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Ausführungen eines Bush-Beraters vor britischen Abgeordneten:

Die Kriegsplanungen der USA hängen nicht von den Ergebnissen der UN-Inspektionen ab

Von Chris Marsden
27. November 2002
aus dem Englischen (26. November 2002)

Einer der wichtigsten Sicherheitsberater von Präsident Bush, Richard Perle, erklärte am 15. November vor britischen Parlamentsabgeordneten aller Parteien, dass die Angriffspläne der USA gegen den Irak bestehen bleiben, auch wenn die UN-Inspektoren keine Waffen finden.

Perle ist Vorsitzender der Defense Policy Board, eines offiziellen Beratergremiums für das Pentagon. Er sagte, dass selbst eine "einwandfreie Unbedenklichkeitsbescheinigung" von Hans Blix, dem Vorsitzenden der UN-Inspektionskommission UNSCOM, die USA nicht von einer Kriegserklärung gegen Bagdad abhalten könnte. "Er kann ja nichts anderes kennen als die Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen. Und damit ist nicht bewiesen, dass Saddam keine Massenvernichtungswaffen hat", betonte Perle.

Wenn sich auch nur ein Zeuge für Saddam Husseins Waffenprogramm finde, erklärte er, dann wäre dies Anlass genug für ein militärisches Vorgehen. Weiter erklärte er vor den britischen Parlamentariern: "Angenommen, wir finden jemanden, der an der Entwicklung von Waffen beteiligt war und aussagt, dass es Lager mit Nervengift gibt. Man kann sie aber nicht finden, weil sie so gut versteckt sind. Muss man dann die Nervengifte tatsächlich in der Hand halten, um einen überzeugenden Beweis zu besitzen? Schließlich ist es nicht so, dass wir auf Zusammenarbeit zählen können."

Zwei Tage vor diesen Ausführungen gab Perle der britischen Zeitung Guardian ein Interview, das in einem noch provokativeren Ton gehalten war. Der Irak, sagte er darin, sei nur das erste einer ganzen Reihe Länder, die von den USA angegriffen werden sollten. Er nannte in diesem Zusammenhang den Iran, Syrien und Nordkorea. Darauf angesprochen, dass Nordkorea die Existenz eines Atomwaffenprogramms zugegeben habe, erklärte Perle: "Mit einigen Leuten kann man sich eben nicht einigen. Mit Hitler konnte man sich nicht einigen, und auch nicht mit Saddam Hussein oder mit Nordkorea."

Perles Aussagen unterstreichen den Zynismus der Bush-Regierung, die nach außen hin erneute Waffeninspektionen offiziell befürwortet hat. Dabei ist die Entsendung der UN-Vertreter von Anfang an nur als Manöver gedacht, um einen Deckmantel und einen Vorwand für Krieg zu schaffen. Zu diesem Versteckspiel sahen sich die USA angesichts des Zögerns ihrer europäischen Verbündeten gezwungen.

Wenn jedoch die Erkenntnisse der Inspektoren nicht den gewünschten Vorwand liefern, wird man nach irgend einer anderen Finte greifen, und wenn es die Behauptungen eines Einzelnen sind. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die USA jedem irakischen Wissenschaftler, der die Existenz eines geheimen Waffenprogramms bestätigen möchte, eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Aussicht stellen.

Kaum einer der Abgeordneten, die an dem Treffen vom 15. November teilnahmen, verspürte die Neigung, Perles Bemerkungen an die Öffentlichkeit zu bringen. Immerhin sind die herrschenden Kreise in Großbritannien überwiegend der Meinung, dass ihr Land in der Weltpolitik nur dann eine Rolle spielen kann, wenn es die Wünsche der Bush-Regierung erfüllt. Darüber hinaus versucht die Regierung Blair die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Wiederaufnahme der Waffeninspektionen ein ehrlicher und ernsthafter Versuch sei einen Krieg zu verhindern.

Nur der ehemalige Verteidigungsminister Peter Kilfoyle, der heute als Labour-Hinterbänkler ein Schattendasein fristet, wagte sich zu beschweren: "Amerika versucht der Welt weiszumachen, dass es diese Inspektionen unterstütze. Doch Präsident Bush beabsichtigt den Krieg auch dann führen, wenn die Inspektoren nichts finden."

