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Flugblatt

Eine politische Strategie gegen den Krieg im Irak

Stellungnahme der Redaktion der World Socialist Web Site
26. Oktober 2002

Die folgende Erklärung der World Socialist Web Site und der Partei für Soziale Gleichheit ist für die Demonstrationen bestimmt, die am Samstag, den 26. Oktober, in zahlreichen Städten Deutschlands und Europas stattfinden. Sie kann auch im pdf-Format als Flugblatt ausgedruckt werden. Wir bitten unsere Leser und Unterstützer, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und sich an der Verbreitung dieses Texts - an Schulen, Hochschulen, Betrieben, bei Veranstaltungen usw. - zu beteiligen.

Am 26. Oktober finden in zahlreichen amerikanischen und europäischen Städten Demonstrationen gegen die Kriegspläne der Bush-Regierung statt. Die Demonstrationsteilnehmer sprechen für Millionen von Menschen, die den geplanten Angriffskrieg gegen den Irak vehement ablehnen, von den Politikern und den Medien aber kaum zur Kenntnis genommen werden.

Sie wissen, dass die US-Regierung lügt, wenn sie den Krieg mit angeblichen "Massenvernichtungswaffen" und der Tragödie vom 11. September 2001 rechtfertigt. Der Überfall auf den Irak, der jetzt vorbereitet wird, bedeutet eine Wiederauflage des Kolonialismus in seiner brutalsten Form. Tausende von Irakern werden einem Krieg zum Opfer fallen, der dazu dient, die Ölfelder zu erobern und ein amerikanisches Imperium zu errichten, das durch weltweiten Terror aufrechterhalten wird.

Die Menschen, die am Wochenende auf die Straße gehen, wollen die Regierung der USA davon abhalten, ein schreckliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Es droht ein Krieg, in dem die mächtigste Industrienation der Welt ihr ganzes militärisches Potenzial gegen ein hilfloses Land entfesselt, das bereits 1991 militärisch besiegt wurde, das seither ständigen Bombardierungen ausgesetzt ist und Sanktionen erduldet, die nahezu zwei Millionen Menschenleben gekostet haben.

Die Bush-Regierung hat bereits durchblicken lassen, dass Washington den Irak in ein vom amerikanischen Militär kontrolliertes Protektorat verwandeln möchte. Aus jüngeren Presseberichten geht darüber hinaus hervor, dass dieses Ziel durch Massenmord erreicht werden soll. Die New York Times zitierte am 22. Oktober ein Dokument über Kriegsführung in den Städten, das vor kurzem von den Oberbefehlshabern der Streitkräfte erstellt wurde. Demnach soll die überlegene Feuerkraft der USA eingesetzt werden, um die Städte des Irak unter Kontrolle zu bringen.

Der Bericht bezieht sich auf die Lehren aus früheren militärischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung verschiedener Länder: den Luftangriff der Nato auf Belgrad, die Räumung Grosnys durch die Russen und die Zerstörung Dschenins durch Israel. Die Amerikaner, heißt es, sollten bei ihrem Einmarsch in den irakischen Städten ihre "überwältigende militärische Stärke" nutzen und ihre Ziele mit derartiger "Geschwindigkeit, Feuerkraft und Schockwirkung" erobern oder zerstören, dass jeder Widerstand zusammenbricht.

Trotz der Kriegstreiberei der Bush-Regierung und der chauvinistischen Propaganda der Medien gibt es in der amerikanischen Bevölkerung eine tiefgreifende und nachhaltige Opposition gegen die Kriegspläne. Die große Aufgabe, die sich den Teilnehmern an den Demonstrationen vom 26. Oktober stellt, besteht darin, diese verbreitete, aber diffuse Opposition in eine starke politische Bewegung zu verwandeln, die sich ihrer gesellschaftlichen Rolle bewusst ist. Proteste sind wichtig und notwendig, um der Welt zu zeigen, dass die Bevölkerung die räuberische Politik der US-Regierung nicht unterstützt. Sie reichen aber nicht aus.

Um gegen den Krieg zu kämpfen, braucht man mehr als moralische Entrüstung und persönlichen Mut. Man muss als Kriegsgegner vor allem seine Ursachen verstehen und daraus ein Programm ableiten, das als Grundlage für eine Massenbewegung dienen kann.

