Ohio: Gericht entscheidet gegen Kandidatur der Socialist Equality Party
Von unserem Korrespondenten
27. August 2004
Die Bemühungen der Socialist Equality Party (SEP), an den amerikanischen Präsidenten- und Kongresswahlen vom 2. November 2004 teilzunehmen, finden wachsende Unterstützung.
In vier Bundesstaaten - New Jersey, Colorado, Washington und Iowa - sind die Kandidaten der Partei für das Präsidenten- und das Vizepräsidentenamt, Bill Van Auken und Jim Lawrence, bereits offiziell bestätigt worden. In Ohio wurde die notwendige Zahl an Unterschriften eingereicht und in Minnesota werden zur Zeit Unterschriften gesammelt.
Auch zwei Kandidaten der SEP für die Kongresswahl sind offiziell bestätigt worden - Jerry White im 15. Bezirk von Michigan und Carl Cooley im 2. Bezirk von Maine. Außerdem kandidiert Tom Mackaman für einen Sitz im Parlament des Bundesstaats Illinois.
Die SEP tritt für den Aufbau einer sozialistischen Alternative zu den beiden großen Parteien, den Republikanern und Demokraten ein, die beide vom politischen und wirtschaftlichen Establishment dominiert werden. Sie fordert den sofortigen und bedingungslosen Rückzug aller US-Truppen aus dem Irak.
Als sogenannte "Drittpartei" hat die SEP mit gewaltigen bürokratischen Hürden und dem offenen Widerstand der beiden großen Parteien zu kämpfen, die sich jeder Herausforderung ihres politischen Monopols widersetzen und dabei auch vor schmutzigen Tricks nicht zurückschrecken.
Insbesondere die Demokraten unternehmen alles, um die Wahlteilname von Kandidaten zu verhindern, die sie von links angreifen und gegen den Irakkrieg auftreten. (Ihr eigener Kandidat, John Kerry, will die Besatzung des Landes fortsetzen und die US-Truppen erheblich aufstocken.) So wurde Tom Mackaman in Illinois erst nach einem langen und kostspieligen Kampf gegen demokratische Obstruktionsversuche zur Wahl zugelassen.
Auch der unabhängige Kandidat Ralph Nader, der vor vier Jahren rund drei Millionen Stimmen auf sich zog, wird von den Demokraten mit allen Mitteln sabotiert - durch das Einschüchtern von Wahlhelfern, das Anfechten Tausender gültiger Unterschriften, das Einschleusen eigener Parteigänger in Nominierungsversammlungen, das Beharren auf juristische Spitzfindigkeiten und durch schmutzige Werbekampagnen. Bisher haben die Demokraten mehr Geld für die Kampagne gegen Nader ausgegeben, als diesem mit 2,5 Millionen Dollar für den eigenen Wahlkampf zur Verfügung stehen.
Die SEP konnte sich in Illinois letztlich dank dem wachsenden Rückhalt in der Bevölkerung gegen die Sabotageversuche der Demokraten durchsetzen. Dieser Rückhalt versetzte sie auch in die Lage, die erheblichen finanziellen Mittel zur Bestreitung der legalen Kosten aufzubringen, die mit der Auseinandersetzung verbunden waren.
Zur Zeit bittet die SEP erneut um finanzielle Unterstützung für einen Rechtsstreit im Bundesstaat Ohio. Obwohl der Fall etwas anders gelagert ist, geht es auch hier um die Verteidigung elementarer demokratischer Rechte.
Das Wahlgesetz von Ohio schreibt nämlich vor, dass Unterschriften für eine unabhängige Kandidatur zum Kongress bis spätestens am 1. März abgegeben werden müssen, acht Monate vor dem Wahltermin. Ein derart früher Zeitpunkt macht es nahezu unmöglich, die vorgeschriebenen Formalitäten zur Aufstellung von Kandidaten zu erfüllen und die erforderlichen Unterstützungsunterschriften - zeitlich losgelöst von der eigentlichen Wahl - zu sammeln.
