Was verkörpert Roland Koch in der CDU?
Von Peter Schwarz
31. Januar 2003
Die hessische Landtagswahl vom kommenden Sonntag bedeutet auch eine Richtungsentscheidung für die CDU. Gelingt dem amtierenden Ministerpräsidenten und CDU-Spitzenkandidaten Roland Koch ein überzeugender Wahlsieg - und darauf deuten zur Zeit alle Umfragen hin -, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit die Union als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl führen. Die CDU würde damit politisch deutlich nach rechts rücken.
Koch selbst ist zwar bemüht, die Gegensätze, die seit dem Abgang Helmut Kohls in der CDU schwelen, nicht weiter zu verschärfen, aber seine politische Herkunft, die Schwerpunkte seiner Politik und seine Verbindungen zu ultrarechten Kreisen weisen ihn eindeutig als Vertreter des rechten Flügels der Union aus. Als "eine Mischung aus einem Neoliberalen und einem Nationalkonservativen mit einem Schuss gut kalkulierter Unberechenbarkeit, die er gern als Liberalität verkauft", hat ihn Heribert Prantl im Magazin der Süddeutschen Zeitung beschrieben.
Am deutlichsten zeigte sich Kochs Rechtsdrall an der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, mit der er sich 1999 bundesweit in die Schlagzeilen katapultierte und die hessische Landtagswahl gewann. Mit der Unterschriftensammlung gegen das neue Staatbürgerschaftsrecht der rot-grünen Koalition appellierte er offen und ungeniert an nationalistische und ausländerfeindliche Vorurteile.
Koch gibt freimütig zu, dass er damit seinen Bekanntheitsgrad steigern wollte. Ein hessischer Oppositionsführer habe es schwer, in die Medien zu kommen, und "damals kamen Fernsehteams, die sonst nie über unseren Wahlkampf berichtet hätten", zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung. Und in einem langen, als Buch veröffentlichten Gespräch mit dem konservativen Journalisten Hugo Müller-Vogg bekennt er, die "Medienkampagne gegen die Unterschriftenaktion" sei viel wichtiger gewesen "als jedes Plakat, jede eigene Aktivität der CDU in dieser Zeit". "Die Debatte um die Zuwanderung würde ich jeden Tag wieder führen, sie war richtig und notwendig."
Endgültig sicherte sich Koch den Respekt der Betonköpfe in der CDU, als er nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten den Spendenskandal der hessischen CDU eisern durchstand. Während sich in der Bundes-CDU wegen eines vergleichbaren Skandals die Rücktritte häuften, verharrte Koch unbeirrt im Amt. Die hessische CDU hatte Millionenbeträge am Parteiengesetz vorbeigeschleust, dies dreist mit angeblichen "jüdischen Vermächtnissen" bemäntelt und Koch selbst hatte die Öffentlichkeit schamlos belogen. Rückblickend betrachtet er das als Bagatelle. "Den Vorhalt, zu spät informiert zu haben, müssen sich viele Politiker in ihrem Leben irgendwann mal machen", kommentiert er sein Verhalten im Gespräch mit Müller-Vogg.
Die Unverfrorenheit, mit der Koch eigene Gesetzesverstöße verniedlicht, während er gleichzeitig drakonische Strafen für Kleinkriminelle verlangt und der Jugend "Autorität, Disziplin und Leistung" predigt, erinnert an die republikanische Rechte in den USA und an den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
Letzterem eifert Koch noch in einer weiteren Hinsicht nach - dem Missbrauch der Justiz zu parteipolitischen Zwecken. 2001 ließen die hessischen Justizbehörden die Büro- und Privaträume des Fischer-Biografen Wolfgang Kraushaar durchsuchen und Computerfestplatten konfiszieren, in der Hoffnung, etwas Belastendes gegen Joschka Fischer zu finden. Den Vorwand für die Aktion bildete ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Falschaussage, das die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen den amtierenden Außenminister eröffnet hatte. Der grüne Spitzenpolitiker wurde verdächtigt, die Unwahrheit über seine Rolle als Straßenkämpfer vor dreißig Jahren gesagt zu haben. Fischer gilt seit seinen Tagen als hessischer Umweltminister als Kochs politischer Intimfeind.
