Internationale Konferenz der WSWS/SEP
Der Irakkrieg und die Blair-Regierung
Von Julie Hyland
6. August 2003
aus dem Englischen (17. Juli 2003)
Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party (SEP) hielten am 5. und 6. Juli im australischen Sydney eine Konferenz mit dem Titel "Politische Lehren aus dem Irakkrieg: Der Weg nach vorn für die Arbeiterklasse" ab.
Wir veröffentlichen heute die Grußworte, die Julie Hyland der Konferenz von der britischen SEP überbrachte. Hyland ist Mitglied der internationalen Redaktion der WSWS und stellvertretende Nationale Sekretärin der Socialist Equality Party in Großbritannien.
Die World Socialist Web Site hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Krieg gegen den Irak einen bedeutenden Wandel in den politischen Beziehungen markierte, und zwar sowohl in Bezug auf die Außenpolitik als auch hinsichtlich der Innenpolitik. Ich möchte diesen Punkt ausführen, indem ich auf die Situation in Großbritannien eingehe.
Am Ende des Krieges lautete der offizielle politische Konsens, dass Blair unangreifbar sei. Er hatte nicht nur der Massenbewegung gegen einen von den Vereinigten Staaten angeführten Krieg die kalte Schulter gezeigt, sondern auch durch die britische Beteiligung an der Intervention die so genannte besondere Beziehung zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten gefördert und die Position Großbritanniens gegenüber seinen großen europäischen Konkurrenten - Deutschland und Frankreich - und damit die britische Stellung auf Weltebene gestärkt.
Blair war sich seiner Sache so sicher, dass er über seine Kritiker spottete und höhnisch vor dem Parlament erklärte: "Sie sagten, es würde Tausende Tote geben. Sie sagten, es wäre mein Vietnam. Sie sagten, der Mittlere Osten würde in Flammen stehen."
Er triumphierte zu früh. Im Irak steigt die Zahl der Opfer auf beiden Seiten erbarmungslos an; unter anderem wurden in der vergangenen Woche sechs britische Soldaten von einer aufgebrachten Bevölkerung getötet - es waren die ersten britischen Todesopfer seit dem formalen Ende der Kriegshandlungen.
Die Nachricht vom Tod der Soldaten sandte eine Schockwelle durch Großbritannien. Bereits zu Beginn der Intervention hatten das Establishment und die Medien in Großbritannien versucht, eine Unterscheidung zwischen den eigenen Truppen und denen der Vereinigten Staaten zu treffen. Während letztere brutale Draufgänger waren, die sich nicht aus ihren gepanzerten Fahrzeugen herauswagten, waren die Briten anständige Jungs, die den Eingeborenen unter die Arme greifen, bis diese sich selbst zu helfen wissen. Teufel, schließlich patrouillierten sie nicht nur ohne Helm, sondern spielten auch noch Fußball mit der einheimischen Bevölkerung.
Das war natürlich Quatsch. Es finden bereits mindestens zwei Untersuchungen zur Brutalität britischer Soldaten gegenüber der irakischen Bevölkerung statt, und Fotos, die scheinbar von britischen Soldaten aufgenommen wurden, zeigen sie bei der Folterung ihrer Gefangenen.
Die Presse behauptete natürlich, dass die Soldaten Opfer von Unterstützern Husseins seien, aber das zog nicht, weil sie in der schiitischen Region im Südirak getötet wurden, die eine Hochburg der Opposition gegen das alte Regime gewesen war.
Die Angriffe machten deutlich, dass die irakische Bevölkerung nicht zwischen britischen und amerikanischen Truppen unterscheidet. Beide werden als widerrechtliche Besatzungstruppe betrachtet und dementsprechend behandelt.
Sofort kamen Bedenken auf, dass Großbritannien in einen Sumpf gezogen wird und keine Rückzugsstrategie in Sicht ist. Die Situation im Irak wird bereits routinemäßig mit der in Nordirland verglichen, wo die britische Intervention zu einer Okkupation geführt hat, die seit nunmehr dreißig Jahre andauert, erbitterten Widerstand hervorgerufen und Millionen von Pfund sowie unzählige Leben gekostet hat.
Während der Widerstand im Irak wächst, fliegen Blair zu Hause die Behauptungen um die Ohren, mit denen er die Intervention zu rechtfertigen versucht hatte.