Perles Ausführungen wurden in der Presse kaum berichtet, während Bushs Entscheidung, die Dienste der UN zu nutzen, als Nachgeben vor dem europäischen Druck und als Abrücken von seiner unilateralen Haltung dargestellt wurde. Diese äußerst verzerrte und eigennützige Darstellung erfüllt eine wichtige politische Funktion. Die Labour-"Linken" und die ihnen nahe stehenden Zeitungen haben die Fassade des "Multilateralismus" und der UN-Legalität begierig aufgegriffen, um ihre Hinnahme eines imperialistischen Angriffs auf den Irak zu rechtfertigen.

Typisch für diese Art von Täuschung und Selbsttäuschung ist ein Gastbeitrag von Hugo Young im Guardian vom 19. November unter der Überschrift: "Bush scheint nun zu akzeptieren, dass dieser Krieg von den UN geführt werden muss". Im Hinblick auf die UN-Waffeninspektionen behauptet Young: "Ein Muster der Obstruktion [von Seiten des Irak] muss schlüssig nachgewiesen sein, bevor der Krieg beginnt. Aus diesem Grund ist Bush de facto zum Internationalisten geworden."

Daher, so Young, dürfe man sich einem Krieg gegen den Irak nicht länger entgegenstellen. "Es geht nun... nicht mehr einfach darum, ob Amerika sich als Supermacht geriert und Blair in ihrem Windschatten segelt", schrieb er.

Perles Ausführung haben solche Wunschträume auf der ganzen Linie widerlegt. In seinem Interview mit dem Guardian, das am 13. November veröffentlicht wurde, machte Perle kein Hehl aus seiner Verachtung für die wichtigsten europäischen Staatschefs und für die UN. Zum Zögern Deutschlands, Frankreichs und anderer Länder, einen Krieg gegen Bagdad zu unterstützen, sagte er: "Meiner Ansicht nach hat Europa seinen moralischen Kompass verloren. Viele Europäer starren nur noch gebannt auf die kommende Gewaltanwendung und vergessen dabei, mit wem wir es zu tun haben."

Über Gerhard Schröder sagte er: "Deutschland ist einem die Moral erstickenden Pazifismus verfallen. Wenn der deutsche Kanzler sagt, dass er sich selbst dann nicht an einem Vorgehen gegen Saddam Hussein beteiligen wird, wenn die Vereinten Nationen zugestimmt haben, dann ist das Unilateralismus." Und zu Frankreich fügte er hinzu: "Da gab es diplomatische Manöver, aber keine moralische Standfestigkeit."

Auch der schwedische Vorsitzenden der UN-Inspektoren bekam sein Fett ab: "Wenn es nach mir ginge, dann hätte ich mich angesichts seiner bisherigen Leistungen nicht für Hans Blix entschieden."

Perle gehört zum harten Kern der Falken, die in der Bush-Regierung den Ton angeben, und er scheut sich nicht, dies öffentlich zu zeigen. Sowohl Vizepräsident Richard Cheney als auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld haben deutlich gemacht, dass es ihrer Ansicht nach den UN-Inspektoren nicht gelingen werde, den Irak zu entwaffnen. Der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz (ein enger Mitarbeiter Perles) hat seinerseits in diesem Jahr bei der CIA einen Bericht angefordert, weshalb es Blix als Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde in den 1980-er und 1990-er Jahren nicht gelungen sei, die nuklearen Projekte des Irak aufzudecken.

Nachdem die Bush-Regierung von den UN nun bekommen hat, was sie möchte - ein Mittel zur Rechtfertigung des Kriegs gegen den Irak - gebärdet sie sich immer feindseliger und drohender. Am Tag, an dem die UN-Inspektoren eintrafen, inszenierte die amerikanische Regierung eine Provokation, um ihre fortgesetzte Anwesenheit in Bagdad zu torpedieren. F-16-Kampfflugzeuge bombardierten zwei Flugabwehrstellungen im Norden von Mosul, nachdem die irakische Artillerie angeblich zwei US-Kriegsflugzeuge beschossen haben sollte, die in der sogenannten "Flugverbotszone" patrouillierten. Anschließend behauptete der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, dass jede solche Bedrohung US-amerikanischer oder britischer Kriegsflugzeuge seitens des Irak einen "materiellen Bruch" der UN-Resolution darstellen und eine Invasion rechtfertigen könnte.

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