UN-Resolutionsentwurf der USA:
Ein durchsichtiger Plan zur Plünderung des irakischen Öls
Von Peter Symonds
17. Mai 2003
aus dem Englischen (12. Mai 2003)
Die USA haben dem UN-Sicherheitsrat mit britischer Unterstützung einen unverfrorenen Resolutionsentwurf vorgelegt, der die illegale Invasion des Iraks legitimiert, seine unbegrenzte militärische Besetzung durch die USA billigt und diesen die unbeschränkte Verfügungsgewalt über die riesigen irakischen Ölvorkommen zuspricht.
In den Wochen und Monaten vor dem Angriff auf den Irak haben Vertreter des Weißen Hauses ständig betont, es gehe bei dem Krieg nicht um Öl. Im März sagte US-Außenminister Colin Powell vor dem Kongress. "Das Öl gehört dem irakischen Volk. Es liefert die Mittel, um das Land aufzubauen."
Der am 9. Mai im UN-Sicherheitsrat verbreitete Resolutionsentwurf gibt aber den USA und ihren Koalitionspartnern, die einfach als "Autorität" bezeichnet werden, die umfassende politische und ökonomische Macht im Land und überträgt ihnen letzten Endes auch die Kontrolle über die Einnahmen aus den irakischen Ölexporten. Die Aufsicht der UN über das "Öl-für-Lebensmittel" Programm wird ebenso beendet wie die internationalen Wirtschaftssanktionen. Die sogenannten Massenvernichtungswaffen - der Vorwand für Sanktionen und Krieg - und die UNO-Waffeninspektoren werden nicht einmal erwähnt.
Die USA werden als "Autorität" über alle Aspekte der Politik in Bagdad, einschließlich der Errichtung der "irakischen Übergangsverwaltung" und eines "irakischen Hilfsfonds" entscheiden. Über die Verwendung der Gelder des Fonds, in den alle Einnahmen aus dem "Export von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas" fließen werden, "entscheidet die Autorität, in Konsultation mit der irakischen Übergangsverwaltung"- d.h. die USA unter Beteiligung ihrer handverlesenen irakischen Lakaien.
Wenn die Resolution angenommen wird, dann wird die UNO nur noch eine rein nominelle Rolle spielen. Ein UNO-Vertreter wird mit den Vertretern des IWF und der Weltbank in einem internationalen Beratergremium sitzen, das die Aufsicht über den irakischen Hilfsfond ausüben wird. Die Rolle des UN-Koordinators wird sich auf die Rolle eines Verbindungsmanns zwischen den USA und den verschiedenen UN-Agenturen und anderen internationalen Hilfsorganisationen beschränken. Andres ausgedrückt: Die diversen Repräsentanten und Agenturen innerhalb und außerhalb des Irak dürfen "konsultieren", "helfen" und "koordinieren", aber die wirkliche Entscheidungsgewalt wird von dem Resolutionsentwurf unmissverständlich Washington übertragen.
Zudem geschieht dies ohne zeitliche Beschränkung. Laut der Resolution wird die Autorität ihre Verantwortung "anfänglich für zwölf Monate wahrnehmen... und danach weitermachen, bis der Sicherheitsrat anders entscheidet". Um die Besetzung des Irak zu beenden, wäre also eine neue UNO-Resolution nötig, gegen die die USA natürlich ihr Veto einlegen können. Der Prozess und der Zeitplan für die Bildung einer verantwortlichen und unabhängigen irakischen Regierung werden dem Belieben Washingtons überantwortet.
Der Vorschlag der Bush-Regierung läuft auf die Rückkehr zum System der Kolonialherrschaft der zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts hinaus, als der Völkerbund den Siegern des ersten Weltkriegs Mandate übertrug, mit denen sie über die Besitztümer der besiegten Mächte herrschen konnten. In den zwanziger Jahren sprach der Völkerbund den Irak Großbritannien zu, das das Land in eine Monarchie verwandelte und einen gefügigen König einsetzte. Großbritannien zog sich 1932 zurück, behandelte den "unabhängigen" Irak aber weiter als Kolonie; es behielt Militärstützpunkte bei, kontrollierte weiter die irakische Außenpolitik und wahrte besonders seine kommerziellen Interessen hinsichtlich des irakischen Öls.
Der amerikanische Resolutionsentwurf für die UNO würde eine eher noch weitreichendere Plünderungsaktion sanktionieren als unter dem britischen Empire. In den "irakischen Hilfsfond" werden nicht nur die Einnahmen aus dem Ölexport fließen, sondern auch die Milliarden aus dem "Öl-für-Lebensmittel" Programm, die jetzt auf den Konten der UNO liegen, sowie Gelder der irakischen Regierung und Saddam Husseins und anderer hoher Politiker, die heute im Ausland angelegt sind.
Um sicherzustellen, dass keine anderen Ansprüche auf die Gelder erhoben werden, haben die USA eine Klausel eingefügt, wonach die Gelder des irakischen Hilfsfonds vor allen juristischen Ansprüchen geschützt sind, die irgendwo auf der Welt, "aus welchen Gründen und von wem auch immer, gegen den Irak, gegen seine Organe oder seine Vertreter geltend gemacht werden". Die Bush-Regierung wird ohne jede Kontrolle oder Einschränkung über Milliarden Dollar an Öleinnahmen und anderen Werten verfügen können.