Die Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, spielte für Blair immer eine wichtigere Rolle als für Bush. Erstens war eine Mehrheit der Bevölkerung in Großbritannien gegen einen präventiven Angriff auf den Irak und zweitens hatten Juristen den Premierminister darauf hingewiesen, dass er nicht offen das amerikanische Ziel des Regimewechsels verfolgen könne, weil dies nach internationalem Recht nicht zulässig ist und eine Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen ihn möglich gemacht hätte.
Also setzte die Blair-Regierung über Monate hinweg politisch ihren Hals aufs Spiel, indem sie die irakische Bedrohung aufbaute. Sie funktionierte dabei praktisch als Außenposten des Pentagons, als sie die so genannten Geheimdienstdossiers veröffentlichte, in denen die angeblichen chemischen, biologischen und nuklearen Handlungsmöglichkeiten des Iraks aufgeführt wurden.
Diese stellen sich nun als bleibende Schande dar. Die auf gefälschten Dokumenten beruhenden Vorwürfe, der habe Irak in Afrika Uran kaufen wollen, wurden von den Briten erhoben. Dann war da noch das Dossier, das sich größtenteils als Plagiat einer 12 Jahre alten Doktorarbeit erwies. Und was die Annahme betrifft, Hussein könne innerhalb von 45 Minuten einen Angriff starten, so haben Wochen der intensiven Suche im ganzen Irak bewiesen, dass dies ebenfalls eine Lüge war.
Es festigte auch nicht gerade die Stellung des Premierministers, als seine amerikanischen Alliierten erklärten, dass die Frage der Massenvernichtungswaffen nur aus "bürokratischen Gründen" zum Thema gemacht worden sei. Und der Premierminister, der immer wieder erklärt hatte, die Bevölkerung solle ihm, Tony, persönlich vertrauen, wurde zum Rückzug gezwungen und musste zwei Untersuchungen zu den Kriegsrechtfertigungen akzeptieren, um Forderungen nach einer strafrechtlichen Prüfung des Vorgangs zu beruhigen.
Von beiden Untersuchungen wird erwartet, dass sie die Regierung entlasten. Der parlamentarische Ausschuss zu Geheimdienst- und Sicherheitsfragen wurde vom Premierminister selbst zusammengestellt und trifft sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, und der außenpolitische Ausschuss ist zwar parteiübergreifend und quasi öffentlich, war aber gleichzeitig stark in die Entscheidung einbezogen, Truppen zu entsenden.
Obwohl das Ganze als Ehrenrettung gedacht ist, befindet sich die Sache jedoch nicht unter Blairs Kontrolle. Die erbitterten Auseinandersetzungen und Fehden innerhalb des britischen Establishments um die strittige Frage der Außenpolitik sickern nach draußen.
Die ehemalige Verteidigungsministerin Clare Short sagte, dass Blair im Sommer vergangenen Jahres mit Bush einen geheimen Plan für eine Invasion im Irak ausgeheckt hat und zu diesem Zweck "Halbwahrheiten, Übertreibungen, falsche Beteuerungen einsetzte". Lügen also, mit anderen Worten, obwohl sie dies eine "ehrenvolle Täuschung" nennt.
Blair droht bereits eine Anklage als Kriegsverbrecher durch die Anwaltsvereinigung Athens Bar Association. Um von ihrem kriminellen Treiben abzulenken, hat die Regierung einen Offensive gegen die BBC und deren Berichterstattung zu den Ereignissen begonnen, aber damit nur erreicht, dass die Frage noch heißer wurde. Die Regierung ist alles andere als unangreifbar und zum ersten Mal, seit Blair an die Macht gekommen ist, spekuliert die Presse darüber, ob er zum Rücktritt gezwungen sein könnte.
Wir erleben nun eine geradezu surreale Situation. Der Premierminister, der vor dem Kongress in Washington eine Goldmedaille für geleistete Dienste erhalten wird, verdrängte vor kurzem bei einer Umfrage des Fernsehsender Channel 4 sogar Thatcher als meist gehassteste Person Großbritanniens und wurde bei einer anderen Umfrage als erste Person genannt, die aus dem Land geworfen werden sollte.
