Die politische Elite der USA arrangiert einen Wahlkampf zwischen Kerry und Bush
Von der Redaktion
5. März 2004
aus dem Englischen (4. März 2004)
Die Vorwahlen der Demokratischen Partei sind ein Paradebeispiel dafür, wie eine echte Protestbewegung gegen die Politik der herrschenden Elite - die Massenopposition gegen Bushs Einmarsch im Irak - in die Kanäle des amerikanischen Zweiparteiensystems gelenkt und politisch abgewürgt werden kann.
Senator John Kerry aus Massachusetts gewann am 2. März die Abstimmungen in neun von zehn Bundesstaaten und hat damit eine sichere Mehrheit der Parteitagsdelegierten hinter sich, die den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten bestimmen werden. Sein letzter wichtiger Rivale, Senator John Edwards aus North Carolina, musste das Rennen aufgeben.
Die Bühne ist nun bereitet für einen Präsidentschaftswahlkampf zwischen zwei Vertretern des amerikanischen politischen Establishments, Kerry und George W. Bush, zwischen denen es keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten gibt. In einem Land mit nahezu 300 Millionen Einwohnern und einer komplexen, stark polarisierten Sozialstruktur, beschränken sich die politischen Alternativen am Wahltag im kommenden November auf die Entscheidung, welcher Yale-Absolvent aus reichem Hause das Land regieren wird.
Im Hinblick auf die wichtigste Frage, den Krieg im Irak, sind Kerrys Differenzen mit Bush rein taktischer Natur. Er lehnt den Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen ab und verlangt den Einsatz von so vielen Soldaten und Mitteln wie nötig, um den irakischen Widerstand zu zerschlagen.
Wie Robert Kagan am Dienstag in der Washington Post frohlockte, ist mit Kerrys Nominierung das Thema Irakkrieg vom Tisch. Der rechtskonservative Kolumnist schrieb: "Die Hauptkritik an Präsident Bushs Außenpolitik wird während des diesjährigen Wahlkampfs sicher nicht darin bestehen, dass er im Irak einmarschierte. Der große Antikriegskandidat, Howard Dean, ist erledigt. Die verbliebenen Kandidaten für die Nominierung der Demokraten haben beide für den Krieg gestimmt."
In seiner maßgeblichen Rede zur Außenpolitik machte Kerry deutlich, dass er Bush nicht nur von links, sondern auch von rechts angreifen werde. Er warf ihm vor, die innere Sicherheit zu vernachlässigen, den Krieg in Afghanistan nicht aggressiv genug zu führen und Nordkorea wegen des angeblichen Besitzes von Atomwaffen nicht härter anzufassen.
Kerry, der für den US Patriot Act [ein Gesetz, mit dem unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Bürgerrechte stark eingeschränkt wurden] stimmte, wird dessen Grundlagen nicht in Frage stellen: die Einschränkung demokratischer Rechte und die massive Aufrüstung von Polizei, Armee und Geheimdiensten auf Kosten der Sozialausgaben im Namen des "Kriegs gegen den Terror".
Das Establishment in Politik und Medien mischte sich in das Nominierungsverfahren für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten ein, um den anfänglichen Spitzenreiter, Howard Dean, aus dem Rennen zu werfen. Da dem ehemaligen Gouverneur von Vermont eine zu enge Verbindung zu den Kriegsgegnern vorgeworfen wurde, hob man einen anderen Kandidaten auf den Schild, der gegebenenfalls einen zuverlässigeren und unbedenklicheren Ersatz für Bush abgeben würde.
Diese Operation wurde in weniger als zwei Monaten erfolgreich bewältigt - gekonnt, und doch mit einigen Schwierigkeiten. Ein entscheidender Faktor war die politische Naivität und Unerfahrenheit derjenigen Kriegsgegner, die sich von Dean und der Demokratischen Partei die politische Vertretung ihres Standpunkts versprachen.
