militärsprecher behauptete, es sei nur "Leuchtmunition" abgeschossen worden. Aber Dr. Walid Thamer vom Allgemeinen Krankenhaus Falludschas berichtete, dass der Angriff mindestens drei Tote und neun Verwundete gekostet habe. Krankenhaussprecher berichteten weiter, dass bei Luftangriffen am Dienstag weitere drei Menschen starben und sechs verletzt wurden.
Auch Sadr City wurde auf die Liste der Ziele gesetzt und am Montag und Dienstag aus der Luft angegriffen. US-Militärsprechern zufolge wurden "positiv identifizierte" Verstecke militanter Kämpfer mit "Präzisionsschlägen" angegriffen. Bewohner sagten den Medien, die Angriffe hätten am Montag vor dem Morgengrauen begonnen und stundenlang angehalten. Dr. Kaddem Saddam vom Imam Ali Krankenhaus sagte, dass mindestens fünf Menschen getötet und vierzig verwundet wurden, unter ihnen fünfzehn Frauen und fünf Kinder.