Der Irakkrieg hat Blairs Krise verschärft
Wie ist dieser außergewöhnlich Stand der Dinge und ebenso die Tatsache, dass Blairs weiterhin an der Macht ist, zu erklären? Die Ereignisse bestätigen, dass der Krieg nicht ein Ausdruck der Stärke sondern einer grundlegenden Schwäche war und dass er diese Probleme nicht nur nicht gelöst sondern vielmehr verschärft hat.
Blairs Festlegung auf den Krieg, das ist klar, geschah nicht aus humanitären Befürchtungen, sondern aufgrund von grundlegenderen geopolitischen Erwägungen. In erster Linie besteht er darauf, dass nichts den freien Markt aufhalten kann, und er selbst hat die Verwandlung der Labour Party in die bevorzugte Partei des britischen Kapital beaufsichtigt.
Ganz offenbar ist der Zugang zu Öl und Energie eine Frage. Neben der Tatsache, dass einige der weltweit führenden Ölkonzerne britisch sind, wird davon ausgegangen, dass Großbritannien in 20 Jahren seinen gesamten Energiebedarf importieren muss - und die Schlüsselregionen für Energievorräte sind Afrika, der Mittlere Osten und die ehemaligen Sowjetrepubliken, was die britischen Interventionen in Sierra Leone, dem Kongo, Afghanistan und dem Irak erklärt (die sämtlich unter Blair geschahen, der inzwischen mehr Militärinterventionen sanktioniert hat als jeder andere Premierminister vor ihm).
Nehmen wir einen größeren Maßstab: Großbritannien ist der zweitgrößte überseeische Investor der Welt. Der britischen Regierung stellt sich die Frage, wie diese Interessen unter den Bedingungen eines wachsenden ökonomischen, politischen und sozialen Ungleichgewichts und eines eskalierenden Wettbewerbs zu wahren sind.
Großbritannien hat dabei vor allem zwei Ziele verfolgt: Sicherzustellen, dass der von den Einschränkungen des Kalten Krieges befreite amerikanische Imperialismus nicht einen unilateralistischen Kurs einschlagen würde, der den britischen Interessen schädigt. Und die Entwicklung einer vereinigten europäischen Politik zu verhindern, die Großbritannien außen vor lässt. Letzteres sollte durch ein Aufbrechen der deutsch-französischen Allianz erreicht werden, die der Motor der europäischen Vereinigung war.
Diese Ziele hatten Blairs Politik in Bezug auf den Irak bestimmt. Abweichende Meinungen blieben nicht aus und nicht geringe Teile des Außenministeriums, der Geheimdienste und selbst eine schmale Schicht innerhalb der Labour Party sahen sein Vorgehen als gefährlich an und befürchteten, dass die britischen Interessen zu eng mit denen der Vereinigten Staaten verknüpft wurden.
Die Tatsache, dass sie seinen Kurs nicht verhindern konnten, deutet allerdings auf weiter reichende soziale und politische Veränderungen innerhalb der Strukturen der britischen Gesellschaft selbst hin.
Zum Einen haben diese Teile, die als liberale Bourgeoisie gelten, Blair keinen unabhängige Politik entgegenzusetzen. Diejenigen, die von den amerikanischen Demokraten einen mäßigenden Einfluss auf Bush erwarteten, wurden schnell mit dem Fehlen einer jeglichen Opposition konfrontiert. Eine Zeit lang wurde der amerikanische Außenminister Colin Powell als Gegengewicht zu den Kriegstreibern betrachtet. Als er seine Unterstützung für die Bush-Doktrin bekannt gab, wurde klar, dass dies der bevorzugte Kurs der amerikanischen Bourgeoisie als Ganzer war. Gleichzeitig sahen diejenigen, die eine stärkere europäische Linie vorzogen, diesen Weg durch die völlige Feigheit und Falschheit der europäischen Bourgeoisie versperrt, die zwar viel Lärm um ihre Opposition machte, aber angesichts der amerikanischen Aggression einknickte. Als Rumsfeld in seiner Rede Europa in alte und neue Bestandteile unterteilte und dann die Vereinigten Staaten noch deutlich machten, dass sie den Krieg unabhängig von der Entscheidung des britischen Parlaments zu dieser Frage führen würden, wurde den meisten klar, dass das Spiel gelaufen war.
