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Pakistans Militärregime schließt sich der amerikanischen Kriegskoalition an

Von Keith Jones
28. September 2001
aus dem Englischen (25. September 2001)

Konfrontiert mit einem Ultimatum aus Washington hat sich Pakistans Militärregime hastig aus seiner Allianz mit den Taliban zurückgezogen und dem amerikanischen Militär die Erlaubnis erteilt, Afghanistan von pakistanischem Territorium aus anzugreifen.

Am späten Sonntag kam eine hochrangige amerikanische Delegation in Islamabad an, um die militärischen und geheimdienstlichen Bedürfnisse der Vereinigten Staaten zu diskutieren. Aber pakistanische Regierungsvertreter hatten bereits ihre Bereitschaft demonstriert, der erwarteten Anfrage der Vereinigten Staaten nach Nutzung der pakistanischen Luft-, Armee- und Marinebasen zuzustimmen. Pakistan und Afghanistan haben eine 2.500 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Die einzige Form von Zusammenarbeit, die die pakistanischen Militärs offensichtlich gänzlich zurückgewiesen haben, ist die Teilnahme von pakistanischen Truppen an einer Invasion Afghanistans unter amerikanischer Führung. "Wir haben unsere Vorbehalte in Bezug darauf, Beistand zu leisten," sagte der pakistanische Außenminister Abdul Sattar. Aber diese würden "erst genauer bestimmt, wenn wir die amerikanischen Operationspläne kennen," fügte er hinzu.

In den Tagen unmittelbar nach den terroristischen Anschlägen vom 11. September, so wurde berichtet, verlangte Washington von Pakistan, sich als "Freund oder Feind" zu erkennen zu geben. Washington soll dem südasiatischen Staat mit allen möglichen Mitteln und Maßnahmen "außer Krieg" gedroht haben, wenn Islamabad die Vereinigten Staaten nicht bei ihrem Vorgehen gegen Afghanistan unterstützen wolle.

Nun hat Pakistan und sein Militär - traditionelle Alliierte der Vereinigten Staaten seit dem Kalten Krieg - Washingtons Wünschen nachgegeben. Nachdem der pakistanische Diktator General Pervez Musharraf in einer Fernsehansprache an die Nation Pakistans Unterstützung für die Vereinigten Staaten verkündet hatte, lobte Präsident George W. Bush den General für seine "unerschrockene Position": "Ich sagte, wir werden dem [pakistanischen] Präsidenten eine Chance geben, seine Verbundenheit darzustellen, und ich denke, das hat er getan."

Am 22. September verkündete Bush die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Pakistan und Indien, die die Vereinigten Staaten über die beiden Staaten verhängt hatten, nachdem diese im Mai 1998 kurz aufeinanderfolgend Atomwaffentests getätigt hatten. Am Montag versprachen die Vereinigten Staaten, Pakistans fällige Schulden in Höhe von 375 Millionen Dollar erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückfordern zu wollen. Gleichzeitig deuteten die Vereinigten Staaten an, den Internationalen Währungsfond unterstützen zu wollen, damit dieser Pakistan größere Geldmittel zur Verfügung stellen kann.

Sprecher der amerikanischen Regierung haben wiederholt gesagt, dass sie das Risiko, das Musharraf auf sich nimmt, zu schätzen wüssten. Hiermit beziehen sie sich auf die Tatsache, dass ein amerikanischer Angriff auf Afghanistan - ganz zu schweigen von einer amerikanischen Okkupation des Landes - bei einer großen Zahl von Pakistanis auf Opposition stoßen wird.

Die westlichen Medien berichten fast ausschließlich nur von der anti-amerikanischen Agitation, die von diversen rechten islamistischen Gruppen betrieben wird. Sicherlich stellen die Fundamentalisten eine bedeutende politische Kraft im derzeitigen Pakistan dar, vor allem weil die Elite und besonders das Militär sie gefördert und unterstützt haben. Aber es gibt für Pakistanis viele Gründe abseits von religiösem Obskurantismus, um dagegen zu sein, dass sich die weltweit größte Militärmacht Afghanistan zur Zielscheibe nimmt.