Auch die antisemitische Assoziation von "Jude" mit "Geld", die erstmals in der Mär von den "jüdischen Vermächtnissen" anklang, scheint tief in Kochs Unterbewusstsein verankert zu sein. Das wurde im vergangenen Dezember im hessischen Landtag deutlich, als Koch Kritik an Superreichen mit der Diskriminierung von Juden gleichsetzte. Weil der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske die Namen einiger (allgemein bekannter) Milliardäre genannt hatte, um die Forderung nach einer Vermögenssteuer zu begründen, sah Koch eine Stigmatisierung der Reichen "mit einer neuen Form von Stern an der Brust". Seine Äußerungen lösten einen Eklat aus.
Wahlkampfthemen
Auch im jüngsten Wahlkampf ritt Koch die Steckenpferde der Rechten. Sein zentrales Thema war die innere Sicherheit - Aufrüstung der Polizei, hartes Durchgreifen, schärferer Strafvollzug, flächendeckende Überwachung, kurz alles, was man aus dem Arsenal der Law-and-order-Politik seit langem kennt.
In der Sozialpolitik erinnern seine Vorschläge stark an den "caring conservatism" von US-Präsident George W. Bush. Der Staat "kümmert" sich insofern um die Armen und Bedürftigen, als er dafür sorgt, dass diese den Wohlhabenden und der Staatskasse nicht zur Last fallen.
Als Vorbild dient der amerikanische Bundesstaat Wisconsin, den Koch wiederholt besucht hat. Dort wurde ein Modell verwirklicht, das alle Sozialhilfeempfänger zur Arbeit zwingt. Der Staat steht ihnen dabei aktiv zur Seite. Wer es trotzdem nicht schafft oder einen Niedriglohnjob ablehnt, verliert jeden Anspruch auf Unterstützung. Für ihn ist dann der "harte Strafvollzug" zuständig. Koch-Freund Tommy Thompson, der dieses Modell als Gouverneur von Wisconsin eingeführt hat, sitzt inzwischen als Sozialminister in der Bush-Administration.
Kochs Auffassung von sozialer Gerechtigkeit stellt die bisherige Bedeutung dieses Begriffs in Orwellscher Manier auf den Kopf. Den Delegierten des Fuldaer Wahlparteitags der CDU bot er folgende Definition von Gerechtigkeit: "Es geht um eine schlichte Frage, ob wir es als gerecht empfinden, dass Menschen, die arbeiten könnten, in diesem Land nicht arbeiten und dafür staatliche Unterstützung erhalten."
Zur Begründung bediente er sich der für ihn typischen, hemmungslosen Demagogie. In einer Gesellschaft, "die Freiheit, Leistung und Gerechtigkeit fordert und nicht abstellen kann, dass der Sozialhilfeempfänger bei den Kassen als Privatpatient behandelt wird, während derjenige, der arbeitet und dafür das Geld bezahlt, als Kassenpatient behandelt wird," stimme etwas nicht, erklärte er dem Parteitag.
In der Bildungspolitik sieht Koch seine Aufgabe in einer "Generalabrechnung mit allen Irrungen, die die Bildungspolitik in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen hat, insbesondere auch mit den Spätfolgen der antiautoritären Erziehungsideen der Achtundsechziger-Zeit," wie er Müller-Vogg erklärte. Es gehe darum, die "Autorität an der Schule wieder herzustellen", es gehe "um Leistung, um Autorität, auch um Disziplin".
Kochs Ziel lautet Elitebildung. Auf dem Fuldaer Parteitag stellte er die im Bau befindliche Eliteschule Schloss Hansenberg als leuchtendes Beispiel hin. Er wolle den 1,2 Prozent besten Schulabsolventen der neunten Klasse eine ganz andere Ausbildung bieten, "näher an der Wirtschaft", in Kontakt mit den "Leistungsträgern dieser Gesellschaft". So solle eine "Elite der Gesellschaft" herangezogen werden, die in Zukunft "Führungsverantwortung, Wirtschaftsverantwortung und Kreativitätsverantwortung in Kunst und Kultur" übernehme.
Der desolate Zustand, in dem die rot-grüne Koalition unter Hans Eichel das hessische Bildungssystem nach jahrelanger finanzieller und personeller Ausblutung hinterließ, hat Koch geholfen, diese stockkonservativen Vorstellungen durchzusetzen.
In der Wirtschaftspolitik steht Koch auf dem liberalen Flügel der Union. Er ist, nach Einschätzung der Zeit, sogar "liberaler und sozialpolitisch etwas unempfindlicher" als CSU-Chef Edmund Stoiber. Entsprechend wurde er von den Großkonzernen im Rhein-Main-Gebiet unterstützt. Die Dresdner Bank und der Pharmakonzern Altana schalteten ganzseitige Anzeigen in Tageszeitungen, die Koch ausgiebig Platz zur Selbstdarstellung gaben. Altana und Commerzbank hatten bereits 2001 eine "Initiative Wirtschaft für Koch" gegründet, um bis zur Hessenwahl eine Million Euro für die CDU zu sammeln.
