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Kandidat Kerry sorgt sich um Arbeitsplätze

Betrug der Arbeitslosen und Geschenke an die Reichen

Von Bill Van Auken
16. April 2004
aus dem Englischen (2 April 2004)

In der folgenden Erklärung kommentiert der Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Bill Van Auken, den "Plan für Arbeitsplätze", den der Kandidat der Demokraten, Senator John Kerry, am 26. März anlässlich einer Rede in Detroit, Michigan, vorstellte.

Der sogenannte "Plan für Arbeitsplätze", den Präsidentschaftskandidat Kerry in der vergangenen Woche vorlegte, ist ein schlechter Scherz für die Arbeitslosen und ein Steuergeschenk für die Superreichen.

Während Millionen Arbeitslose nicht wissen, wie sie die Hypothekendarlehen für ihre Häuser bezahlen sollen, Kürzungen in der Gesundheitsvorsorge hinnehmen müssen und das Gespenst der Armut im Nacken spüren, legte Kerry einen Vorschlag vor, der darauf abstellt, die Konten des reichsten Prozentes der Bevölkerung noch mehr zu füllen.

Der Kerngedanke des Plans lautet, dass eine fünfprozentige Senkung der Körperschaftssteuer und die Abschaffung der Steuerstundung auf noch nicht in die USA zurückgeführte Überseeprofite die Arbeitsplatzsituation in den USA verbessern würde.

Trotz des Gezänks über Steuerfragen zwischen Demokraten und Republikanern liegt der Plan Kerrys auf derselben Linie wie die Rezepte der Bush-Regierung. Auch sie preist massive Steuersenkungen für Wohlhabende und Unternehmen als Heilmittel gegen die Jobmisere an. Es gibt keinen Grund zur Annahme, demokratische Steuersenkung zugunsten der Großunternehmen würden ein anderes Ergebnis zeitigen als die republikanische Version derselben Politik: Milliarden zusätzliche Dollar für die Reichen und Millionen vernichtete Arbeitsplätze.

Kerry tourte durch die verödeten Industriezentren der USA und hielt dort Wahlreden, in denen er auf Unternehmensvorstände schimpfte, die amerikanische Arbeitsplätze ins Ausland exportieren. Der Zynismus dieser rechtspopulistischen Demagogie verschlägt einem die Sprache. Zwischen seinen Auftritten erhielt er nämlich Millionen Dollar Wahlkampfgelder von genau den Firmen - Citigroup, Morgan Stanley, AOL Time Warner und Goldman Sachs -, die führend bei der Verlagerung von Jobs in Billiglohnländer sind. Kerry hat sein eigenes Millionenvermögen hauptsächlich in derartige Unternehmen investiert. Es ist schlichtweg lächerlich, wenn Kerry vorgibt, hart gegen diese Unternehmen und ihre Praktiken vorgehen zu wollen.

In seiner langen Rede in Detroit versprach er, in den nächsten vier Jahren zehn Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen - kaum mehr, als allein die neu auf den Arbeitsmarkt strömenden jungen Leute brauchen. Keine einzige Andeutung machte er dahingehend, dass seine Regierung die Unterstützung für Arbeitslose erhöhen oder auch nur einen Groschen für öffentliche Arbeitsprogramme ausgeben wird.

Sein ganzer Plan beschränkt sich darauf, weitere Steuerzugeständnisse an die Unternehmen zu machen. Ohne Zweifel wird die Masse des dadurch fließenden Geldes den Weg auf die Konten der Aktionäre finden - zu denen auch Kerry gehört.

Das Vorhaben, die geschätzten 600 Milliarden Dollar in Überseetochterfirmen von US-Unternehmen zu besteuern, wird nichts an der Abwanderung von Arbeitsplätzen aus den USA ändern. Die Ursache dafür, dass US-Firmen zunehmend in Ländern wie China und Indien arbeiten lassen, liegt nicht in der Steuerpolitik, sondern darin, dass die Löhne dort nicht einmal ein Zehntel der Löhne in den USA betragen.

Der angekündigte Plan klammert zudem jene Profite aus, die durch Geschäfte dieser Unternehmen in den jeweiligen nationalen Märkten entstehen. Dieses Schlupfloch von der Größe eines Scheunentores werden die Steuerberater mit Sicherheit zu nutzen wissen.

Wirtschaftslobbyisten machen inzwischen Druck, die derzeitige Besteuerung von Überseeprofiten entscheidend zu verringern. Unter Umständen, unter denen im Ausland getätigte Geschäfte etwa 40 Prozent des Umsatzes der 500 größten US-Unternehmen ausmachen, wird die endgültige Fassung von Kerrys Vorschlägen die Finanzelite vermutlich noch stärker begünstigen.

