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Dänische Wahlen im Zeichen des "Kampfs gegen den Terror"

Von Helmut Arens
16. November 2001

Am 20. November wird in Dänemark das Parlament, das Folketing neu gewählt. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Poul Nyrup hat den Wahltermin am 31. Oktober kurzfristig festgesetzt, obwohl ihm dafür bis März nächsten Jahres Zeit geblieben wäre. Rasmussen ist seit 1993 Ministerpräsident und führt gegenwärtig eine Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen (Radikale Venstre).

Das ganze Jahr hatten die bürgerlichen Oppositionsparteien - Rechtsliberale (Venstre), Konservative und Christliche Volkspartei - in den Meinungsumfragen vor den Regierungsparteien gelegen. Für eine parlamentarische Mehrheit hätten sie allerdings die Unterstützung der rechtsradikalen und rassistischen Dänischen Volkspartei von Pia Kjaersgaard benötigt.

Nun hofft das Regierungslager die Wahlen im Schatten der Anschläge vom 11. September doch noch zu gewinnen und betreibt zu diesem Zweck im Namen des Kampfs gegen den Terrorismus eine enorme Ausweitung des staatlichen Unterdrückungsapparats, eine Verschärfung von Ausländergesetzen und den Abbau von demokratischen Rechten.

Rasmussen ist von der Presse für seinen "staatsmännischen" Umgang mit den Folgen der Terroranschläge hoch gelobt worden und sein persönliches Ansehen ist stark gestiegen. Er war einer der ersten Regierungschefs, der den USA bedingungslose Solidarität versprach. Inzwischen hat er zugesagt, ein Kriegsschiff in die Golfregion und militärisches Personal in die USA zu entsenden.

Anti-Terror-Paket

"Seit dem 11. September ist es notwendig geworden, anders zu denken. Wir brauchen wirkungsvolle Gesetze gegen Terroristen." Mit diesen Worten begründete der sozialdemokratische Justizminister Frank Jensen das Ende Oktober bekannt gegebene Anti-Terror-Paket der Regierung. Es sieht drakonische Strafen für die Unterstützung von Terror vor, der derart umfassend definiert wird, dass darunter fast jedes oppositionelle Verhalten gefasst werden kann.

Jede Unterstützung für terroristische Handlungen oder Organisationen in Wort oder Schrift soll mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft werden. Finanzielle Unterstützung für Terrorismus kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden. Schwere Sachbeschädigung als Folge terroristischer Taten soll wie Mord mit lebenslänglich bestraft werden. Als Terror definiert das Gesetz Bemühungen, den politischen und wirtschaftlichen Strukturen eines Landes ernsthaft zu schaden und die Bevölkerung in Angst zu versetzen.

Das Terror-Paket sieht weiter vor, dass auch dänische Staatsbürger ins Ausland ausgeliefert werden können, wenn sie wegen im Ausland begangenen terroristischer Taten verfolgt werden, die in Dänemark mit mehr als vier Jahren Gefängnis geahndet würden.

Auch die Ausländergesetze will die Regierung verschärfen. Die Ausländerbehörden sollen Asylbewerbern die Aufenthaltserlaubnis wieder entziehen können, wenn sie wegen terroristischer Aktivitäten im Ausland verurteilt wurden.

Weiter erhält die Polizei stark erweiterte Ermittlungsvollmachten gegen Terrorismus-Verdächtige, wie das Recht der heimlichen Durchsuchung von Wohnungen und der Überwachung von E-Mails und Mobilfunkgesprächen.

Der renommierte Rechtsexperte und Anwalt Steen Bach äußerte sich alarmiert über das Anti-Terror-Paket der Regierung. "Es ist ein trauriger Tag für die Demokratie, wenn wir uns von Terroristen derart einschüchtern lassen, dass wir unsere eigenen grundlegenden Rechtsprinzipien aufgeben. Wir unterhöhlen unsere eigenen Freiheiten, wenn wir wegen einer kleinen Gruppe unsere Rechtssicherheit opfern."

Die Reaktion des dänischen Staates auf die "terroristische Bedrohung" steht in deutlichem Gegensatz zu seiner traditionell liberalen Haltung zur Meinungsfreiheit. So ist es z.B. Neonazis erlaubt, völlig ungehindert ihre Propaganda zu verbreiten und sogar einen eigenen Radiosender zu betreiben.

Rassismus

Wie in anderen Ländern ist auch in Dänemark die Anti-Terror-Kampagne offen oder unterschwellig von rassistischen Zügen geprägt, die sich vor allem gegen dunkelhäutige Flüchtlinge mit arabischem oder islamischem Hintergrund richten.

Eine Folge: Seit dem 11. September hat es in Dänemark so viele Angriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Einwanderer gegeben, wie im ganzen Jahr 2000. Die Polizei berichtet von Vandalismus gegen die Geschäfte von Einwanderern, Todesdrohungen und Brandanschlägen auf Asylbewerberunterkünfte.

Der fremdenfeindliche Zungenschlag der Anti-Terror-Kampagne hat den rassistischen Kräften weiteren Auftrieb gegeben und die Einwanderungs- und Ausländerpolitik ins Zentrum des Wahlkampfs gestellt. Die Parteien liefern sich dabei einen Wettlauf bei der Forderung nach strengeren Einwanderungsregeln.