Der geplante Einmarsch im Irak ist ein imperialistischer Krieg. Dieselben wirtschaftlichen Interessen der großen Konzerne, die die Innenpolitik der USA bestimmen, stehen letztlich auch hinter ihren militärischen Aktionen in Übersee.

Im amerikanischen Imperialismus schlagen sich auf globaler Ebene die Klasseninteressen nieder, die von den mächtigsten Teilen der Kapitalistenklasse auch innerhalb der USA verfolgt werden. Die Vorrechte dieser Klasse gehen mittlerweile so weit, dass die gesamte Gesellschaft von einer Plutokratie regiert wird. Aus den neuesten Statistiken geht beispielsweise hervor, dass die reichsten 13.000 Familien in Amerika über nahezu dasselbe Einkommen verfügen wie die 20 Millionen ärmsten Haushalte. Das Einkommen dieser 13.000 Familien ist 300 Mal so hoch wie der Durchschnitt. Während der vergangenen dreißig Jahre ist das mittlere Jahresentgelt der 100 am besten bezahlten Firmenchefs von 1,3 Millionen Dollar - 39 Mal höher als der Durchschnittslohn - auf 37,5 Millionen Dollar gestiegen, also auf mehr als das 1000-fache eines normalen Gehalts.

Diese Konzentration des Reichtums an einem Pol der Gesellschaft war mit einem weitreichenden Verfall der traditionellen Formen und Institutionen der amerikanischen Demokratie verbunden. In einer Gesellschaft, die wirtschaftlich derart gespalten ist, kann die Demokratie auf Dauer keinen Bestand haben. Die große Masse der Bevölkerung - die Arbeiterklasse - ist sukzessive von jeder tatsächlichen Beteiligung am politischen Leben ausgegrenzt worden, während die beiden politischen Parteien immer offener als Interessensvertreter der Reichen und Superreichen auftreten.

Das erklärt, weshalb es zwischen den beiden Parteien der wirtschaftlichen Elite - den Demokraten und den Republikanern - keinen ernsthaften politischen Meinungsstreit gibt. In Bezug auf alle Fragen des "nationalen Interesses", d. h. des globalen Interesses der kapitalistischen Klasse, haben die beiden Parteien denselben Standpunkt.

Die Demokratische Partei hat George W. Bush - der durch ein Betrugsmanöver Präsident geworden ist - beispiellose Kriegsvollmachten erteilt. An den Händen der demokratischen Kongressführer Daschle, Gephardt und ihrer Gefolgschaft klebt genauso viel Blut wie an jenen von Bush, Cheney und Rumsfeld.

Die europäischen Regierungen verteidigen dieselben gesellschaftlichen Interessen wie die amerikanische. Auch sie greifen pausenlos Arbeitnehmerrechte, Löhne und Sozialleistungen an. Wie die Bush-Regierung haben sie den 11. September als Vorwand für eine beispiellose Aufrüstung des Staatsapparats nach innen und nach außen benutzt. Den amerikanischen Kriegsplänen treten sie nur so weit entgegen, wie diese ihren eigenen imperialistischen Ambitionen im Weg stehen.

Nur aus diesem Grund lehnt die Regierung Schröder-Fischer eine deutsche Beteiligung am Krieg gegen Bagdad ab. Sie fürchtet, dass die Ölquellen am Golf vollständig unter die Kontrolle der USA geraten und die lukrativen Geschäfte der deutschen Wirtschaft Schaden leiden. Das hat sie allerdings nicht daran gehindert, die Sanktionen gegen den Irak zu unterstützen, denen Hunderttausende von Kindern zum Opfer gefallen sind.

Die rot-grüne Regierung hat in vier Jahren mehr dazu beigetragen, Deutschland zur militärisch gerüsteten Großmacht aufzubauen, als ihre konservativen Vorgänger in den sechzehn Jahren davor. Sie hat sich an zwei Kriegen beteiligt - 1999 in Jugoslawien und 2001 in Afghanistan - und deutsche Soldaten zu Einsätzen in 16 verschiedene Staaten und Regionen geschickt - vom Balkan über Afghanistan bis ans Horn von Afrika. Sie hat die Ausgaben für internationale Bundeswehreinsätze verzehnfacht und ein gewaltiges Aufrüstungsprogramm in Gang gesetzt.