Kerry behauptet, er sei kein Protektionist, und bezeichnet sich als Wettbewerbsbefürworter. Er benutzt die protektionistische Rhetorik lediglich, die von der extremen Rechten und jenen Gruppierungen der Demokraten gepflegt wird, die eng mit den Gewerkschaftsführern verbunden sind, während er fest mit den Interessen der transnationalen Banken und Unternehmen verbunden bleibt. Dahinter steht das Bemühen, die angestaute Wut der amerikanischen Arbeiter über die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze in nationalistische und somit reaktionäre Bahnen zu lenken. Er versucht ihnen weis zu machen, dass nicht der Kapitalismus, sondern das unpatriotische Verhalten von Managern und die Arbeiter in andern Ländern die Ursache der Misere seien.

Seine Rhetorik ist nur für die der Öffentlichkeit bestimmt. Kerrys grundlegende politische Linie orientiert sich an Freihandelsvertretern der Wall Street wie Robert Rubin, dem früheren Kopf von Goldman Sachs, der unter Clinton Finanzminister war und nun Spitzenmanager in der Citygroup ist.

In der New York Times konnte man am 28. März lesen: "Verantwortung für den Staatshaushalt und Defizitverringerung, Ecksteine der Clinton- Jahre, sind ebenso das feste Fundament im Lager Kerrys, wie auch der Glaube an die Kraft der Privatwirtschaft, Prosperität zu erzeugen. Arbeitsplätze schaffen die Unternehmen Amerikas, nicht die Regierung." Übersetzt heißt das, dass eine Kerry-Administration nichts auszugeben gedenkt, um Unbeschäftigten zu helfen und sie in Arbeit zu bringen.

Die Socialist Equality Party unterstützt weder "Freihandel" noch Protektionismus. Beides sind kapitalistische Handelstaktiken, mit denen die Unternehmen unter verschiedenen ökonomischen Bedingungen ihre Interessen verteidigen. Unsere Partei strebt eine völlig andere Strategie an. Ihr Ansatz besteht darin, die amerikanischen Arbeiter mit den Arbeitenden in den anderen Ländern zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Macht der transnationalen Unternehmen zu vereinen. Das Kapital hat die nationalen Grenzen längst hinter sich gelassen. Gerade deshalb ist es notwendig, dass auch die Arbeiter ihre Kämpfe über die nationalen Grenzen hinaustragen, international organisieren und koordinieren.

Outsourcing und Offshoring sind Teil eines unaufhörlichen internationalen Dranges der Unternehmen und Banken die Produktivität zu erhöhen, die Kosten zu senken, niedrigere Arbeitskosten zu erlangen und einen größeren Teil des Weltmarktes zu beherrschen als ihre Konkurrenten. Die Ursache dieser Tendenzen ist nicht der "mangelnde Patriotismus" einiger Vorstände. Sie haben ihre Ursache vielmehr in den objektiven Zwängen eines ökonomischen Systems, welches nicht auf die Bedürfnisse der Menschheit ausgerichtet ist, sondern lediglich auf die Maximierung des Profites. Der Versuch, diesen einen Aspekt des Kapitalismus einzudämmen und gleichzeitig das System als solches zu akzeptieren, ist aussichtslos und politisch reaktionär.

So lange sich die gewaltigen gesellschaftlichen Produktivkräfte im Privateigentum befinden, wird jede technologische Entwicklung und die beispiellose globale Integration der Produktion als Waffe gegen die Lohnabhängigen eingesetzt werden. Millionen werden in die Arbeitslosigkeit geschickt und die Verbleibenden werden zu stets schlechteren Konditionen arbeiten müssen.

Das Programm der Socialist Equality Party stellt das Recht eines jeden Menschen zu einem achtbaren Lohn zu arbeiten in den Mittelpunkt. Unsere Partei setzt sich für ein öffentliches Arbeitsprogramm ein um die Beschäftigung für all jene zu garantieren, die gegenwärtig arbeitslos aber arbeitsfähig sind. Unter Bedingungen, wo 40 Millionen Menschen arbeitslos bzw. teilzeitbeschäftigt sind, ist ein solches Programm notwendig. Die Arbeitslosen können es sich nicht leisten auf die vage Aussicht zu hoffen, dass Steuersenkungen für Unternehmen diese veranlassen werden, neue Arbeitskräfte einzustellen, statt lediglich auf Aktiengewinne zu setzen oder einen technologischen Wandel einzuleiten, der die noch verbliebenen Arbeitskräfte produktiver ausnutzt.