Die außenpolitischen Vorstellungen Kochs stehen in konservativer Tradition, wobei er den Standpunkt vertritt, dass Deutschland nur wieder zur Großmacht werden kann, wenn es ihm gelingt, Europa zu vereinen. Im Wahlkampf griff er zwar - im Einklang mit der restlichen Union - die Kritik der Bundesregierung an den amerikanischen Kriegsplänen gegen den Irak scharf an. Aber ihm ging es dabei keineswegs um eine bedingungslose Unterstützung der USA, sondern um eine stärkere außenpolitische Rolle Deutschlands.
In einem Vortrag zur deutschen Außenpolitik, den er im Oktober vor dem Aspen-Institut in Berlin hielt, bedauerte Koch, "dass die Bundesrepublik in dieser schwierigen Zeit nicht den Einfluss hat, der ihr eigentlich auf Grund ihrer wirtschaftlichen und politischen Größe sowie der geografischen Lage zusteht". Für ihn steht außer Zweifel, "dass es Anlass zur Besorgnis über eine abnehmende Rücksichtsnahme der US-Administration auf politische Interessen anderer in der Welt gibt". "Die bipolare Welt ist Geschichte. Die unilaterale Sicht Amerikas entspricht nicht unseren Interessen. Also müssen wir uns auf den Weg machen, eine überschaubare multipolare Machtstruktur zu befördern," sagte er.
Der Weg dazu liege in der Stärkung Europas. Die deutsche Außenpolitik müsse sich "darauf konzentrieren, in den wesentlichen weltpolitischen Fragen möglichst schnell verbindliche Strukturen für eine einheitliche Sprache in Europa zu finden". Europa habe "nur eine Chance, wenn es in den Fragen der Außenbeziehungen letzten Endes verbindlich mit einer Stimme spricht". Dazu gehört auch eine verstärkte militärische Aufrüstung, "ein schnelles Konzept, wie die militärische Kraft Europas insgesamt so gebündelt werden kann, dass sie wenigstens für die Armee der Vereinigten Staaten von Amerika ein akzeptabler Partner bleiben kann".
Als Kitt für die europäische Einigung will Koch die "christlich-abendländische Tradition" einsetzen. "Europa ist keine gottlose Gemeinschaft, sondern hat ihre gemeinsamen Bezüge aus der 2000jährigen Geschichte des Christentums", sagte er vor dem Aspen-Institut. Mit dieser Begründung lehnte er eine Aufnahme der Türkei oder Russlands in die Europäische Gemeinschaft strikt ab.
Auch wenn Koch heute noch von "Partnerschaft" mit den USA spricht und sie als Garant einer "friedlicheren, freiheitlicheren und gerechteren Welt" bezeichnet, läuft die Logik seiner Position auf eine wachsende politische und schließlich sogar militärische Konfrontation mit der Großmacht jenseits des Atlantiks hinaus. Es wird nicht lange dauern, bis er auch in den USA jene multikulturelle Gesellschaft entdeckt, die er hier so sehr verabscheut - oder sogar die versteckte Hand des Judentums.
Am rechten Rand
Kochs konservative Standpunkte kommen nicht von ungefähr. Er ist Vorsitzender eines Landesverbands, der seit langem am rechten Rand der CDU steht. Im Gespräch mit Müller-Vogg bekennt er sich ausdrücklich zu seinen Vorgängern Alfred Dregger und Manfred Kanther, die ihn stark beeindruckt hätten. Dregger stand der hessischen CDU von 1967 bis 1982 vor und Kanther von 1991 bis 1998, als Koch ihn ablöste.
Alfred Dregger war jahrzehntelang eine Galionsfigur der Nationalkonservativen. Im Zweiten Weltkrieg Kommandeur eines Wehrmacht-Bataillons, setzte er den Feldzug gegen die Sowjetunion nach 1945 unbeirrt als fanatischer kalter Krieger fort. Der leidenschaftliche Antikommunist stritt unermüdlich für die Wiedervereinigung Deutschlands und die Rettung der "Ehre" der Wehrmacht. Seine engsten ideologischen Mitstreiter waren der Verleger Axel Springer und ZDF-Moderator Gerhard Löwenthal. Auch sozialpolitisch stand Dregger auf dem rechten Flügel der Union; so wandte er sich in den siebziger Jahren gegen die Mitbestimmung und verdächtigte die CDU-Sozialausschüsse sogar des "Sozialismus".