Zum Anderen starrt die britische Bourgeoisie, unabhängig von allen Differenzen, voller Neid und Ehrfurcht auf die herrschende Klasse in den Vereinigten Staaten - auf ihren Reichtum ebenso wie auf ihre vollkommene Gleichgültigkeit hinsichtlich sozialer Ungleichheit. Amerikas herrschende Klasse ist für sie wie ein Bruder, der reicher ist als sie selbst und auch noch besser aussieht, und den sie gleichzeitig liebt und hasst.
So verhält es sich also mit der herrschenden Klasse Großbritanniens. Sie ist durch Privatisierungen, den Abbau von Sozialleistungen, Lohnsenkungen etc. ziemlich weit gekommen bei dem Versuch, es den Vereinigten Staaten gleich zu tun. Im Ergebnis summiert sich der Reichtum der eintausend reichsten Briten, der zum größten Teil auf Finanzspekulationen und grob aufgeblähten Grundstückspreisen beruht, auf 155,86 Milliarden Pfund. Um das in Relation zu setzen: Praktisch das gesamte Königreich Großbritannien, mit Ausnahme von London und dem Südosten, kommt aufgrund seiner sozialen und ökonomischen Indexe für Hilfsprogramme der Europäischen Union in Frage. Ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut und in nur sechs Jahren haben sich die Verbraucherschulden verdoppelt und ein Rekordhoch von 800 Milliarden Pfund erreicht. Die Überlegung des Kabinettmitglieds Peter Hain, dass die Familien mit geringem Einkommen nur durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu entlasten seien, der derzeit bei 40 Prozent für jedes Einkommen über 35.000 Pfund liegt, führten zu einem gewaltigen Aufschrei und zu einer Rücktrittsforderung, die vom Boulevardblatt Sun des Medienmoguls Rupert Murdoch ausgegeben wurde.
Hain hatte seine Rede noch nicht einmal gehalten - es handelte sich um eine Vorabmeldung - und sein Vorschlag, wenn er denn umgesetzt worden wäre, hätte lediglich 10 Prozent der Bevölkerung betroffen und den Staatsfinanzen weitere 5 Milliarden Pfund pro Jahr eingebracht. Nichtsdestotrotz eilte Blair aus einem EU-Gipfel, um zu erklären: "Ich habe nicht die letzten 10 Jahre damit verbracht, die Labour Party in eine Position zu bringen, in der sie die Anhebung des Spitzensteuersatzes ablehnt, um jetzt eben dies zu tun."
Diese enorme Polarisierung der Gesellschaft ist der Grund dafür, dass Blair demokratische Normen verleumdet. Dank einer archaischen Verfassung, oder vielmehr dem Fehlen einer Verfassung, genießt der Premierminister eine größere Machtfülle als jeder andere Präsident, was Blair sich zunutze macht.
Ein Gesetzentwurf wird vorbereitet, um die existierenden Anti-Terror-Gesetze auszudehnen, was der Regierung die Möglichkeit gäbe, die Gesetzgebung zeitweise ohne parlamentarische Zustimmung vorzunehmen und regional den Ausnahmezustand zu verhängen.
Außerdem hat Blair einer nicht gewählten Gruppe von persönlichen Beratern, die zum größten Teil enge Verbindungen zur Wirtschaft aufweisen, großen politischen Einfluss verschafft. Noch bevor er gewählt wurde, konnte Blair aufgrund von Spenden aus Wirtschaftskreisen das größte Büros eines Oppositionsführers einrichten, das je in der britischen Geschichte existierte - 20 Vollzeitkräften arbeiteten dort für ihn. Die finanzielle Unterstützung der Wirtschaft verschaffte ihm eine Machtbasis unabhängig von seiner eigenen Partei und der Wählerschaft allgemein. Er ist dabei nicht der einzige, der so verfährt - Finanzminister Gordon Brown, John Prescott und andere stützen sich in ähnlicher Weise auf parteiunabhängige Spender.