Millionen beteiligten sich im Februar und März 2003 an den Demonstrationen und Kundgebungen gegen Bushs Kriegsentscheidung. Viele wollten anschließend den Kampf gegen den Krieg im Rahmen der Präsidentschaftskampagne der Demokratischen Partei fortsetzen.
Dean, an sich ein konventioneller bürgerlicher Politiker und Verteidiger des amerikanischen Imperialismus, der auf eine lange Geschichte als Gouverneur der politischen Mitte in Vermont zurückblickt, präsentierte sich als Gegner nicht nur des Kriegs, sondern auch des Kniefalls der Demokraten vor Bush und der republikanischen Rechten. Nach dem Einmarsch im Irak erhielt sein Wahlkampf enormen Auftrieb, und im Juli führte er bereits in den Umfragen der ausschlaggebenden Bundesstaaten für die Vorwahlen und hatte die meisten Wahlkampfspenden erhalten.
Beim Schüren von Illusionen über die Demokratische Partei spielten die Organisatoren der Antikriegskundgebungen eine Schlüsselrolle. Zumeist handelte es sich um Veteranen der radikalen Protestpolitik der 1960er Jahre, die sich schon damals in der Sackgasse der Demokratischen Partei totlief.
Noch in der zweiten Januarwoche wurde Kerrys Kampagne von den Medien abgeschrieben, und in den Meinungsumfragen lag er nicht nur in Iowa, wo am 19. Januar auf Parteiversammlungen der Demokraten (Caucus) abgestimmt wurde, weit zurück, sondern auch in New Hampshire, dem Bundesstaat mit den ersten eigentlichen Vorwahlen, wo man ihn gut kannte, weil er im benachbarten Massachusetts vier Mal für den Senat kandidiert hatte.
Doch nun wurde Deans Kampagne dem feindlichen Trommelfeuer der Medien ausgesetzt, während das Image von Kerry und Edwards im Zusammenhang mit dem Caucus in Iowa gezielt aufgebaut wurde, obwohl an dieser Abstimmung nur 100.000 Einwohner des kleinen Bundesstaats beteiligt waren. Sowohl Kerry als auch Edwards übernahmen Deans Anklagen gegen den Krieg, obwohl sie im Oktober 2002 für die Resolution gestimmt hatten, mit der Bushs Angriff auf den Irak autorisiert wurde.
Kerrys knapper Sieg in Iowa, mit 38 Prozent der Stimmen, wurde als an ein Wunder grenzendes politisches Comeback gefeiert. Er wurde zum Auftakt einer nahezu ununterbrochenen Siegesserie - in 27 von 30 Bundesstaaten. In jedem Staat wurden Kerrys frühere Siege, die von den Medien als Beweis seiner "Wählbarkeit" hochgehalten wurden, zur Grundlage neuer Erfolge.
Während dieser Zeit drangen Beweise an die Öffentlichkeit, die endgültig belegten, dass der Krieg unter falschen Vorwänden angezettelt worden war. Die Bush-Regierung war gezwungen zuzugeben, dass es im Irak keine Hinweise auf Massenvernichtungswaffen gab, und ihr oberster Waffeninspekteur erklärte, dass es auch zum Zeitpunkt des Einmarsches, im März 2003, keine solchen Waffen gegeben habe. Dessen ungeachtet trat die Frage des Irakkriegs im Vorwahlkampf Kerrys und seiner wichtigsten Rivalen rasch in den Hintergrund.
Die Dean-Kampagne erfüllte letztlich die Funktion eines politischen Ablenkungsmanövers. Sie diente dazu, die in der Bevölkerung und insbesondere unter der Jugend weit verbreitete Antikriegsstimmung, die sich im Frühjahr deutlich gezeigt hatte, wieder einzufangen und im Rahmen des bürgerlichen Zweiparteiensystems zu halten.
