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Bushs Fernsehansprache: Der Irakkrieg wirft die US-Politik in eine tiefe Krise

Von der Redaktion
29. Mai 2004

Im Vorfeld der Ansprache, die Präsident Bush zur besten Sendezeit am Montag Abend zum Irak halten sollte, hatte das Weiße Haus in Aussicht gestellt, dass der Präsident eine klare Strategie für einen "erfolgreichen" Ausgang der US-Besatzung umreißen werde. Doch Inhalt und Begleitumstände der Rede unterstrichen nur, wie krisenhaft und verworren sich die Irakpolitik der amerikanischen Regierung gestaltet.

Die Rede galt als Auftakt zu einer ganzen Reihe von Ansprachen des Präsidenten vor der "Machtübergabe" im Irak am 30. Juni. Obwohl sie mit viel Getöse angekündigt worden war, stieß sie weitgehend auf taube Ohren - nicht nur bei der amerikanischen Bevölkerung, sondern auch in den herrschenden Kreisen, an die sie hauptsächlich gerichtet war. Sie sollte der unverkennbar anwachsenden Opposition der Öffentlichkeit gegen den Krieg ebenso entgegentreten wie der Unzufriedenheit und Kritik aus dem politischen Establishments und praktisch allen staatlichen Institutionen - Militär, Geheimdienste, Kongress bis hin zur Republikanischen Partei.

Wenn die Rede überhaupt etwas erreichte, dann eine Zuspitzung der kriegsbedingten Krise. Der übereinstimmende Befund der Medien lautete, dass Bush keine ernst zu nehmende Strategie vorgestellt hatte, mit der die militärische und politische Lage der USA im Irak verbessert werden könnte. Die Rede enthielt nichts Neues, und Bushs Vortrag - wie immer holpernd und unbeholfen (drei Mal gelang es ihm nicht einmal, den Namen des Foltergefängnisses in Bagdad, Abu Ghraib, richtig auszusprechen) - war geeignet, die Angst der herrschenden Elite vor einem Desaster im Irak noch zu steigern und ihr Vertrauen in Bush weiter zu zerstören.

Bushs "Fünfpunkteplan" lief darauf hinaus, dass Washington seine Entschlossenheit bekräftigte, die militärische Besetzung des ölreichen Landes auf unbegrenzte Dauer fortzusetzen, während zum Schein die Regierungsgewalt an ein irakisches Marionettenregime übertragen wird und die UN diesen Akt des modernen Kolonialismus absegnen.

Der Präsident wählte für seine Ansprache ein handverlesenes Publikum aus hohen Offizieren an der Militärhochschule in Carlisle, Pennsylvania. Die Tatsache, dass Bush seine Reden mit Vorliebe vor uniformierten Polizei- oder Armeeangehörigen hält, unterstreicht nur, in welchem Maße sich diese Regierung mit dem Militarismus identifiziert und die breite Masse der amerikanischen Bevölkerung fürchtet.

Ironischerweise machte dieses Arrangement um so deutlicher, wie stark inzwischen die Meinungen innerhalb des amerikanischen Militärs über die Irakpolitik auseinandergehen. Die Militärhochschule, an der die obersten Befehlshaber ausgebildet werden, hat eine Studie nach der anderen veröffentlicht, in denen der Krieg kritisiert und vor einem Fiasko gewarnt wird.

Die Feindseligkeit, mit der Teile des militärischen Oberkommandos mittlerweile der Regierungspolitik begegnen, zeigt sich unter anderem in den vernichtenden Äußerungen pensionierter Generäle. Laut Anthony Zinni, dem ehemaligen Chef des US-Zentralkommandos, war die US-Kriegsplanung "bestenfalls gekennzeichnet von Stümperhaftigkeit, Nachlässigkeit und Verantwortungslosigkeit", und "schlimmstenfalls von Lügen, Unfähigkeit und Korruption". Denjenigen, die den bisherigen Kurs im Irak beibehalten wollen, hielt Zinni in einem Interview mit dem Nachrichtensender CBS am Sonntag entgegen, sie steuerten geradewegs "in die Niagara-Fälle".

Die Bush-Regierung hatte Bush Ansprache am Montag zunächst als großes Ereignis angekündigt. Doch am Ende wurde sie von den großen Sendeanstalten - ABC, CBS, NBC oder Fox - gar nicht übertragen, und das Weiße Haus bat auch nicht darum. Nur die Kabel-Nachrichtensender brachten Bushs Rede.

Die Entscheidung von Bushs Managern, auf eine möglichst umfassende Verbreitung der Ansprache zu verzichten, dürfte auf ihre Zweifel zurückgehen, ob sie in Inhalt und Vortrag überzeugen würde. Außerdem richtete sie sich ohnehin nur in zweiter Linie an die amerikanische Bevölkerung. In erster Linie war sie für das Establishment in Politik und Medien bestimmt und sollte die wachsende Kritik in deren Reihen besänftigen.

Keine leichte Aufgabe für einen Präsidenten, der als erwiesener und überführter Lügner vor die Kameras tritt. Bushs Reaktion auf die Krise seiner Regierung bestand natürlich darin, dass er ein neues Lügenpaket auftischte. Den alten Kriegsvorwand - Massenvernichtungswaffen - streifte er nur ein einziges Mal.

Eine neue, absurde Gesamtlüge diente nun als Kulisse für Bushs Gefasel über irakische Souveränität, Demokratie, Freiheit, Machtübergabe, usw. Sie bestand darin, dass die amerikanischen Besatzer das irakische Volk vertreten würden - also die Besetzten - und dass demzufolge alle, die sich diesen Besatzern widersetzen, Feinde des irakischen Volkes seien.