Durch diese Verfahrensweise ist die Wirtschaftselite nicht einfach nur in der Lage, die Regierungspolitik zu beeinflussen, sondern sie kann sie aktiv bestimmen. Blair hat eine Reihe von nicht gewählten, gesichtslosen Unternehmenschefs in die Regierung geholt und ihnen zum Teil die Peerswürde verliehen. Er hat mehr Peers erschaffen als jeder andere Premierminister in der britischen Geschichte: 206 in den vier Jahren bis zum April 2001, verglichen mit Thatcher, die in ihren elf Jahren Regierungszeit 201 Personen zu Peers erklärt hatte.
Zum Beispiel Sir Malcolm Bates, Vorsitzender der Versicherungsgesellschaft Pearl Group. Er wurde im Jahre 1998 geadelt, im folgenden Jahr zum Vorsitzenden der London Regional Transport gemacht und spielte eine Schlüsselrolle beim Verkauf des Londoner U-Bahn-Netzwerkes. Er vergab dabei einen Infrastrukturvertrag für die U-Bahn an ein Konsortium, zu dem auch Balfour Beatty gehört - ein Tochterunternehmen seines früheren Arbeitgebers BICC, das er zuvor geleitet hatte.
Oder nehmen wir Chai Patel, der eine der größten privaten Pflegeheimketten in Großbritannien, Westminster Health Care, leitet. Das Unternehmen ist ein wichtiger Befürworter von weiteren Privatisierungen im staatlichen Gesundheitssystem National Health Service (NHS). Sein leitender Direktor Patel wirkt ebenfalls als Vorsitzender der NHS-Arbeitsgruppe zur Bettenauslastung, die die Empfehlung ausgesprochen hat, dass Betten im staatliche Gesundheitssystem für neue Belegung freigemacht werden sollen, indem ältere Patienten an private Pflegeheime verwiesen werden.
Oder nehmen wir Alec Reed, den Chef einer der größten privaten Vermittlungsagenturen für Arbeitslose und einen Geldgeber der Labour Party. Eine Tochtergesellschaft seines Unternehmens erhielt den Auftrag das Arbeit-statt-Sozialhilfe-Programm der Regierung zu überwachen.
Ich könnte weitere Beispiele nennen.
Eben diese Politik hat für weitgehend kriecherische Medien gesorgt. Wie der Streit der Regierung mit der BBC gezeigt hat, wird jeder, der von der Linie abweicht, an den Pranger gestellt und isoliert. Ich möchte hinzufügen, dass die Entscheidung der Regierung, sich die BBC für ihre Angriffe zu wählen, selbst ein Politikum ist. Die BBC war lange Zeit das Schreckgespenst der konservativen Rechten, teilweise, weil sie die Versuche des Senders, unparteiisch zu berichten, als Gehorsamsverweigerung betrachten und auch weil sie die BBC als eines der letzten "verstaatlichten" Unternehmen sehen, das sie unbedingt unter ihre Kontrolle bekommen wollen. Eine der Maßnahmen, die die Regierung vorbereitet, ist ein Gesetz, dass die Medien in Großbritannien weiter dereguliert und Rupert Murdoch und anderen somit die Möglichkeit gibt, sich ein noch größeres Stück vom Kuchen zu sichern.
Was ist das Ergebnis hiervon? Die Konservativen, die sich durch die Bush-Regierung ermutigt sehen, versuchen sich die Schwierigkeiten der Regierung zunutze zu machen, und sicherlich können sie jede Hilfe gebrauchen. Aber auch sie wollen keine tatsächliche Offenlegung der Regierungslügen zum Irak, denn dies würde sie selbst und ihre eigene politische Linie auf fatale Weise diskreditieren, da sie noch weiter rechts stehen und noch stärker proamerikanisch sind als Blair.
Was die Labour Party betrifft, so hat sie aufgehört als politische Partei im eigentlichen Sinne des Wortes zu existieren. Bei der parlamentarischen Abstimmung über die Frage, ob eine unabhängige Untersuchung der Regierungsbehauptungen zur Rechtfertigung des Krieg stattfinden solle, stimmten lediglich 11 Labour-Abgeordnete dafür. Der ehemalige Außenminister Robin Cook hat bei seiner Zeugenaussage vor dem außenpolitischen Ausschuss deutlich zu verstehen gegeben, dass er den Premierminister schützen wird. Was Clare Short betrifft, so wünscht sie sich laut eigener Aussage eine "elegante Ablösung" des Premierministers und ihr bevorzugter Nachfolger - Finanzminister Gordon Brown - hat keine wesentlichen Differenzen mit Blair.