Manfred Kanther galt bundesweit als Inbegriff des Law-and-order-Politikers. Der "schwarze Sheriff", wie sein Spitzname lautete, profilierte sich ab 1993 als Bundesinnenminister durch eine harte Linie in der Asylpolitik und der Kriminalitätsbekämpfung.
Wie Dregger und Kanther unterhält auch Koch enge Beziehungen zur rechten Szene am Rand und außerhalb der Union.
Im vergangenen Frühjahr trat er als Hauptredner auf dem Jahreskongress des Studienzentrums Weikersheim auf. Das Studienzentrum, das jahrelang vom ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsident Hans Filbinger geleitet wurde, gilt als Kaderschmiede der Konservativen und Schnittstelle zu Ultrarechten. Seine führenden Vertreter publizieren regelmäßig in der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit. Die Junge Freiheit sei nicht weiter rechts, als die Taz links sei, auch wenn sie vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet werde, begründete dies der heutige Präsident des Studienzentrums, Professor Klaus Hornung.
Neben bekannten Vertretern des rechten CDU-Flügels - wie Filbinger, Jörg Schönbohm, Philipp Jenninger, Manfred Rommel und Arnold Vaatz - verkehren in Weikersheim auch notorische Rechtsradikale. So berichtete das ARD-Magazin Panorama über einen Auftritt von Albrecht Jebens, Vorstandsmitglied der "Gesellschaft für Freie Publizistik", die für ihre Hetze gegen Juden und die Verharmlosung des Holocaust bekannt ist.
Ein weiterer Referent der "Gesellschaft für Freie Publizistik", Hans-Helmuth Knütter, wurde von Koch sogar durch ein Vorwort geehrt. Der kürzlich erschienene Sammelband "Zukunftsmodell soziale Marktwirtschaft", der einen Beitrag des rechtsextremen Professors enthält, wird vom hessischen Ministerpräsidenten eingeleitet.
Knütter, ständiger Mitarbeiter des rechtslastigen Ostpreussenblattes, bezeichnet sich selbst als "Verfassungsfeind" und tritt als Referent vor Neonazis und NPD-Mitgliedern auf. Panorama sendete einen Mitschnitt einer derartigen Veranstaltung, in dem Knütter die Jüngeren im Saal in SA-Manier zu "Saalschlachten und Straßenkämpfen" ermuntert. Von Panorama darauf angesprochen, distanzierte sich Koch nicht von Knütter, sondern antwortete stereotyp: "In diesem Buch sind Beiträge enthalten, über die man diskutieren kann. Ich stimme nicht mit jedem überein, aber es lohnt sich die Diskussion."
Provinzpolitiker
Sucht man nach den Wurzeln von Kochs reaktionären Standpunkten, findet man weniger konservatives Traditionsbewusstsein als provinzielle Borniertheit. Seine Ansichten wurden nicht durch die Auseinandersetzung mit historischen und weltanschaulichen Fragen geprägt, sondern durch den engen Horizont, der seinen politischen und persönlichen Werdegang kennzeichnet.
Koch ist in seinen 45 Lebensjahren nie über das eng umgrenzte Gebiet zwischen Taunus und Rhein-Main-Ebene hinaus gekommen, in dem er geboren wurde, aufwuchs und politisch Karriere machte. Natürlich reiste er gelegentlich ins Ausland, aber sein Lebenslauf verzeichnet keine längeren Aufenthalte in anderen Ländern oder auch nur in anderen Regionen Deutschlands. Auslandsreisen - wie etwa in die Vereinigten Staaten, von der er die Idee des Wisconsin-Modells mitbrachte - dienten nicht der Erweiterung des Horizonts, sondern des Bestärkung bereits existierender Vorurteile.
Roland Koch wurde 1958 in Frankfurt geboren und wuchs in Eschborn auf, einer Vorstadt der Mainmetropole am Fuße des Taunus. Dort gründete er 1972, im Alter von 14 Jahren, zusammen mit einigen Freunden eine Ortsgruppe der Jungen Union.