Krieg, Armut, Dürre und politische Unterdrückung haben bereits dazu geführt, dass drei Millionen Afghanen nach Pakistan geflohen sind. Ein beachtlicher Teil der pakistanischen Bevölkerung, darunter die Mehrheit der nordwestlichen Grenzregion, sind Paschtunen, die auch die größte ethnische Gruppe und Sprachgemeinschaft in der afghanischen Bevölkerung stellen. Und schließlich gibt es eine lange Geschichte der amerikanischen Unterstützung für Militärdiktaturen in Pakistan im Namen von strategischer Notwendigkeit. Es waren auch die Vereinigten Staaten, die Pakistan dazu drängten sich in dem Konflikt um Afghanistan einzumischen - und der Eintritt vor 22 Jahren hat sich für die pakistanische Bevölkerung als katastrophal erwiesen.

Musharrafs strategischer Wechsel

Vor 1979 hatte Pakistan kaum etwas mit Afghanistan zu tun, da es - wie die Vereinigten Staaten - Afghanistan als Teil der sowjetischen Einflusszone akzeptierte. Aber nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan übernahm Pakistan bereitwillig die Forderung Washingtons, dass Pakistan als Frontstaat fungieren sollte in einem Konflikt, der sich zu einer der letzten großen Konfrontationen des Kalten Krieges entwickeln sollte.

Zia-ul-Huq, der 1977 ein populistisches und anfangs von den verarmten Massen Pakistans unterstütztes Regime gestürzt hatte, konnte mit amerikanischer Hilfe seine rechte Diktatur konsolidieren und das pakistanische Militär aufrüsten. Die Vereinigten Staaten sorgten auch dafür, dass die ölreichen Scheichtümer am Persischen Golf dem Land Pakistan, seinen religiösen Organisationen und der afghanischen Opposition große Summen zukommen ließen. Der pakistanische Geheimdienst, die Inter Service Intelligence Agency (ISI), gewann zunehmend an Bedeutung, da er als Verbindungsstelle für die Finanzierung der islamisch-fundamentalistischen Opposition in Afghanistan durch die Vereinigten Staaten diente. Durch ihre Verbindungen nach Afghanistan entwickelten die führenden Mitarbeiter der ISI bald ein größeres finanzielles Interesse am Drogen- und Feuerwaffenhandel.

Obwohl die Teilung Indiens mit Ende der britischen Kolonialherrschaft in ein moslemisches Pakistan und ein hinduistisches Indien auf der Grundlage von religiös-regionaler Identität propagiert und durchgeführt wurde, trat der islamische Fundamentalismus erst unter der Diktatur von Zia-ul-Huq als einflussreiche politische Kraft hervor. Huq versuchte seine Herrschaft dadurch zu legitimieren, dass er sich als Islamist bezeichnete. Er kultivierte eine politische Unterstützung durch den Klerus und bejubelte gemeinsam mit der Reagan-Regierung die afghanischen Fundamentalisten als Freiheitskämpfer. Die ISI unterstützte unterdessen eine größere Kampagne zur Gründung von Koranschulen oder Madrassas, die anfänglich an der pakistanischen Grenze zu Afghanistan angesiedelt wurden und als Rekrutierfeld für neue Mitarbeiter und ideologisches Bollwerk gegen den Sozialismus dienten.

Nachdem die Sowjets 1989 aus Afghanistan abgezogen waren, zogen sich die Vereinigten Staaten auch zurück und verweigerten dem Land, das sie in ihren Bemühungen, die UdSSR zu schwächen, gleichsam mit zerstört hatten, jede nennenswerte Hilfe. Danach versuchte die pakistanische Elite die strategischen und finanziellen Interessen weiter zu verfolgen, die sie inzwischen in Bezug auf Afghanistan entwickelt hatte. So sehr Islamabad es heute auch bestreiten mag, hat die pakistanische Regierung doch zweifellos die Taliban bei ihrem Aufstieg zur Macht unterstützt. Dahinter stand auch das Interesse Pakistans, bei seinen Rivalitäten mit Indien Kabul zu benutzen, um den Aufstand im zu Indien gehörenden Kaschmir mit neuen Männern und Waffen zu versorgen.

Die pakistanische Bevölkerung litt unterdessen unter den zahllose bösartigen Nebeneffekten der afghanischen Manöver ihrer militärischen und politischen Elite: einem zunehmend an Macht gewinnenden Sicherheitsapparat mit engen Verbindungen zu den Fundamentalisten und den Wirtschaftsinteressen, die mit der pakistanischen Intervention in Afghanistan verbundenen waren; einer gut organisierten und mit reichlich Geld ausgestatteten islamisch-politischen Opposition; wachsenden Feindseligkeiten zwischen schiitischen und sunnitischen Moslems und einem illegaler Waffenschmuggel von gewaltigem Ausmaß. Letzterer hat eine Reihe von ethnischen Konflikten in Pakistan zwar nicht ausgelöst, aber doch erheblich verschärft.