Zu den britischen Gewerkschaften muss gesagt werden, dass zwar fünf von ihnen nominell von Sozialisten geführt werden, die der Presse als unangenehme Zeitgenossen gelten, aber aus dem Gewerkschaftsdachverband TUC kaum ein Piepser der Opposition gegen den Krieg und die Besatzung zu vernehmen war. Der TUC verweigerte der Demonstration am 15. Februar seine Unterstützung und stellte sich statt dessen auf die Seite "unserer Jungs". Als es schien, als ob die Feuerwehrleute während des Kriegs in den Streik treten würden, übte er maximalen Druck aus, um die Arbeiter von der Aktion abzuhalten und die Gewerkschaft zum Abbruch zu überreden.
Die radikale Linke versenkte sich selbst in der Stop-the-War-Coalition (STWC), indem sie die Bewegung auf einen pazifistischen Protest beschränkte und Illusionen in die europäische Bourgeoisie förderte. Sie steht einer Politik, die auf einer unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse beruht, feindlich gegenüber und machte deutlich, dass sie die Labour-Regierung nicht herausfordern will.
In einer Stellungnahme, die kürzlich in der stalinistischen Zeitung Morning Star abgedruckt wurde, bezeichnete Andrew Murray, der Vorsitzende der STWC, in diejenigen, die einen aggressiveren politischen Kampf gegen die Politik von Labour und den Gewerkschaften befürworten, als "heimtückische, ultra-linke Provokation".
Auf den ersten Blick kann es scheinen, als sei es Blair gelungen, alles zusammenzuhalten. Aber die Machtkonzentration in einer solch schmalen Schicht ist eine Quelle ständig wachsender Instabilität. Auf der einen Seite können die Bedenken innerhalb der Bourgeoisie über die Richtung der Regierungspolitik kein sicheres Ventil oder Diskussionsforum finden, weil die Furcht im Raum steht, damit eine soziale und politische Explosion auszulösen, die sich nicht mehr unter Kontrolle bringen lässt. Sie sehen sich tiefer in den Sumpf gezogen. Nicht nur im Irak. In Afghanistan werden die Wahlen, die für Juni geplant waren, wahrscheinlich verschoben. Und nun richtet die Bush-Regierung auch noch ihre Augen auf den Iran, Korea und Syrien.
Blair hat nichts unter Kontrolle. Laut einem Bericht flehte der persönliche Berater des Premierministers Alastair Campbell, kurz bevor der Abstimmung über die Kriegsfrage im britischen Parlament stattfand, sein Gegenstück in den Vereinigten Staaten am Telefon an, das "Enthauptungsschwadron" noch zurückzuhalten, das als Vortrupp der Invasion in den Irak gesandt werden sollte. "Wenn Sie es zurückhalten könnten, bis wir dies aus dem Weg geräumt haben [gemeint ist die parlamentarische Abstimmung], wäre das sehr hilfreich", sagte er.
Bei dieser Gelegenheit konnten sie ein paar Stunden gewinnen, aber das wird nicht immer der Fall sein.
Gleichzeitig verfügt die Arbeiterklasse über keine Mittel, um ihre Interessen durch die traditionellen Mechanismen zum Ausdruck zu bringen. Und doch wird von ihr erwartet, dass sie den Preis für die Wiederbelebung des britischen Imperialismus zahlt: Mit dem Leben ihrer Söhne und Töchter, die nach Übersee geschickt werden, um räuberische Eroberungskriege zu Gunsten der herrschenden Klasse zu führen, die ihr zu Hause ein anständiges Leben verweigert; mit weiteren Kürzungen bei wichtigen Sozialleistungen, um eine massive Steigerung der Militärausgaben zu finanzieren; und mit der Abschaffung ihrer demokratischen Rechte.
Die gleiche Situation findet sich in jedem anderen Land. In diesem Zusammenhang sollten wir diese Konferenz und die Arbeit der World Socialist Web Site im weiteren Sinne verstehen. Nur eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die bewaffnet ist mit einem Verständnis der Ereignisse, durch die sie gegangen ist, kann die Grundlage für Widerstand gegen den Ausbruch des imperialistischen Militarismus legen.