Es wäre daher ein großer Fehler, in der Ablehnung der Kriegspläne auf die SPD, die Grünen - oder die PDS - zu vertrauen. Letztere spricht sich nur so lange gegen Aufrüstung und Krieg aus, wie sie nicht selbst in die Regierung eingebunden ist. Überall dort, wo sie Regierungsverantwortung trägt, hat sie sich als verlässliche Stütze der SPD erwiesen.

Die Gegner des imperialistischen Krieges und des Militarismus müssen sich der großen gesellschaftlichen Kraft zuwenden, die von keiner großen politischen Partei mehr vertreten wird - der internationalen Arbeiterklasse. Sie stellt eine potenziell stärkere Kraft dar als die kapitalistische herrschende Elite. Direkt unter der Oberfläche des Alltagslebens stauen sich bei der Masse der Bevölkerung immer mehr Wut und Verbitterung an, die in den politischen Institutionen keinen Ausdruck mehr finden können.

Die Millionen Männer und Frauen, die in den Betrieben, Büros, Schulen und Krankenhäusern arbeiten, die nur leben können, wenn sie ihre Löhne und Gehälter beziehen - diese kolossale Kraft hat sich bisher nicht bemerkbar gemacht, weil sie von der offiziellen Gesellschaft und dem Parteien-System ausgeschlossen ist. Die Mobilisierung der Arbeiterklasse - unabhängig von den Bundestagsparteien und im Gegensatz zum gesamten System des Klassenprivilegs - muss zur Grundlage werden für die Entwicklung einer internationalen Bewegung gegen Militarismus und imperialistischen Krieg.

Der Kampf gegen den Krieg muss mit einem Programm verbunden werden, das die brennenden sozialen Fragen aufgreift: Arbeitsplätze, Einkommen, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnungen und der Kampf für die Verteidigung und Ausweitung demokratischer Rechte. Sein Dreh- und Angelpunkt muss der Kampf für soziale Gleichheit sein.

Die Socialist Equality Party in den USA, die Partei für Soziale Gleichheit in Deutschland und unsere Mitstreiter im Internationalen Komitee der Vierten Internationale haben die World Socialist Web Site aufgebaut, um ein politisches und theoretisches Instrument für den Aufbau einer solchen Bewegung zu haben. Wir vertreten folgende Prinzipien für den Aufbau einer Massenbewegung gegen den imperialistischen Krieg:

1. Die Mobilisierung der Arbeiterklasse als wichtigste und führende Kraft. Dieser Kraft müssen sich die Menschen zuwenden, die zu den Demonstrationen nach Washington und in andere Städte kommen, um eine starke und dauerhafte Antikriegsbewegung aufzubauen - nicht den US-Demokraten, den europäischen Imperialisten oder den stets zu einem Verrat bereiten nationalen bürgerlichen Führern in Ländern der Dritten Welt.

2. Der Internationalismus als politisches und organisatorisches Leitprinzip. Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg muss konzipiert werden als Kampf für die Vereinigung der Arbeiterklasse aller Länder, Hautfarben und Religionen gegen den gemeinsamen Feind. Er muss gegen alle Versuche gerichtet sein, die Arbeiterklasse zu spalten.

3. Die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse. Die Unterordnung der arbeitenden Bevölkerung unter die bürgerlichen Parteien - die Demokraten in den USA; SPD, Grüne, Union, FDP und PDS in Deutschland - muss beendet werden. Eine neue politische Bewegung muss aufgebaut werden - die Partei für Sozial Gleichheit in Deutschland und die Vierte Internationale weltweit - um die internationale Arbeiterklasse im Kampf gegen imperialistischen Krieg, Militarismus und soziale Ungleichheit zusammenzuschließen.

Das wichtigste Instrument für den Aufbau dieser Bewegung ist die World Socialist Web Site. Wir rufen alle, die gegen den imperialistischen Krieg kämpfen wollen, dazu auf, mit der WSWS in Verbindung zu treten. Schreibt Artikel, verbreitet unsere Erklärungen weiter, macht die WSWS bekannt. Tretet unserer Partei bei und tragt dazu bei, sie zur neuen Führung der Arbeiterklasse zu entwickeln.

Siehe auch:
Hintergrundanalysen zum Thema
(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - November/Dezember 2002 enthalten.)