Anders ausgedrückt: die Amerikaner, die im Irak einmarschierten und Tausende seiner Einwohner töteten, die das Land besetzt halten und irakische Gefangene töten, bringen Freiheit und Souveränität. Die Gegner der amerikanischen Besatzung sind per definitionem "Terroristen". Die Worte "Terror", "Terroristen" und "Terrorismus" kamen in der halbstündigen Rede nicht weniger als 19 Mal vor.

Ein wahrhaftes Orwell-Universum, das der US-Imperialismus da entwirft, um seinen Kolonialkrieg im Irak zu rechtfertigen!

Die zweite große Lüge in Bushs Rede bestand in der Behauptung, die USA würden "einer Regierung aus irakischen Bürgern die volle Souveränität übertragen". Im nächsten Atemzug erklärte Bush, dass die USA ihre gegenwärtige Truppenstärke von 138.000 Soldaten auf unbestimmte Dauer aufrechterhalten und auf Wunsch der amerikanischen Generäle auch erhöhen würden. An einer besonders haarsträubenden Stelle sagte Bush, die USA seien bereit, zwecks Erreichung ihrer Ziele im Irak "überlegene Gewalt" anzuwenden.

Die Vorstellung, dass eine Nation souverän sein könne, während ihre Bevölkerung einer ausländischen Besatzung unterworfen bleibt, ist offenkundig absurd. Darüber hinaus geht aus der Resolution, die von den USA und Großbritannien im UN-Sicherheitsrat eingebracht wurde, klar hervor, dass die USA auch unter der angeblich "souveränen" Regierung, die am 30. Juni antritt, die uneingeschränkte Befehlsgewalt über ihre Truppen und Operationen ebenso behalten sollen wie den Zugriff auf die irakischen Ölvorkommen.

Weniger als fünf Wochen vor der Machübergabe weiß die irakische Bevölkerung noch nicht, wer dem Regime angehören wird, das gegenwärtig von Vertretern der USA und dem UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi zusammengestückelt wird. Sie wird überhaupt nicht gefragt.

Die abschließende große Lüge in Bushs Ansprache lautete: "Wir haben uns nicht nach diesem Krieg gegen den Terror gedrängt, aber so ist nun einmal die Welt beschaffen, die wir vorfinden." Im Gegenteil, es ist allgemein bekannt, dass die Planer des Irakkrieges diese Intervention bereits Jahre vor Bushs Amtsantritt vorbereitet hatten. Sie wurden auf hohe Posten der Regierung Bush geholt und sahen in den Terrorangriffen vom 11. September 2001 eine willkommene Gelegenheit, ihre Pläne zur Eroberung des irakischen Öls in die Tat umzusetzen - Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil des globalen Hegemonialanspruchs der USA bilden.

Der einzige neue Vorschlag in Bushs Rede bestand in der Ankündigung, das Abu-Ghraib-Gefängnis abzureißen und durch eine "moderne Hochsicherheitshaftanstalt" zu ersetzen. Der Abriss, so Bush, werde ein "angemessenes Symbol für den irakischen Neubeginn". Allein die Tatsache, dass ausgerechnet ein Gefängnis als Symbol für den neuen "demokratischen" Irak gelten soll, spricht Bände über den eigentlichen Inhalt der von den USA eingeführten "Demokratie".

Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, John Kerry, reagierte auf Bushs Rede, indem er seine Unterstützung für die Fortsetzung des Krieges gegen die irakische Bevölkerung zum Ausdruck brachte und zugleich betonte, dass er diese Aufgabe besser erfüllen könne als Bush. "Der Präsident hat heute Abend allgemeine Grundsätze vorgetragen, die wir schon kennen", sagte er. "Das Wichtigste ist jetzt, diese Worte in Taten umzusetzen, indem der Präsident der Nation und der ganzen Welt Führung gibt."

Selbst aus den Meinungsumfragen der kommerziellen Medien geht hervor, dass die Bevölkerung der USA in ihrer überwältigenden Mehrheit die Irakpolitik der Regierung Bush ablehnt. Beinahe die Hälfte der Befragten befürwortet den sofortigen Rückzug aller US-Truppen. Trotzdem versucht die Demokratische Partei gemeinsam mit der Regierung, die Antikriegsstimmung der Massen, die zu Beginn der Vorwahlen der Demokraten überdeutlich zum Ausdruck kam, politisch zu ersticken und zum Verstummen zu bringen.

Die Voraussetzung für ein Ende des Irakkrieges ist ein Bruch mit dem Zweiparteiensystem und der Aufbau einer neuen, unabhängigen politischen Massenbewegung, die sich auf ein sozialistisches Programm stützt, das den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung entspricht.

Die Socialist Equality Party beteiligt sich an den Wahlen von 2004, um eine solche Bewegung politisch zu bewaffnen und vorzubereiten. Die Kandidaten der SEP für das Amt des Präsidenten und des Vizepräsidenten - Bill Van Auken und Jim Lawrence - sowie unsere Kandidaten für den Kongress und für die Parlamente der Bundesstaaten werden diesen Wahlkampf nutzen, um folgende Forderungen zu verbreiten: Sofortiger und bedingungsloser Rückzug aller US-Truppen aus dem Irak, Anklageerhebung gegen diejenigen Vertreter der US-Regierung, die den Krieg unter falschen Vorwänden angezettelt haben, Entschädigungszahlungen sowohl an die irakischen Kriegsopfer als auch an die Familien der US-Militärangehörigen, deren Leben geopfert wurde.