Die SEP beschloss dennoch, David Lawrence, den Sohn des Vizepräsidentschaftskandidaten, für den 1. Kongresswahlbezirk zu nominieren, die erforderlichen Unterschriften zu sammeln und den frühen Abgabetermin vor Gericht anzufechten. Sie konnte sich dabei auf einen Präzedenzfall stützen. 1983 hatte das Oberste Gericht der USA im Fall Anderson versus Celebrezze für den unabhängigen Präsidentschaftskandidaten John Anderson entschieden, der gegen den frühen Abgabetermin geklagt hatte. Der Abgabetermin in Ohio wurde damals verändert - allerdings nur für Präsidentschafts- und nicht für Kongresskandidaten.
So kam es, dass die SEP am 17. August bei der Wahlbehörde von Ohio die 7.900 Unterschriften für ihren Präsidentschaftskandidaten termingerecht einreichte, während die zwei Wochen früher abgegebenen 2.600 Unterschriften für ihren Kongresskandidaten aus Termingründen zurückgewiesen wurden.
Bereits am 14. Juni hatte David Lawrence Zivilklage auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Abgabetermin erhoben. Als Begründung führte er an, dass die Festlegung dieses Termins durch die (für Cincinnati zuständige) Wahlbehörde von Hamilton County eine Verletzung des ersten Verfassungszusatzes der US-Verfassung und des darin enthaltenen Rechts auf freie Meinungsäußerung und politische Organisierung darstelle.
In der Gerichtsverhandlung vom 3. August traten David Lawrence selbst, sein Anwalt Robert Newman und ein Wähler aus dem 1. Kongressbezirk namens Yifat Shilo als Kläger auf. Lawrences Anwalt wies darauf hin, dass die Primaries (Vorwahlen) der beiden großen Parteien erst am 2. März, d.h. einen Tag nach dem Abgabetermin, stattfanden. Die Forderung, eine unabhängige Kandidatur schon vorher einzureichen, bedeute daher, dass die Unterschriften gesammelt werden müssten, ehe überhaupt bekannt sei, wer bei den Republikanern oder Demokraten kandidieren werde.
Hinzu komme, dass von unabhängigen Kandidaten fast 1.700 Unterschriften verlangt würden, während für demokratische und republikanische Kandidaten fünfzig ausreichten. Schon acht Monate vor den Wahlen freiwillige Wahlhelfer zu finden, öffentliches Interesse zu wecken und Spenden zu sammeln, dazu noch im Februar, wo in Ohio Minusgrade herrschten - all das erfülle den Tatbestand der Diskriminierung unabhängiger Kandidaten.
Anwalt Newman sagte, eine Abgabefrist, die so lange vor den Wahlen liege, schließe "die Debatte ab, bevor überhaupt ein öffentliches Publikum dafür entsteht". Zu einem derart frühen Zeitpunkt sei die Aufmerksamkeit der Wähler noch gar nicht auf die Wahlen gerichtet. Gerade solche Überlegungen hätten im Fall Anderson versus Celebrezze die Richter bewogen, zu Gunsten des unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Anderson zu entscheiden.
Ein weiterer Zeuge, der Wahlrechtsexperte Richard Winger, verwies darauf, dass der Staat Ohio im Lauf des letzten Jahrhunderts die Chancen für "dritte Parteien" oder unabhängige Kandidaten immer mehr verschlechtert habe. Lag der Termin für die Einreichung von Kandidatenlisten 1912 noch im Oktober, d.h. dreißig Tage vor der Wahl, so wurde er zuletzt bis auf den 1. März vorgezogen. Das bedeute, dass zu Zeiten des Grammophons und des T-Modells von Henry Ford dreißig Tage ausgereicht hätten, um die Vorbereitungen zu treffen und Wahlzettel zu drucken, während man heute, im Zeitalter von Computer und Internet, angeblich acht Mal so viel Zeit dafür benötige.
Am 18. August gab die Richterin Susan J. Dlott ihre schriftliche Urteilsbegründung. In einer zwölfseitigen Erklärung legte sie eine bemerkenswerte Verachtung für demokratische Grundrechte und politische Fairness an den Tag. Sie stellte die Tatsachen auf den Kopf und behauptete, Lawrence und die SEP hätten versucht, besondere Privilegien einzuklagen. "Würde Ohio dem Vorschlag der Kläger stattgeben - das heißt, alternativen Kandidaten zugestehen, ihre Liste erst nach Bekanntgabe der Resultate der Primaries einzureichen, um sozusagen darauf zu reagieren', dann hätten alternative Kandidaten einen beträchtlichen Vorteil vor den Kandidaten der großen Parteien", heißt es in der Urteilsbegründung.