Der Beitrag der größten Oppositionspartei, der Liberalen (Venstre), bestand in dem Vorschlag, die Rechte von Einwanderern auf Familiennachzug stark zu beschneiden. Venstre möchte den Familiennachzug aus der Türkei, Somalia und Pakistan weitestgehend einschränken und die Einwanderung aus diesen Ländern ganz stoppen. Selbst Einwanderer mit dänischem Pass sollen von diesen Beschränkungen betroffen sein.

Der Rechtsexperte Professor Claus Haagen Jensen von der Universität Aalborg vertrat gegenüber der Zeitung Politiken die Meinung, dass eine solche Regelung einen Bruch von UNO-Konventionen bedeuten würde. "Selbst wenn sie nicht in Gesetzesform gegossen würde, wäre eine solche Diskriminierung willkürlich herausgegriffener Länder illegal," sagte er.

Die offen rassistische Dänische Volkspartei fordert die völlige Abschaffung des Familiennachzugs, während die Christdemokraten eine "maßvolle" Anpassung befürworten. Die an der Regierung beteiligten Sozialliberalen meinen, dass Einwanderer eine dänische Zeitung lesen können und verstehen sollten, um die dänische Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Die Kritik der sozialdemokratischen Innenministerin Karen Jespersen an den Familiennachzugsplänen der Liberalen, die sie als "amateurhaft" und "rassistisch" bezeichnete, kann man angesichts ihrer eigenen Bilanz nur als reine Heuchelei bezeichnen. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte sie selbst mit dem Vorschlag Aufsehen erregt, "kriminelle Ausländer" (d.h. Ladendiebe u.ä.) auf eine einsame Insel zu verfrachten.

Auch ihr Chef, Ministerpräsident Rasmussen beteiligt sich an der Vergiftung des politischen Klimas. Er hat versprochen, dass die Dänen nicht von Ausländern überschwemmt werden würden und sich nicht "wie Fremde im eigenen Land fühlen" müssten. Dänemark werde keinesfalls ein multi-ethnisches Land werden.

Dieses von den "respektablen" Parteien mitgeschaffene Klima lässt auch die ultrarechte Fortschrittspartei des Mogens Glistrup wieder Morgenluft wittern. Glistrup hatte sich in den siebziger Jahren als "Steuerrebell" einen Namen gemacht und mit der populistischen Forderung nach der Abschaffung aller Steuern Erfolge gefeiert.

Auf dem jüngsten Parteitag der Fortschrittspartei forderte Glistrup unter dem donnernden Applaus seiner Anhänger erneut Null Prozent Einkommenssteuer, die Entlassung einer halben Million Staatsbediensteter - und die Deportation aller Moslems aus Dänemark. Es sei die Pflicht der Partei, für ein "Mohammedaner-freies Land" zu kämpfen. Sein Gegenkandidat um den Posten des Parteichefs forderte, selbst die Kinder von in Dänemark geborenen Moslems mit dänischem Pass in die Länder ihrer Vorfahren zurückzuschaffen.

Ein Redner nach dem anderen verlangte, "das Moslem-Problem zu lösen". Eine Delegierte fragte unter donnerndem Applaus, "Was ist der Unterschied zwischen einer Ratte und einem Moslem? Die Ratte bezieht keine Sozialhilfe." Die Parteiaktivistin Margit Buhl verkündete, sie sei "stolz, eine Rassistin zu sein". Es ist zwar nicht sicher, ob die "Fortschrittspartei" ins Parlament einziehen wird, aber sie hat die zur Teilnahme an der Wahl notwendigen 20.000 Unterschriften gesammelt.

Sparpolitik

Der Anti-Terror Kurs der Regierung und insbesondere die Stimmungsmache gegen Ausländer und der Abbau demokratischer Rechte wird von den Oppositionsparteien unterstützt. Viele Beobachter gehen davon aus, dass diese die Wahl gewinnen und mit dem Führer der Liberalen, Anders Fogh Rasmussen, an der Spitze einer Mitte-Rechts Koalition die neue Regierung stellen werden.

Dies erscheint um so überraschender, als der amtierende Ministerpräsident günstige Wirtschaftsdaten mit niedriger Inflation, niedriger Arbeitslosigkeit und starken öffentlichen Finanzen vorweisen kann. Diese sind allerdings das Ergebnis einer harschen Sparpolitik, die die regierenden Sozialdemokraten der Bevölkerung zugemutet haben. Ähnlich wie ihre Pendants in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich führen sich die dänischen Sozialdemokraten wie Mustersparkommissare auf, um die Anforderungen der globalen Finanzmärkte gegen die arbeitende Bevölkerung durchzusetzen.

Vor zwei Monaten drohte Wirtschaftsministerin Marianne Jelved mit Rücktritt, falls die Steuern auf Nordseeöl erhöht würden, um höhere Sozialausgaben zu finanzieren. Finanzministerin Pia Gjellerup drohte mit einem strengen Wirtschaftspaket ähnlich dem der achtziger Jahre, wenn die Haushalte der Ministerien nicht unter Kontrolle gehalten würden.

Immer größere Teile der sozialdemokratischen Wähler sind nicht mehr bereit, dies angesichts der relativ guten wirtschaftlichen Lage mitzutragen und z.B. lange Warteschlangen in den Krankenhäusern in Kauf zu nehmen.

Die Sparpolitik der Regierung geht so weit, dass sogar die rechten Oppositionsparteien diese von links angreifen und mehr Geld für verbesserte Sozial- und Gesundheitsstandards fordern.

Siehe auch:
Vor den Parlamentswahlen in Dänemark
(3. März 2001)