Die Abneigung vieler Pakistanis gegenüber der amerikanischen Unterstützung für Zia-ul-Huq und gegenüber Pakistans von Amerika aus gesteuerten Intervention im afghanischen Bürgerkrieg zeigt sich beispielhaft in dem folgenden Kommentar eines pakistanischen Journalisten: "Was für eine hübsche Genugtuung für Amerikas Debakel in Vietnam war das Zurichten des sowjetischen Bären in Afghanistan. Eine Handvoll pakistanischer Generäle bereicherte sich in diesem folgenschweren Kampf. Aber was bekam das Land? Gewehre, Gewalt, Drogen und eine Flut von Flüchtlingen. Alle Ehre ging an Amerika, alle Folgekosten fielen Pakistan zu. Jedem kann vergeben werden, wenn er denkt, dass die Geschichte sich anschickt wiederholt zu werden."

Wie der Rest des pakistanischen Generalstabs ist Musharraf tief in Pakistans Afghanistan-Abenteuer und Unterstützung für das Taliban-Regime verstrickt. Sein Putsch im Oktober 1999 resultierte zum Teil aus Konflikten mit dem gewählten Premierminister über einen Einfall des pakistanischen Militärs in das zu Indien gehörende Kaschmir, der die beiden Atommächte Südasiens an den Rand des Krieges gebracht hatte.

Amerikanische Unterstützung für die Militärdiktatur

Musharrafs Rede vom 19. September, in der er Pakistans Unterstützung für die Vereinigten Staaten ankündigte, war durchsetzt mit anti-indischer Rhetorik. Mit Bezug auf anti-pakistanische Bemerkungen, die die von Hindu-Chauvinisten dominierte indische Regierung gemacht hatte, präsentierte Musharraf seinen Standpunkt als unvermeidlichen taktischen Zug im größeren Kampf gegen Indien.

Die Konfrontation zwischen Washington und den Taliban stellt ein Debakel für die pakistanische Elite dar. Musharraf selbst hat sie als die größte Krise Pakistans seit 1971 bezeichnet - 1971 hatte Indien Pakistan auf dem Schlachtfeld vernichtend geschlagen und Ostpakistan erklärte sich für unabhängig und wurde zu Bangladesch. Dennoch hoffen die Generäle und die herrschende Klasse Pakistans, dass sie mit ihrer Loyalität zu Washington das Desaster noch in einen strategischen Vorteil umwandeln können.

Die US-Regierung und die amerikanischen Medien haben bereits gezeigt, dass sie dabei mitspielen werden. Seit seiner Machtübernahme hat Musharraf eine demokratische Norm nach der anderen außer Kraft gesetzt. Er hat sich sogar das Recht angemaßt, die Verfassung umschreiben zu können. Vom amerikanischen Establishment gab es bis jetzt noch keine einzige Bemerkung - ganz zu schweigen von Protesten - zu dem Umstand, dass Musharraf sein Versprechen, in 13 Monaten Wahlen abzuhalten, stillschweigend unter den Tisch fallen lässt. In Wahrheit sehen US-Kreisen es als einen Pluspunkt an, dass grundlegende demokratische Rechte bereits unterdrückt worden sind, bevor Pakistan als Bühne für einen unpopulären Angriff auf Afghanistan benutzt wird. Nach Treffen mit Regierungsvertretern und Sicherheitsberatern am Wochenende verkündeten die pakistanischen Autoritäten, dass sie in Zukunft hart gegen anti-amerikanische Proteste vorgehen wollen. Ein Regierungsvertreter kommentierte am Sonntag: "Unser Standpunkt ist absolut klar und jeder, der Recht und Ordnung zu stören versucht, wird nicht ungeschoren davon kommen."

Beide großen bürgerlichen Parteien, die Pakistanische Volkspartei und die Pakistanische Moslemliga, haben Musharrafs politischen Kurswechsel unterstützt. Führende Politiker der Pakistanischen Volkspartei räumten allerdings ein, dass das Ergebnis der neuen Allianz zwischen Pakistans Militärs und Washington die Militärdiktatur weiter festigen wird. "Zia setzte auch auf die afghanische Karte, um seine Herrschaft zu verlängern," sagte der Sprecher der Volkspartei Farhatullah Barbar. "Die Amerikaner werden nicht auf Demokratie drängen so lange Musharraf ihnen bei der Erfüllung ihrer internationalen Pläne hilft."

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