Dean spielte dabei die Hauptrolle, ergänzt durch die Darbietungen von Dennis Kucinich und Al Sharpton, die beide ihre Kandidatur aufrecht erhielten, obwohl sie nur eine Handvoll Delegiertenstimmen gewannen. Sie wurde vom Establishment der Demokraten und den Massenmedien als Teilnehmer an jeder Debatte zugelassen, ja sogar begrüßt, um die Glaubwürdigkeit der Demokratischen Partei zu erhöhen und mit ihren linken Sprüchen der Illusion, dass diese eine echte Alternative zu den Republikanern darstelle, neue Nahrung zu geben.
Ungeachtet seiner Soundbites über das Schicksal der arbeitenden Menschen unterscheidet sich Kerry innenpolitisch ebenso wenig von Bush wie außenpolitisch. Sowohl Kerry als auch Bush verteidigen das Profitsystem und die dominierende Stellung der winzigen Minderheit von Multimillionären, der sie selbst angehören. Beide ordnen die Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die sozialen Bedürfnisse Dutzender Millionen Lohnabhängiger den Profitinteressen der Großkonzerne und der Banken unter.
Bei allem, was er von sich gibt, setzt sich Kerry nie ernsthaft mit der enormen sozialen Krise in Amerika auseinander, einem Land, in dem das reichste Prozent der Bevölkerung über 40 Prozent des Gesamtvermögens verfügt. Doch selbst die minimalen Maßnahmen, die er in Aussicht stellt, würde er als nächster Präsident nicht umsetzen. Die Demokratische Partei hat sich schon längst von der Politik des Sozialreformismus verabschiedet. Dieser Prozess gipfelte bereits darin, dass Clinton seine ursprünglichen Versprechungen, jedem Amerikaner eine Krankenversicherung zu verschaffen, fallen ließ und anschließend die Sozialhilfe praktisch abschaffte.
Keines der Bedürfnisse von Arbeiterfamilien kann erfüllt werden ohne eine umfassende Umverteilung der gesellschaftlichen Ressourcen und einen direkten Angriff auf den Wohlstand und die Privilegien einiger weniger Bevorrechteter. Solchen Maßnahmen aber widersetzen sich Kerry und die Demokraten nicht weniger heftig als Bush und die Republikaner.
Diese Erfahrung beinhaltet wichtige Lehren. Sowohl die Demokratische als auch die Republikanische Partei sind politische Werkzeuge der amerikanischen herrschenden Elite, die mehr als hundert Jahre Erfahrung damit hat, soziale Massenbewegungen, die ihren Interessen gefährlich werden könnten, mit Hilfe der Demokraten unter ihren Einfluss zu bekommen, zu knebeln und schließlich zu zerstören.
Von den Populisten der 1890er Jahre bis hin zu der Gewerkschaftsbewegung der 1930er und den Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen der 1960er Jahre wurden soziale Oppositionsbewegungen immer wieder unter die Fittiche der Demokratischen Partei gebracht, um ihnen das Rückgrat zu brechen. Das Zweiparteiensystem ist ein politisches Monopol der Finanzaristokratie, das die Entstehung jeder echten Herausforderung an das Profitsystem verhindert.
Der Vorwahlkampf der Demokraten hat gezeigt, dass die bestehenden politischen Strukturen für die zahlreichen Menschen, die nach einer Alternative suchen, eine Sackgasse darstellen. Eine Bewegung gegen imperialistischen Krieg, Armut und soziale Ungleichheit kann sich nur dann entfalten, wenn sie diese politische Zwangsjacke sprengt.
Aus diesem Grund hat die Socialist Equality Party auf der Grundlage eines sozialistischen Programms eigene Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr aufgestellt. Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party veranstalten am 13./14. März eine Konferenz in Ann Arbor, Michigan. Dort soll besprochen werden, auf welcher politischen Grundlage eine echte Alternative gegen die beiden Parteien des Kriegs und der Reaktion aufgebaut werden kann. Wer nach einer solchen Alternative sucht, ist aufgerufen, an dieser Konferenz teilzunehmen.