Aufträge für den Wiederaufbau
Wie in früheren UN-Resolutionen werden fünf Prozent des Geldes für einen Entschädigungsfond abgezweigt, aus dem Kriegsreparationen für Schäden aus dem Golfkrieg von 1990-91 hauptsächlich an Kuwait gezahlt werden. Die übrigen 95 Prozent sollen für humanitäre Zwecke, den wirtschaftlichen Wiederaufbau, die Kosten der irakischen Zivilverwaltung und "für andere Zwecke, die dem irakischen Volk nützen" ausgegeben werden.
Der größte Teil des Geldes wird aber seinen Weg in die Taschen der großen, hauptsächlich amerikanischen Konzerne finden, die schon Schlange stehen, um lukrative Millionenaufträge beim Wiederaufbau des Irak zu ergattern. Eines der bekanntesten Beispiele sind die Verträge, die mit einer Tochtergesellschaft von Halliburton geschlossen wurden - der Gesellschaft, an deren Spitze US-Vizepräsident Richard Cheney von 1995-2000 gestanden hat und von der er heute noch bis zu einer Million Dollar im Jahr erhält.
Das Ingenieurs-Korps der US-Armee enthüllte kürzlich in einem Brief an den demokratischen Abgeordneten Henry Waxman, dass der Halliburton-Ableger Kellogg Brown & Root (KBR) ohne Bieterverfahren nicht nur einen Vertrag für das Löschen der brennenden Ölquellen im Irak erhalten hat, sondern auch für das Betreiben von Anlagen und den Vertrieb von Produkten der irakischen Ölindustrie. Der Vertrag, der das gewaltige Volumen von bis zu sieben Milliarden Dollar hat, läuft bis August, dann muss sich die Firma gegen andere Konkurrenten neu bewerben.
KBR verfügt über weitere, separate Vereinbarung im Logistikbereich mit dem Pentagon, die ebenfalls hohe Dividenden verspricht. Nach dem Vertrag von Dezember 2001 baut, versorgt und verwaltet die Firma amerikanische Militärbasen nach Bedarf, wie schon in Afghanistan und in Dschibuti.
Im Irak soll KBR die US-Militärverwaltung in Bagdad versorgen, das Büro für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe (OHCA). Die Kosten, die ursprünglich auf siebzig Millionen Dollar für die Versorgung von 350 Personen geschätzt wurden, werden sich wahrscheinlich auf mehrere hundert Millionen Dollar aufblähen, weil die Personalstärke des OHCA auf tausend angeschwollen ist und sogar 2.000 erreichen könnte.
KBR und das Pentagon betonen zwar, dass die Beschäftigung von Irakern und der Einkauf von Waren im Land oberste Priorität hätten, der größte Teil des Profits wird aber an KBR gehen. Unterverträge sind hauptsächlich nach Kuwait und Saudi Arabien vergeben worden. Nach KBRs eigenen Schätzungen sind von den Dutzenden Millionen Dollar, die an die Firma gezahlt wurden, nur 100.000 Dollar in die irakische Wirtschaft geflossen. Der Lohn, der Irakern gezahlt wird, beträgt etwa zwei Dollar am Tag.
Die KBR-Verträge sind nur die Spitze des Eisbergs. Sobald die UN-Resolution grünes Licht für den Ölexport gibt, kann die Ausplünderung im großen Stil beginnen. Und in nicht allzu ferner Zukunft wird die umfassende Privatisierung von Staatsunternehmen, besonders der Ölindustrie, großen Konzernen die direkte Kontrolle der profitabelsten Teile der irakischen Wirtschaft ermöglichen.
Trotz ihres unverhüllt kolonialen Charakters ist die gemeinsam von den USA, Großbritannien und Spanien eingebrachte Resolution im Sicherheitsrat nur auf wenig Opposition gestoßen. Chile erklärte am Freitag, es stehe dem Vorschlag "positiv" gegenüber; Angola beschrieb ihn als einen "guten Anfang"; Bulgarien begrüßte den Text und Mexiko sah in dem Entwurf "gute Elemente".
Frankreich und Russland hatten "Fragen" und sahen "Schwierigkeiten", aber beide Länder haben die Besetzung des Irak durch die USA als vollendete Tatsache akzeptiert und suchen eine Wiederannäherung an Washington. Ihr wichtigstes Anliegen ist die möglichst weitgehende Wahrung ihrer ökonomischen Interessen im Irak und in der Region. Viele der von der UNO unter dem "Öl-für-Lebensmittel" Programm vergebenen Aufträge waren an russische Firmen gegangen.
Als kleines Zugeständnis an Russland, Frankreich und andere sieht die US-Resolution die Fortführung des "Öl-für-Nahrungsmittel" Programms unter UN-Ägide für weitere vier Monate vor. Von den dreizehn Milliarden Dollar, die sich in dem Fonds befinden, sind zehn Milliarden Dollar schon festgelegt, aber noch nicht ausgezahlt - einiges könnte genutzt werden, um laufende Verträge zu honorieren. Was übrig bleibt, wird zusammen mit den noch nicht vergebenen drei Milliarden in den "irakischen Hilfsfond" übertragen werden und für den "Wiederaufbau" eingesetzt.
Frankreich und Deutschland werden vielleicht versuchen, durch hinhaltenden Widerstand mehr herauszuholen und wenigstens eine gewisse Kontrolle über die US-Operationen im Irak zu behalten. Aber da die USA in Bagdad sitzen, sind sie entschlossen, den Takt vorzugeben. Der Resolutionsentwurf ist ein klares und drohendes Ultimatum an die Rivalen in Europa und Asien, die uneingeschränkte Vorherrschaft der USA im Irak abzusegnen oder die Konsequenzen zu tragen.