Ein Blick genügt, um zu sehen, dass es mehr als genug Arbeit gibt. Mehrere aufeinanderfolgende Regierungen - gestellt von Demokraten wie Republikanern - haben die öffentlichen Ausgaben so weit gekürzt, dass sie sich heute nur auf die Hälfte der Ausgaben der 60-er und 70-er Jahre belaufen. Das dadurch eingesparte Geld floss in die Taschen der Oberschicht, während öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur verfielen.

Ein Arbeitsprogramm über eine Billion Dollar - das entspricht etwa der Größenordnung von Bushs Steuergeschenken an das reichste eine Prozent - könnte genutzt werden um Schulen, preiswerte Häuser, Kliniken, Bibliotheken, Museen, Erholungscenter, Parks, moderne Massenverkehrsmittel und öffentliche Dienstleistungseinrichtungen zu bauen.

Unter Bedingungen, wo die moderne Technologien die für die Produktion notwendige Arbeitszeit verringert hat, fordern wir, dass die Arbeitszeit gekürzt und aufgeteilt wird, so dass niemand in die Arbeitslosigkeit gezwungen wird. Wir fordern eine 30-Stunden Woche ohne Lohnverlust.

Um den Lebensstandard der Arbeitenden in den USA gegen die Angriffe der Unternehmen zu schützen, die die Konkurrenz der Niedriglohnländer als Druckmittel nutzen wollen, fordern wir ein garantiertes Jahreseinkommen für jeden Arbeiter, welches an den Index der Lebenshaltung gekoppelt wird.

Die Streichung ausgedehnter öffentlicher Unterstützungen für Arbeitslose bedroht etwa zwei Millionen Arbeitslose mit dem Verlust jeden Einkommens ab der Mitte dieses Jahres. In Kerrys Plan liest man darüber nichts. Die SEP weist ein System zurück, das Entlassene in die Not abschiebt. Wir fordern, dass entlassene Arbeiter ihren vollen Lohn garantiert erhalten, bis sie zu gleichem oder höherem Lohn wieder eingestellt werden. Leistungen für Langzeitarbeitslose und Jugendliche, die keinen Job bekommen, müssen erhöht werden.

Die Mittel für solche Programme sind vorhanden. Um sie jedoch zum Nutzen des allgemeinen Fortschritts und der Gleichheit einsetzen zu können, ist eine fundamentale Umorganisation des ökonomischen Lebens notwendig.

Das gegenwärtige Abgabensystem muss radikal umstrukturiert werden. Derzeit ist es ein Mechanismus der Bereicherung der Finanzelite auf Kosten der arbeitenden Massen. Dieser Mechanismus muss zugunsten derjenigen umgestaltet werden, für die ihr Leben vom monatlichen Lohn bestreiten. Für die Masse der Bevölkerung müssen die Steuern gesenkt werden. Reichtum dagegen muss einer starken Besteuerung unterliegen. Die direkten Steuern auf Vermögen müssen wieder eingeführt werden. Steuerschlupflöcher, welche es den großen Unternehmen ermöglichen einer Besteuerung auszuweichen, müssen geschlossen werden.

Um die gesellschaftlichen Ressourcen zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse - Ausbildung, Gesundheit, Arbeit und Wohnen - einsetzen zu können, strebt unsere Partei die Nationalisierung der großen Finanzhäuser des Landes an. Private Unternehmen mit einem Wert von 10 Milliarden Dollar oder mehr sollten in öffentliches, durch die Arbeitenden demokratisch kontrolliertes Eigentum übergehen.

Das gegenwärtige ökonomische System, in welchem die Produktion und die Menschen dem Profit untergeordnet sind, muss durch ein sozialistisches System ersetzt werden, welches auf öffentlichem und demokratisch kontrolliertem Eigentum beruht.

Es ist nur möglich ein solches Programm durchzusetzen, wenn eine mächtige und vom bürgerlichen Politiksystem unabhängige Massenbewegung der arbeitenden Menschen entsteht, welche bereit ist, sich ernsthaft für ihre eigenen Interessen einzusetzen.

Kerrys sogenanntes Arbeitsbeschaffungsprogramm ist das deutlichste Zeichen dafür, dass die Hoffnung, ein Wahlsieg der Demokraten würde die seit zwei Jahrzehnten laufenden Angriffe auf die Lage der arbeitenden Klasse verringern oder umkehren, eine politische Sackgasse ist. Der Kampf gegen Krieg, soziale Ungleichheit und Arbeitslosigkeit wird nur dann erfolgreich sein, wenn sich eine unabhängige sozialistische Massenpartei bildet. Ich bin Kandidat der Socialist Equality Party und unsere Partei tritt an um diese lebenswichtige Aufgabe zu verwirklichen.

Siehe auch:
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