Anfang der siebziger Jahre, als die Nachwirkungen der Studentenbewegung noch überall spürbar waren und die SPD unter Willy Brandt ihren größten Wahlerfolgen zustrebte, war das für einen Jugendlichen sicherlich ein ungewöhnlicher Schritt. Aber Koch war weder ein Einzelgänger noch ein rechter Nonkonformist. Im gut situierten, kleinbürgerlichen Milieu Eschborns schwamm er mit der vorherrschenden Strömung. Außerdem folgte er dem Vorbild des Elternhauses. Sein Vater war CDU-Landtagsabgeordneter und wurde später sogar hessischer Justizminister.
Die folgenden Jahre widmete Koch zielstrebig seiner beruflichen und politischen Karriere. Abitur, Wehrdienst, Jurastudium und Aufbau einer eigenen Anwaltskanzlei in Eschborn mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht; CDU-Stadtverordneter, Kreistagsabgeordneter, CDU-Kreisvorsitzender, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Union, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion - all dies parallel und im Zeitraum von etwas mehr als 15 Jahren.
Bei dieser Konzentration auf die Karriere ist Koch offenbar keine Zeit geblieben, über tiefergehende Fragen nachzudenken. Durch wegweisende Artikel und Reden oder gar als Autor von Büchern ist er bisher nicht in Erscheinung getreten. Politik ist für den Berufspolitiker nicht die Kunst der Perspektive, sondern fraktionelles Geschacher, parlamentarisches Gezänk, Selbstdarstellung in den Medien und vor allem das Anknüpfen von Beziehungen: Man muss stets wissen, mit wem man wann ein Bier trinkt.
Mit dem Buch "Beim Wort genommen" hat Koch versucht, diesem Missstand abzuhelfen. Er hat zwar nicht selbst zur Tastatur gegriffen, sich aber vom konservativen Publizisten Hugo Müller-Vogg (langjähriger Mitherausgeber der FAZ und heute bei Bild und Welt am Sonntag) befragen lassen. Das Ergebnis sind 200 Seiten aneinandergereihte Banalitäten, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten sind. Man sucht in dem Buch vergeblich nach einem Hinweis auf eine einzige historische Frage - Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit, Zusammenbruch der DDR und Sowjetunion, Globalisierung. All das interessiert Koch nicht. Er denkt nicht in historischen Kategorien. Stattdessen findet man Konformismus, Oberflächlichkeit, katholische Bigotterie und Schulhofallüren.
Müller-Vogg erweist sich als Stichwortgeber, der jeder kontroversen Frage ausweicht. "Sie verfügen meines Erachtens über zwei wichtige Fähigkeiten. Zum einen zwischen dem Wesentlichen und dem Unwesentlichen zu unterscheiden, zwischen dem, was machbar ist, und dem, was nicht machbar ist. Und zum anderen können Sie das als überdurchschnittlich guter Redner auch vermitteln. Sehen Sie das auch so?", lautet eine typische Frage. Seit dem Untergang der DDR hat man eine derart devote Hofberichterstattung in Deutschland nicht mehr gehört.
Das Geheimnis von Kochs Erfolg
Ein Blick auf Kochs Lebenslauf wirft die Frage auf, wie ein derart beschränkter und rechtslastiger Politiker in höchste Ämter aufsteigen kann. Die Antwort ist einfach: Weil ihm niemand entgegentritt.
SPD und Grüne haben Koch durch ihre ständige Rechtsentwicklung in Hessen und im Bund den Weg geebnet. Sein Erfolg beruht nicht auf einer weitverbreiteten Unterstützung für seine reaktionären Ansichten, sondern auf dem Fehlen jeder glaubhaften Alternative.
Laut einem Bericht des Spiegel, der meist über verlässliche Insider-Informationen verfügt, sehnen sich inzwischen viele in der SPD-Spitze geradezu nach einem Wahlsieg Kochs. Eine klare Unionsmehrheit im Bundesrat würde es ihnen leichter machen, drastische Einschnitte im Sozialbereich, die längst in den Schubladen bereit liegen, gegen den Widerstand in den eigenen Reihen durchzusetzen.
"Der Kanzler und sein Superminister Clement glauben, dass sie mit dem Hessen und dem ihm nahestehenden Merkel-Vize Friedrich Merz, in der Union für die Wirtschafts- und Finanzpolitik zuständig, ihr Reformprogramm mit nur wenigen Abstrichen umsetzen können", schreibt der Spiegel. Der Bundestag würde weitgehend ausgeschaltet und die "Reformen" in einer informellen Großen Koalition im Bundesrat durchgezogen. Profitieren würde davon wiederum Koch, der sich auch gegenüber seiner innerparteilichen Rivalin Angela Merkel profilieren könnte.