Die Richterin ging oberflächlich und schlampig mit den Argumenten der Klägerpartei um. Sie behauptete sogar fälschlicherweise, das Urteil im Fall Anderson versus Celebrezze sei eine Entscheidung des Obersten Gerichts von Ohio gewesen, als hätte diese Entscheidung des Obersten Gerichts der USA, die bis heute häufig in Wahlrechtsfragen zitiert wird, nur begrenzte regionale Bedeutung gehabt.
Ihre Argumente waren in sich widersprüchlich: Einerseits behauptet die Richterin, der Erfolg der SEP-Kampagne im April und Mai sei der Beweis dafür, dass sie die Unterschriften ebenso gut schon im Januar und Februar hätte sammeln können. Auf der andern Seite gab sie vor, Willkürbedingungen für dritte Parteien und unabhängige Kandidaten wie der Termin vom 1. März seien notwendig, "um Kandidaten herauszufiltern, die keine öffentliche Unterstützung haben, um sicherzustellen, dass der Sieger eine Bevölkerungsmehrheit repräsentiert, und um zu einem übersichtlichen Wahlzettel beizutragen".
Schließlich brachte sie ihre Vorurteile gegen alternative Kandidaten mit den Worten zum Ausdruck: "Das Oberste Gericht hat ausdrücklich bestätigt, dass ein Bundesstaat ein starkes Interesse daran hat, die Stabilität des politischen Systems aufrechtzuerhalten.... Das Oberste Gericht hat ausdrücklich dem Interesse eines Staates zugestimmt, die Kandidatenzahl bei der Wahl zu begrenzen."
Mit beißendem Zynismus erklärte die Richterin am Schluss des Urteils, David Lawrence werde kein irreparabler Schaden zugefügt, denn er könne ja als Zusatzkandidat auftreten (was bedeutet, dass sein Name von Hand im Wahlzettel eingefügt werden müsste), und Yifat Shilo könne ihn als solchen wählen.
Gegen dieses Urteil will die Socialist Equality Party Berufung einlegen. David Lawrence erklärte am 19. August in einer schriftlichen Stellungnahme: "Die Ablehnung meines Antrags auf einstweilige Verfügung zur Zulassung meiner Kandidatur ist eine krasse Verletzung des Rechts von Wahlberechtigten, ihre Opposition gegen die beiden großen Kriegs- und Sozialabbau-Parteien zum Ausdruck zu bringen. Die riesigen Summen, die diesen Parteien für den Wahlkampf zur Verfügung stehen, der unbegrenzte Zugang zu den Medien, sowie die restriktiven Wahlbestimmungen für Kandidaten dritter Parteien und unabhängige Kandidaten verschaffen den Demokraten und Republikanern die Möglichkeit, alle zum Schweigen zu bringen, die sich prinzipiell auf die Seite der Arbeiterklasse stellen."
Weiter schrieb Lawrence: "Ich entschied mich im März, für den Kongress zu kandidieren, nachdem die SEP auf der Konferenz vom 13./14. März ihre bundesweite Wahlteilnahme beschlossen hatte.... Ich wusste, dass der Abgabetermin für eine Wahlliste schon abgelaufen war, aber ich ging davon aus, dass es nötig sei, dieses willkürliche und undemokratische Gesetz zu Fall zu bringen.... Das Sammeln von Unterschriften im Zentrum von Cincinnati gab uns Einblick in die verzweifelte Armut, in der Millionen Arbeiterfamilien leben müssen. Viele, mit denen wir sprachen, drückten Wut und Desillusionierung über beide kapitalistischen Parteien aus und zeigten lebhaftes Interesse an einer sozialistischen Alternative."
Die SEP ist zuversichtlich, in ganz Amerika und weltweit Unterstützung für ihre Kampagne gegen die undemokratischen Bedingungen in Ohio mobilisieren zu können. Während nach US-Recht nur amerikanische Staatsbürger und Einwohner der USA die Wahlkampagne der SEP finanziell unterstützen dürfen, können Protestbriefe gegen das Urteil in Ohio aus der ganzen Welt online an die US-Redaktion der WSWS an folgende Adresse geschickt werden: editor@wsws.org.